Nach Schlüpfen unter Euro-Rettungsschirm Erleichterung über Portugals Hilferuf
Portugal hat am späten Abend offiziell Milliardenhilfen des Euro-Rettungsschirms beantragt. Die europäischen Partner lobten die Entscheidung überwiegend als notwendig. Das Geld soll nun schnell bereitgestellt werden. Die Finanzminister der Eurogruppe kommen heute zu Beratungen zusammen.
Der portugiesische Antrag auf Hilfen des Euro-Rettungsschirms hat überwiegend positive Reaktionen ausgelöst. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprach von einem "vernünftigen und notwendigen Schritt" angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Landes. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle forderte ein "scharfes Anpassungsprogramm", um die Wettbewerbsfähigkeit Portugals wiederherzustellen. Den Antrag auf Finanzhilfen des Rettungsschirms hätten die Märkte schon lange erwartet, erklärte er in Berlin.
Die Europäische Zentralbank (EZB) zeigte sich erfreut über den Hilfsantrag aus Lissabon. "Wir haben die portugiesischen Behörden ermutigt, um Unterstützung nachzufragen", sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet in Frankfurt. Auch die EU-Kommission begrüßte die Entscheidung der portugiesischen Regierung. "Das ist ein verantwortungsvoller Schritt für die Sicherung der Finanzstabilität im Euro-Raum", sagte Währungskommissar Olli Rehn der "Financial Times Deutschland". EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sicherte Portugal bereits "schnellstmögliche" Hilfe zu.
Antrag in Brüssel eingegangen
Am späten Donnerstagabend ging der offizielle Antrag aus Lissabon in Brüssel ein. Eine entsprechende formelle Bitte sei in Brüssel eingegangen, teilte die EU-Kommission mit. Dies bestätigte auch EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn zu Beginn eines Treffens der Euro-Finanzminister im ungarischen Gödöllö. Er gehe davon aus, dass die Finanzminister der Euro-Zone der Kommission das Mandat zu Verhandlungen mit der Regierung in Lissabon erteilen, so Rehn. Die Gespräche dürften sehr rasch beginnen. Schäuble zufolge wird Portugal als nächsten Schritt mit Unterstützung der EU-Kommission, der EZB und des Internationalen Währungsfonds (IWF) ein Anpassungsprogramm erarbeitet. Dies werde zwei bis drei Wochen in Anspruch nehmen.
"Bis dahin können Einzelfragen, zum Beispiel zum Umfang der finanziellen Hilfe, nicht verlässlich beantwortet werden", sagte Schäuble. Auch der Sprecher der EU-Kommission erklärte, dass sich derzeit nicht genau beziffern lasse, wieviel Geld Portugal benötigt. Experten schätzen Portugals Finanzierungsbedarf auf bis zu 80 Milliarden Euro.
Der schwedische Finanzminister Anders Borg kritisierte in scharfer Form, dass die Regierung in Lissabon erst jetzt den Antrag stellt. "Die hätten schon viel früher Hilfe beantragen sollen", sagte er in Stockholm. Schweden gehört zwar nicht zur Euro-Zone, beteiligt sich aber mit bilateralen Krediten an der Stützung Irlands. "Wir haben allen Grund für scharfe Kritik an den Portugiesen. Sie haben sich selbst und Europa in eine sehr schwierige Lage gebracht." Schon Ende 2010 hätte das hoch verschuldete Land die Hilfe beantragen müssen, sagte Borg. Seinen Schätzung zufolge braucht Portugal in den kommenden Monaten zwischen 15 und 20 Milliarden Euro. Ob auch Schweden Finanzhilfen bereitstelle, ließ der Minister offen.
Kein EU-Sondergipfel notwendig
Für die Freigabe von Mitteln des Euro-Rettungsschirms ist EU-Angaben zufolge kein Sondergipfel der Europäischen Union notwendig. Die Euro-Gruppe und der EU-Finanzministerrat könnten alle notwendigen Entscheidungen treffen, teilte die ungarische Regierung mit, die derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat. Beim heutigen Treffen der Euro-Gruppe sollen die Finanzhilfen für Portugal und das weitere Vorgehen erörtert werden. Zu dem zweitägigen Treffen im ungarischen Gödöllö kommen die Finanzminister der Euro-Zone und der übrigen EU-Länder zusammen.
Eine Entscheidung - etwa über die Höhe der Notkredite für Portugal - ist bei den Gesprächen nicht zu erwarten. Der Ministerrat findet in Ungarn statt, da das Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hat.
Viele offene Fragen
Ehe das Geld aus dem Euro-Rettungsschirm fließen kann, müssen mehrere Fragen beantwortet werden. So war zuletzt unklar, ob die geschäftsführende Regierung vor den Neuwahlen am 5. Juni verbindlich ein Anpassungs- und Reformprogramm aushandeln kann. Dieses ist die Bedingung für Kredite. Nach Ansicht von Verfassungsexperten in Portugal ist das möglich, wenn der Staatspräsident und alle großen Parteien den Sparplänen verbindlich zustimmen. Die größte Oppositionspartei, die konservativen Sozialdemokraten, erklärte umgehend, das Hilfeersuchen mitzutragen. Die Regierung hat bereits das vor Kurzem im Parlament gescheiterte Konzept in der Schublade liegen. Insofern wird es nach Ansicht der Kommission nicht lange dauern, bis die ersten Gelder fließen können.
Eurostaaten mit massiven Haushaltsproblemen können seit dem vergangenen Jahr mit Hilfe des Euro-Rettungsschirms eine drohende Staatspleite abwenden. Kernstück ist der Rettungsfonds EFSF in Luxemburg. Er gibt in einem Notfall an den Finanzmärkten Anleihen heraus, für die die anderen Euro-Staaten bürgen, und reicht das erlöste Geld an den hilfesuchenden Staat weiter. Deutschland steht dabei für mehr als ein Viertel der garantierten Summe gerade. Tatsächliche Kosten für den deutschen Staatshaushalt entstünden aber erst dann, wenn Portugal oder ein anderes hilfesuchendes Land das Geld nicht fristgerecht zurückzahlen kann, das es mit Hilfe des EFSF erhalten hat.
Bisher ist Irland das einzige Land, das den Rettungsfonds in Anspruch nimmt. Europäer und IWF schnürten im vergangenen November ein Hilfspaket von 85 Milliarden Euro. Für Griechenland wurde im vergangenen Jahr ein separates Paket mit einem Umfang von 110 Milliarden Euro geschnürt. Der geschäftsführende portugiesische Premierminister José Sócrates hatte am Mittwoch offiziell den Antrag seines Landes auf Hilfen des Rettungsfonds verkündet.
Rund zwei Drittel des portugiesischen Wirtschaftswachstums entfallen auf den privaten Konsum, weniger als ein Drittel auf den Export. Der Privatverbrauch wird aber durch die hohe Arbeitslosigkeit eingeschränkt, die mit rund elf Prozent auf dem höchsten Stand seit drei Jahrzehnten liegt. Drei Viertel seines Außenhandels wickelt das Land mit der EU ab. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt bei rund 1100 Euro brutto.
Das Defizit im Staatshaushalt wurde im vergangenen Jahr von mehr als neun auf gut sieben Prozent des BIP gedrückt - Richtwert in der EU sind drei Prozent. Dieses Jahr soll es auf 4,6 Prozent sinken und dann 2012 wieder die Drei-Prozent-Marke erreichen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Konsolidierungspolitik weitergeht. Dafür fand die sozialistische Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Socrates keine Mehrheit mehr im Parlament, weshalb sie bis zu den voraussichtlich im Juni stattfindenden Neuwahlen nur geschäftsführend im Amt ist.