Hightech-Industrie Wie der Osten Investoren anlockt
Ob Tesla, Intel oder der Batteriehersteller CATL - der Osten Deutschlands zieht internationale Großinvestitionen an wie keine andere Region im Land. Was macht ihn so attraktiv im Standort-Wettbewerb?
"Wir rollen Intel den roten Teppich aus - und das ist auch gut so." Das, was der Magdeburger Stadtrat Falko Grube (SPD) Anfang Juni bei der Abstimmung des Bebauungsplans für die Intel-Ansiedlung verkündete, gibt in etwa die Stimmung in vielen ostdeutschen Ländern wieder. Man will um jeden Preis vom High-Tech-Boom profitieren. Dafür machen die Gemeinden mitunter große Zugeständnisse und setzen auf die Zukunft.
Ob Tesla im brandenburgischen Grünheide, der Batteriehersteller CATL in Thüringen oder Avnet und Intel in Sachsen-Anhalt - diese Ansiedlungen sind Chefsache für die Landesregierungen, und sie bekommen immer neue Anfragen aus aller Welt. Auch Sachsen, das bei der Intel-Ansiedlung leer ausging, kann sich Hoffnungen auf andere Investitionen machen.
Kurze Transportwege als Vorteil
Corona und der Ukraine-Krieg mögen diese Entwicklung befördert haben, aber es sind nicht die einzigen Faktoren, die für diesen neuerlichen Aufschwung sorgen. Denn das Entscheidende für die Ansiedlungen sind die kurzen und sicheren Transportwege innerhalb Europas. Gerade Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt profitieren vom Flughafen Leipzig-Halle, dem Luftfrachtdrehkreuz. Außerdem sind die neuen High-Tech-Regionen durch Autobahnen und Wasserstraßen verkehrstechnisch sehr gut angebunden.
Die Neuansiedlungen seien zugleich eine Chance, um nach dem Kohleausstieg den Menschen im Osten eine Perspektive auf zukunftsträchtige, gut bezahlte Jobs zu bieten, sagt Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU). Auch Autozulieferer in den mitteldeutschen Ländern müssen neue Wege gehen, wenn der Verbrennungsmotor ausläuft.
Im Bereich E-Mobilität kommen Investitionen wie das CATL-Batteriewerk bei Erfurt gerade rechtzeitig. Europas größtes Batteriezellenwerk soll im Spätsommer 2022 mit der Produktion beginnen. Das chinesische Unternehmen CATL hat sich trotz hoher Lohn-, Energiekosten und Steuern für Thüringen entschieden. Als Standortvorteile führt Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) die zentrale Lage in der Mitte Deutschlands und Europas an, wo Automobilproduzenten wie auch Forschungs- und Entwicklungsstandorte in der Nähe seien.
Anbindung an die Forschung
Das unterstreicht auch Intel-Deutschlandchefin Christin Eisenschmid. Sie möchte, dass das Intel-Werk in Magdeburg künftig mit den Hochschulen in unmittelbarer Nähe, dem Max-Planck-Institut und dem Fraunhofer-Institut kooperiert, um Forschung zu fördern und vor allem Fachkräfte zu gewinnen. Und davon können alle neuen High-Tech-Standorte im Osten profitieren, denn der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen.
Statt gegeneinander zu arbeiten, müssten sich die Standorte in Zukunft stärker vernetzen, fordert Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Der Osten Deutschlands müsse den Schwung nutzen und sich als ein Wirtschaftsraum verstehen. Nur geschlossen könne die Region auch in Zukunft für potentielle Investoren attraktiv bleiben.
Ein großes Plus sind die unverbauten, großen, zusammenhängenden Flächen, die es so nur noch im Osten Deutschlands gibt. Die neuen Industrieparks bieten Platz zum Wachsen. Das schätzt auch der Elektronikdienstleister Avnet, der in Bernburg in Sachsen-Anhalt ein Hochleistungs-Distributionszentrum baut. Zu seinen Kunden gehören unter anderem Intel und Infineon.
Viel Wasser wird gebraucht
Weder an den Standorten in Belgien noch in Bayern könne das Unternehmen expandieren, so Roswitha Heiland, Logistikmanagerin bei Avnet. Bernburg bietet diese Chance, die das Unternehmen jetzt nutzt. Zugleich lobt die Managerin auch das Engagement der Stadt, die für die Ansiedlung jede Unterstützung bei den Genehmigungsverfahren gibt. Diese Erfahrung machen viele Investoren im Osten.
Doch auch wenn die milliardenschweren Ansiedlungen ohne große Widerstände umgesetzt werden - einen Haken gibt es. Die Halbleiterproduktion benötigt Unmengen an Wasser. Das ist gerade im Osten Mangelware. Zwar wollen Industrie und Politik dafür sorgen, dass nachhaltige Methoden für die Wasseraufbereitung zur Wiederverwendung entwickelt werden. Doch sind dies bisher nur Willensbekundungen, für die es noch keine konkreten Umsetzungspläne gibt.
Die Hoffnungen an die High-Tech Zukunft des Ostens sind groß, doch wie lange hält die enorme Nachfrage an? "Momentan ist der Markt heiß, und das ist gut", sagt Slobodan Puljarevic, Deutschlandchef von Avnet. Zugleich deutet er aber auch an, dass der Markt sehr fluktuierend sei. "Es kann sich relativ schnell ändern", so der Manager. Doch bislang zeigen die Prognosen, dass Investoren auf Wachstum setzen - und auf ein goldenes Zeitalter im Osten Deutschlands hoffen.