Anhörung vor dem EU-Parlament Oettinger auf Kompromiss-Suche
Knallharte Fragen zum Datenschutz, Mobilfunkstandards und zur Netzneutralität - die EU-Abgeordneten schonten den designierten Digitalwirtschafts-Kommissar der EU bei der Eignungsprüfung nicht. Oettinger konterte mit auf Kompromiss bedachten Antworten.
Von Sabine Hackländer, SWR-Hörfunkstudio Brüssel
Der Stoff ist komplex - soviel ist sicher. Da hilft auch kein klärendes Gespräch mehr mit dem Digital-Native-Nachwuchs, denn das Aufgabenfeld des künftigen Digitalkommissar reicht vom Ausbau der digitalen Netze über die Schaffung eines digitalen Binnenmarkts bis hin zu Datenschutz, Urheberrecht und der Entwicklung europäischer Multimedia-Inhalte.
Für Europa gehe es dabei um nichts weniger als eine Aufholjagd, so Günther Oettinger zu Beginn der Anhörung. "Im Vergleich zu den USA oder einigen Ländern Asiens haben wir in den letzten Jahren nicht gewonnen. Wir fallen zunehmend zurück", konstatiert Oettinger. Aufgeholt werden muss seiner Ansicht nach in allen Bereichen.
Netzneutralität, 5G - anspruchsvolle Fragen
So kommen Fragen wie die der SPD-Abgeordneten Martina Werner in dieser Hinsicht gerade recht. Sie will wissen, was denn nun mit der Umrüstung von 4G auf 5G als Mobilfunkstandard sei. In der Tat sei 5G die Zukunft, antwortet Oettinger. "Wir glauben, dass 5G die Technologie für das nächste Jahrzehnt werden wird, deswegen sollten wir jetzt schon die Schritte vorbereiten, damit seitens der EU-Kommission keine Verzögerungen zu verantworten sind."
Doch der Ausbau der Technik und das nötige Geld dafür sind bei weitem nicht die einzigen Themen, die die Abgeordneten interessieren: "Was ist mit der Netzneutralität?", möchte beispielsweise ein österreichischer Abgeordneter wissen und zieht einen Vergleich heran: Mit der Netzneutralität sei es ja schließlich wie mit einer Schwangerschaft, abgestuft sei das nicht möglich. "Sie können nicht ein bisschen schwanger und ein bisschen neutral sein. Wenn sie gewisse Anbieter, gewisse Dienstleistungen bevorzugen, dann sind sie eben nicht mehr neutral."
Doch Oettinger kriegt die Kurve, schließlich weiß er, was von ihm erwartet wird: "Wir müssen alles tun, dass niemand in der Nutzung des Netzes benachteiligt wird. Trotzdem kann es - Stichwort Emergency - im öffentlichen Interesse sein, dass wir gewisse Dienstleistungen und Dienste absolut mit Vorrang versehen. Ich spreche nur von öffentlichem Interesse und nicht von privatem Interesse", führt CDU-Politiker Oettinger aus. Und so geht es hin und her - einer knallharten Frage zum Thema Datenschutz von den Abgeordneten folgt eine auf Kompromiss-Suche gepolte Antwort des künftigen EU-Kommissars.
Europakritiker und Satiriker als weitere Herausforderung
Und dann gibt es ja auch noch diejenigen, die wenig bis gar nichts von Europa halten, wie der Afd-Abgeordnete Hans Olaf Henkel: "Letzte Woche meinten Sie an dieser Stelle, dass Europa im Energiesektor an einigen Bereichen zu viel und in anderen Bereichen zu wenig tut, und ich frage Sie, ist das nicht in der Digital Economy genauso?" Oettinger widerspricht nicht, stattdessen erklärt er dem ehemaligen Industrieboss, bei der Digitalisierung Europas nur so viel wie gerade nötig regulieren zu wollen.
Die Punchingball-Methode funktioniert sogar beim Abgeordneten Martin Sonneborn. Der Satiriker hatte Oettinger gefragt, ob er als Digitalkommissar das sogenannte "Recht auf Vergessen" im Internet auch auf persönliche Fehltritte anwenden wolle. Oettinger kontert: “Ich habe meinen Führerschein vor einem Vierteljahrhundert verloren, das stimmt. Seitdem nicht mehr, dazu stehe ich. Und da das in der Zeitung stand, wird es nie vergessen werden können. Denn wer in der Politik ist, muss sich mit seinen Erfolgen und Misserfolgen ein Leben lang messen lassen."