Interview zum Öl-Gipfel von Dschidda "Der Ölpreis ist spekulativ überzeichnet"
Auch wenn Saudi-Arabien mehr Öl fördern will - am hohen Ölpreis ändert sich nichts. Sind daran Spekulanten schuld? Der Energie-Experte Bräuniger bejaht diese Frage im Interview mit tagesschau.de. Der Ölpreis sei durch Spekulation in die Höhe getrieben worden. Langfristig könne er wieder sinken.
Auch wenn Saudi-Arabien mehr Öl fördern will, den Anstieg des Ölpreises hat das bislang nicht gebremst. Ölproduzenten und Ölimporteure weisen sich für diese Entwicklung gegenseitig die Schuld zu. Wieso also steigt der Ölpreis so rasant an - und welche Rolle spielen dabei Spekulanten? Darüber sprach tagesschau.de mit dem Hamburger Energie-Experten Michael Bräuninger.
tagesschau.de: Was bringt die Erhöhung der Fördermenge um einige hunderttausend Barrel am Tag?
Michael Bräuninger: Es ist ein Signal, dass man diese hohen Preise nicht tolerieren will. Die Preise sind mit Sicherheit spekulativ überzeichnet, und deshalb sind solche Signale wichtig. Zu zeigen, dass man das Angebot ausweiten kann, ist wichtig. Ähnlich wichtig war vorher die Entscheidung in China, das Nachfragewachstum etwas zu bremsen.
Dr. Michael Bräuninger leitet am Hamburger Weltwirtschaftsinstitut den Kompetenzbereich "Wirtschaftliche Trends" und unterrichtet als Privatdozent an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
tagesschau.de: Ähnliche Ankündigungen Saudi-Arabiens haben in den vergangenen Wochen den Preisauftrieb aber nicht gebremst.
Bräuninger: Das hängt auch davon ab, wie ernst die Ankündigung genommen wird und wie groß das spekulative Element ist. Wir hatten schon im vergangenen Jahr ein ähnliches Wachstum der Nachfrage und ein ähnliches Angebot an Öl. Das Angebot an Öl ist seitdem nicht zurückgegangen und auch die Nachfrage ist nicht überproportional gestiegen. Trotzdem steigen die Preise rasant. Das deutet alles darauf hin, dass hier Spekulation eine große Rolle spielt. Hier muss man ein Zeichen setzen, dass der Preisanstieg nicht immer so weitergehen muss.
tagesschau.de: Die Konsumenten klagen über die weltweit steigende Nachfrage nach Öl und über knapper werdende Reserven, die Produzenten halten den Markt für ausreichend versorgt. Wer hat Recht?
Bräuninger: Am Ende ist die Nachfrage so groß wie das Angebot. Natürlich sind die Preise einerseits spekulativ überzeichnet, andererseits ist in den vergangenen Jahren die Nachfrage schneller gewachsen als das Angebot. Zwar sind in der OPEC und auch außerhalb noch reichlich Ölreserven vorhanden. Es wird aber immer teurer, sie zu fördern. Hier sind erhebliche Investitionen notwendig, und das kostet auch Zeit.
"Der Ölpreis dämpft die Konjunktur"
tagesschau.de: Was bedeutet das für die Konjunktur in Deutschland?
Bräuninger: Der hohe Ölpreis bremst unsere Konjunktur ganz erheblich. Sie entwickelt sich zwar noch ganz gut, könnte aber kräftiger sein - wenn ihr die Energiepreise nicht Kaufkraft entziehen würden. Die Beschäftigung steigt, damit steigt die Kaufkraft und der Konsum, gleichzeitig wird beides durch den hohen Ölpreis gedämpft. In der Summe kommen wir zu einem nur moderaten Wachstum in diesem und dem kommenden Jahr.
tagesschau.de: Gibt es - mit Blick auf die Konjunktur - eine Schmerzgrenze für den Ölpreis?
Bräuninger: Nein. Der hohe Ölpreis führt zwar dazu, dass wir eine geringere Kaufkraft haben. Aber er bewirkt auch, dass wir sparsamer mit Energie umgehen und neue Technologien nutzen. Diesen Prozess müssen wir nutzen, um eine Technologieführerschaft zu bekommen. Das führt zwar kurzfristig nicht zu einer besseren Konjunktur, bessert aber langfristig unsere Marktaussichten.
"Wir können nichts gegen Spekulanten tun"
tagesschau.de: Gibt es realistische Vorschläge, den Einfluss der Spekulanten auf den Preis zu schwächen?
Bräuninger: Nein. Dagegen können wir nichts tun. Wir können nicht zwischen einem Spekulanten und jemandem unterscheiden, der das Öl kauft, um es zu nutzen. Es gibt sicher auch Spekulation, die nützlich ist, die erlaubt, Preise abzusichern und Produzenten wie Konsumenten Planungssicherheit zu geben.
tagesschau.de: Ist Spekulation auch dafür gut, um Zukunftsentwicklungen in den Preis mit aufzunehmen und uns vor abrupten Entwicklungen zu schützen?
Bräuninger: Das ist in einem gewissen Maß richtig. Manchmal kippt es dann und die Spekulation führt zu den abrupten Entwicklungen, wenn sie übertrieben ist. Im Augenblick sind wir sicher im Bereich der spekulativen Übertreibung, und das ist schädlich.
"Ein wichtiges Signal"
tagesschau.de: Welche sinnvollen Maßnahmen kann die Bundesregierung in dieser Situation ergreifen – und worauf sollte sie international drängen?
Bräuninger: Die Bundesrepublik ist, verglichen mit den internationalen Ölmärkten, klein, und wir können national kaum etwas gegen den hohen Ölpreis tun. Wir können uns möglichst gut darauf einstellen, indem wir alternative Energien fördern, indem wir Energiesparen fördern. Das wirkt aber alles nicht kurzfristig. International war die Konferenz von Dschidda ein sinnvoller Schritt, um ein Signal zu setzen – das Signal, dass niemand Interesse an einem derart hohen Ölpreis hat, auch nicht Ölförderländer wie Saudi-Arabien. Sie zeigt auch, dass Spekulation keine Einbahnstraße ist und die Preise auch wieder sinken können.
tagesschau.de: Rechnen Sie damit mittel- oder langfristig?
Bräuninger: Die Kosten für Bohrungen in der Tiefsee, in der Arktis oder für Ölsand liegen unter 100 Dollar Dollar je Barrell. Insofern sollte der Preis irgendwann wieder deutlich sinken.
Die Fragen stellte Eckart Aretz, tagesschau.de