Diskussion über neue Benzinsorte Am E10 scheiden sich die Geister

Stand: 07.03.2011 13:33 Uhr

Bundesumweltminister Röttgen gerät bei der Einführung des Treibstoffs E10 zunehmend in die Defensive. Die Koalitionspartner FDP und CSU stellten die Einführung in Frage. Als einer der wenigen sprach sich der ADAC für ein weiteres Angebot von E10 aus. Morgen berät die Koalition zum Thema.

Die Einführung des Kraftstoffs E10 wird für Bundesumweltminister Norbert Röttgen zunehmend zum Problem. Angesichts der Verunsicherung über die Schädlichkeit von E10 gehen inzwischen auch die Koalitionspartner auf Abstand.

So sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner der "Rheinischen Post", E10 müsse auf den Prüfstand: "Wenn nötig, muss die ganze Biosprit-Strategie und insbesondere der Zeitplan überdacht werden." Sein Parteikollege Patrick Döring forderte, E10 nach dem Chaos an den Tankstellen nicht anzubieten: "Die Verbraucher müssen zunächst Klarheit und Sicherheit bekommen", sagte er dem "Tagesspiegel".

Auch der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europa-Parlament, Markus Ferber, forderte einen Stopp. Die EU verlange erst ab dem Jahr 2020 einer höhere Beimischung von Bioethanol. Öl- und Autoindustrie hätten neun Jahre Zeit, einen Sprit zu entwickeln, den jeder Motor vertrage.

Benzin-Gipfel soll Entscheidung bringen

Bundesumweltminister Röttgen will sich bislang dennoch nicht von seiner Linie abbringen lassen, den Treibstoff bundesweit anbieten zu lassen: "Fast alle Autos vertragen das neue Benzin, und wir haben dafür gesorgt, dass die rund sieben Prozent älteren Modelle, die es nicht vertragen, unbefristet weiter das alte E5 tanken können." Beim Benzin-Gipfel, zu dem Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) eingeladen hat, müsse es jetzt darum gehen, "die Verunsicherung beim Verbraucher gemeinsam abzubauen", sagte Röttgen. Zum dem Treffen sind Verbraucherministerin Ilse Aigner, Verkehrsminister Peter Ramsauer sowie Automobilverbände, die Autoclubs ADAC und AvD, Verbände der Mineralölwirtschaft, die Bioethanol-Branche, der Bauernverband und die Verbraucherzentralen eingeladen.

Als einer der wenigen Akteure sprach sich der Automobilclub ADAC gegen einen Stopp aus. "Wenn wir alle gemeinsam jetzt die nötigen Schritte tun, müssen wir keinen Rückzieher machen", sagte der Leiter des ADAC-Technikzentrums, Reinhard Kolke, im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Stattdessen solle das Kraftfahrt-Bundesamt allen Besitzern von Benzinern verbindlich mitteilen, ob ihr Auto den neuen Kraftstoff vertrage. Eine solche "Anschreibeaktion" wolle der Autoclub beim Benzingipfel durchsetzen. Pauschale Warnungen vor der Unverträglichkeit des neuen, mit zehn Prozent Bioethanol versetzten Benzins wies er zurück. Da würden "die wildesten Geschichten erzählt", was "einfach nicht seriös" sei, sagte der Experte.

Große Verwirrung über Risiken

Die Verunsicherung wuchs am Wochenende allerdings noch einmal. Für Verwirrung sorgte ein Bericht der "Welt am Sonntag" über die Unbedenklichkeit des neuen Kraftstoffs E10. Angeblich soll E10 auch modernen Autos Probleme bereiten. Kronzeuge der "WamS" war der Leiter der Mechanikentwicklung bei BMW, Thomas Brüner. Durch den hohen Ethanolanteil von zehn Prozent im Benzin nehme die Wassermenge im Motor zu, soll Brüner der Zeitung zufolge gesagt haben.

Mehrkosten durch häufigere Ölwechsel?

Das Wasser kondensiere aus den Verbrennungsgasen und gelange ins Öl, das dadurch verdünnt werde und schneller altere, schrieb die "WamS" weiter unter Berufung auf Brüner. Das bedeute wiederum kürzere Ölwechselintervalle zulasten des Kunden. Um die 200 Euro koste so ein Ölwechsel bei einem Sechszylinder, rechnete die Zeitung vor.

BMW-Konzern: E10 unbedenklich

Der BMW-Konzern hatte allerdings erst vor kurzem erklärt, dass E10 für alle BMW-Pkw unbedenklich sei. Lediglich einige ältere Modelle benötigten unabhängig vom Ethanolgehalt aufgrund der höheren Oktanzahl Super Plus.

Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) äußerte sich denn auch "befremdet" über die Angaben Brüners. VDB-Geschäftsführer Elmar Baumann kritisierte auch, dass BMW weitere Tests, die das Unternehmen laut "WamS" gemeinsam mit dem Daimler-Konzern plant, nicht schon früher vorgenommen habe.

Derweil ist nicht klar, in welchem Zusammenhang Brüner seine Aussagen überhaupt gemacht hat. Nach Angaben des Branchendienstes "Auto-Reporter" soll sich Brüner nämlich über Kraftstoffqualität außerhalb der EU geäußert haben. "Auto-Reporter" zitiert den Entwicklungsvorstand des Konzerns, Klaus Draeger, mit der Aussage, an der Unterstützung von BMW für die Einführung von E10 habe sich nichts geändert.

Zitat

"Entgegen aktueller, anderslautender Medienberichte bekräftigen wir unsere Aussage, dass grundsätzlich in allen BMW Pkw Modellen sämtlicher Baujahre der unbedenkliche Einsatz von E10 Kraftstoffen möglich ist. Einige wenige ältere BMW Fahrzeuge benötigen aus Gründen der Klopffestigkeit Super Plus ROZ 98. Diese Fahrzeuge eignen sich daher unabhängig vom Ethanolgehalt nicht für Superkraftstoff."

Brüderle: "Bin irritiert"

Auf die in der "WamS" wiedergegebenen Äußerungen Brüners reagierte auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle im Bericht aus Berlin irritiert. Offenbar seien viele Informationen nicht weitergegeben worden. Brüderle forderte die Industrie auf, ihrer Informationspflicht nachzukommen: "Es ist Aufgabe der Mineralölwirtschaft, ihre Kunden über das zu informieren, was sie verkaufen. Die Fahrzeughersteller müssen klare Auskunft darüber geben, ob E10 für die Motoren geeignet sind, die sie verkaufen."

E10 wird seit Beginn des Jahres in Deutschland angeboten. Damit soll der Ausstoß des Klimagases CO2 reduziert werden - trotz der Mahnung von Umweltverbänden, die glauben, dass die Klimabilanz von E10 sogar negativ ist. Viele verunsicherte Autofahrer tanken nun Super Plus, obwohl dieser Kraftstoff teurer ist. Wirtschaftsminister Brüderle betonte, E10 werde nur ein Erfolg, wenn die Verbraucher davon überzeugt seien, dass dies für ihr Fahrzeug der richtige Treibstoff sei.