Mobilfunkexperte zu Umbrüchen auf dem Handymarkt "Ein begrenztes Zusammenwachsen"
O2 und E-Plus wollen fusionieren, Vodafone verkauft seine Verizon-Anteile, Microsoft holt sich die Handy-Sparte von Nokia: Der Mobilfunkexperte Gerpott im Interview mit tagesschau.de über die Umwälzungen am Handymarkt.
tagesschau.de: Derzeit finden erdrutschartige Bewegungen auf dem Handymarkt statt. Gibt es einen gemeinsamen Trend, der diesen Umstrukturierungen zugrunde liegt?
Torsten Gerpott: Insgesamt muss man sagen, dass die Transaktionen Nokia-Microsoft und der Verkauf der Anteile am US-Geschäft von Vodafone zwei unterschiedliche Baustellen sind. Bei Microsoft und Nokia geht es stärker um Endgeräte und Software, und bei Vodafone geht es um Netze. Das ist, glaube ich, eher ein Zufall, dass die zeitlich nah beieinander liegen.
tagesschau.de: Welchen Nutzen bringt es Microsoft, den angeschlagenen Handyhersteller Nokia zu übernehmen?
Gerpott: Microsoft hat den Trend verpasst, ein Betriebssystem zu entwickeln, das auf mobilen Endgeräten sehr gut läuft. Die alten Produkte im Office-Bereich - jeder von uns kennt beispielsweise Microsoft Word - bringen nicht mehr die Umsätze und Gewinne, die man mit diesen Produkten in der Vergangenheit gehabt hat, weil immer mehr Menschen Tablets, Telefone und internetähnliche Anwendungen nutzen. Durch den Kauf von Nokia erhofft sich Microsoft in diesem Geschäft - in dem das Unternehmen nicht sonderlich präsent ist - Fuß fassen zu können. Es hat schon ein eigenes Tablet namens "Surface" mit auf den Markt gebracht, doch eine solche Eigenentwicklung ist wesentlich mühsamer. Durch den Kauf von Nokia versucht Microsoft jetzt, das Ganze ein wenig voranzutreiben.
tagesschau.de: Könnte das Beispiel Schule machen, dass die Computer- und die Handybranche zusammenwachsen?
Gerpott: Grundsätzlich ja. Man hat das auch schon bei Google und Motorola gesehen, die sich auch zusammengetan haben. Da war auch auf der einen Seite eine Software- und auf der anderen eine Hardware-Firma. Es gibt allerdings nicht so viele große Software-Konzerne weltweit, die noch als Käufer auftreten können. Ein Zusammenwachsen ist schon zu erkennen, aber die Zahl der Käufer ist eben begrenzt.
tagesschau.de: Schauen wir noch einmal auf Vodafone. Das britische Unternehmen verkauft also Verizon und will sich stärker in Europa engagieren. Wie könnte das aussehen?
Gerpott: Es gibt verschiedene europäische Märkte wie beispielsweise Spanien oder Italien, in denen Vodafone über keine große Mehrheitsbeteiligung verfügt - insbesondere nicht im Festnetzgeschäft. Vodafone könnte jetzt einen Teil der Einnahmen - die Rede ist ja davon, dass 46 Milliarden Dollar übrig bleiben, die nicht an die Aktionäre gehen - verwenden, um Festnetzaktivitäten in Spanien, in den Niederlanden und Italien auszubauen.
tagesschau.de: Auch O2 und E-Plus wollen fusionieren. Ist es am Ende gut für den Verbraucher, wenn der Wettbewerb härter wird?
Gerpott: Es ist eine zweischneidige Geschichte: Auf der einen Seite nimmt die Zahl der Mitbewerber ab - und damit auch die Vielfalt, gerade im Mobilfunkmarkt. Der Kunde hat nur noch drei Anbieter, zu denen er gehen kann - und damit schwindet für die Unternehmen der Anreiz, sich gegenseitig das Leben schwer zu machen. Auf der anderen Seite entsteht durch das Zusammengehen von O2 und E-Plus ein Wettbewerber, der auch bundesweit Datennetze aufbauen kann und möglicherweise nicht so gut unterwegs gewesen wäre, wenn er allein agiert hätte.
Das Interview führte Simone von Stosch, tagesschau24.