Studie der Bertelsmann Stiftung Viele Frauen in der "Minijob-Falle"
Setzt das deutsche Steuer- und Sozialversicherungssystem falsche Anreize? Eine Studie der Bertelsmann Stiftung legt diesen Schluss nahe. Danach stecken vor allem Frauen in einer "Minijob-Falle".
Mehr als sechs Millionen Minijobber gab es im September in Deutschland, also Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem sogenannten 450-Euro-Job. Einige von ihnen würden womöglich mehr arbeiten wollen, doch: Nach Berechnungen des ifo-Instituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung lohnt sich das oft nicht.
"Konkret heißt das, dass die Netto-Mehreinnahmen dann häufig nicht im Verhältnis stehen zur zusätzlichen Arbeitszeit. Und wir sehen, dass das tatsächlich häufig auch ein Grund dafür ist, dass Frauen weniger arbeiten als Männer", sagt Valentina Consiglio, Arbeitsmarktexpertin bei der Stiftung.
Die Modellrechnungen zeigten: Wer doppelt so viel arbeite wie in einem Minijob, habe am Ende des Monats oft nicht mal 100 Euro zusätzlich übrig - und das bei gleichem Stundenlohn.
Dazuverdienen lohnt sich nicht
Eine Erfahrung, die auch Tanja gemacht hat. Die 42-Jährige ist Mutter von zwei Kindern; ihr Mann arbeitet in Vollzeit. Sie hatte eine Teilzeitstelle, ihr Verdienst lag über der 450-Euro-Grenze. Doch den Job hat sie aufgegeben, weil der reale Dazuverdienst am Ende des Monats kaum der Rede wert war.
"Wir haben es einfach gegenübergestellt", erzählt sie. Benzinkosten, Kindergartenbeitrag - und das alles für insgesamt neun Arbeitsstunden, verteilt auf drei Vormittage, plus Steuern und Abgaben ans Finanzamt. Tanjas Fazit: "Es lohnt sich einfach nicht, für das bisschen Geld rauszugehen."
Sicher kein Einzelfall, sagt Arbeitsmarktexpertin Consiglio. Gerade Frauen würden durch das bestehende Steuer- und Sozialversicherungssystem strukturell benachteiligt: "Wir sehen, dass vor allem die Kombination des steuer- und abgabenfreien Minijobs mit dem Ehegattensplitting dafür sorgen, dass Zweitverdiener - und das sind häufig Frauen - mit Fehlanreizen konfrontiert sind."
Mit drei Schritten aus der Minijob-Falle
Damit sich das ändere, müsse die Politik handeln, fordert die Bertelsmann Stiftung: "Auf der einen Seite Minijobs zurückdrängen und auf der anderen Seite aber auch das Ehegattensplitting reformieren", so Consiglio. Denn die Splittingregelung, die bei der Steuerberechnung für Verheiratete angewendet wird, benachteilige diejenigen, die weniger verdienen - und das seien meistens die Frauen.
Außerdem appelliert die Stiftung an den Gesetzgeber, die Hinzuverdienstgrenze für Hartz-IV-Empfänger anzuheben. Denn wenn beispielsweise eine Alleinerziehende von Sozialhilfe lebe, dürfe sie nur 100 Euro im Monat dazuverdienen. Und auch das Geld für einen Minijob werde zum Großteil vom Hartz-IV-Satz abgezogen. Die Folge laut Stiftung: Arbeit für Alleinerziehende im Niedriglohnsektor lohne sich häufig nicht.