Autobauer und ihre Zulieferer Wer baut die deutschen Autos wirklich?
Meist vermeiden es die deutschen Autobauer, über ihre Zulieferer zu sprechen. Schon um keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, wer die Autos baut. Aber wer baut sie denn nun wirklich? Und wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Autokonzernen und ihren meist unbekannten Zulieferern?
Von Claudia Witte, tagesschau.de
Was in den Endmontagehallen deutscher Autohersteller zusammengeschraubt wird, stammt nur zu einem Bruchteil aus eigener Produktion. Rund 70 Prozent des Wertes eines Autos entstehen bei den so genannten Zulieferern. Sie fertigen zum Beispiel Achsen, Scheinwerfer, Schiebedächer, Klimaanlagen, Sitze, Reifen. Sie liefern auch ganze Module wie etwa Bremssysteme, die von den Zulieferern zudem selbst entwickelt und getestet wurden. Die Markenhersteller produzieren oft nur noch Blechkleid und Motor selbst.
Zugeliefert werden Teile, Materialien und Maschinen aus der chemischen Industrie, Textilindustrie, aus Maschinenbau und elektrotechnischer Industrie, aus Walzwerken und Eisenindustrie. Auch in der Dienstleistungsbranche arbeiten Menschen für die Autoproduktion: Ingenieurbüros und Speditionen zum Beispiel. Der Branchenverband VDA schätzt, dass rund eine Million Menschen in den so genannten vorgelagerten Industrien arbeiten und damit indirekt an der Fertigung der Autos in Deutschland beteiligt sind. In der Autoindustrie selbst sind rund 770.000 Menschen beschäftigt, davon arbeiten nur gut die Hälfte bei den Markenherstellern.
Autohersteller abgehängt
Gemessen an den Schwierigkeiten der deutschen Markenhersteller geht es den Zulieferern generell recht gut. "Die Zulieferer in Europa haben prächtig Geld verdient, mit zweistelligen Renditen wie zum Beispiel bei Conti", sagt Auto-Experte Peter Soliman von der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton im Interview mit tagesschau.de. Das bestätigt auch eine aktuelle Studie des Hamburger Bankhauses MM Warburg: Die Zulieferer konnten demnach ihre Rendite in den vergangenen zwei Jahren kräftig steigern und sind mittlerweile profitabler als ihre Kunden, die Autohersteller.
Viele Zulieferer beliefern mehrere Autohersteller und viele von ihnen sind sehr spezialisiert. Deshalb können sie sehr effizient arbeiten. Markenhersteller und Zulieferer verbindet eine gegenseitige Abhängigkeit. Wie wichtig die Zulieferer für sie sind, darüber sprechen die Autobauer allerdings höchst ungern. Schon um in der Öffentlichkeit keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, wer die Autos baut.
Teure Rückrufaktion
Ein kleines Röhrchen, bloß zwei Zentimeter lang, sorgte kürzlich allerdings dafür, dass die Abhängigkeit der Autoriesen von den kleinen Teilen augenscheinlich wurde. Es stammte vom amerikanischen Zulieferer Federal Mogul, Bosch baute es in seine Dieselpumpen für BMW und Mercedes. Zuletzt war das Röhrchen aber fehlerhaft, die Dieselpumpen gaben deshalb schneller den Geist auf. Ein Teilchen für ein paar Cent - die großen deutschen Autobauer kostet es nun mehrere Millionen Euro. Tagelang mussten bei Mercedes und BMW Bänder angehalten werden.
Besonders hart traf die Panne Mercedes. Der Traditionshersteller musste Anfang April in der größten Rückrufaktion seiner Geschichte 1,3 Millionen Autos weltweit in die Werkstätten bitten. Was das kostet, will Mercedes lieber gar nicht erst verraten, Branchenkenner rechnen mit einem Betrag im dreistelligen Millionenbereich. Stattdessen ging der Konzern auf seinen Zulieferer los. In der Branche wird vermutet, das verärgerte Daimler-Manager dafür sorgten, dass der Name des Schuldigen sofort an die Öffentlichkeit drang. Vertreter des Unternehmens wollen Schadensersatz erstreiten: „Wir zählen alles zusammen und dann gehen wir zu Bosch.“
Die Panne belegt: Der Ton zwischen Herstellern und Zulieferern ist rauer geworden, die Methoden rabiater. Sie erinnern an den Einkäufer Ignacio López. Der Spanier hatte vor seinem Wechsel zu VW 1993 in den Diensten von General Motors und Opel gestanden und wurde für seine rabiaten Methoden im Umgang mit den Zulieferern bekannt. Am Ende litt die Qualität. Dass die Zuverlässigkeit der Marke in den 90er Jahren weggespart wurde, belastet Opel noch heute.
Krieg in der Schicksalsgemeinschaft?
In den vergangenen Jahren ist die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Herstellern und Zulieferern noch gestiegen. Auto-Fachmann Willi Diez von der Fachhochschule Nürtingen erklärt das im Interview mit tagesschau.de damit, dass die Zulieferer immer stärker in die Produktion eingebunden würden. Ganze Komponenten für ihre neuen Modelle lassen die Markenhersteller bei Zulieferern entwickeln und direkt an die Montagebänder liefern. Die müssen sie dann wohl oder übel für die gesamte Laufzeit des Modells weiter beziehen. "Wenn es dann Probleme gibt, wächst natürlich die Nervosität." Einige Branchenkenner sprechen schon von Krieg. Den allerdings, warnt Diez, könnten beide nur verlieren. "In einer Schicksalsgemeinschaft sollte man nicht aufeinander schießen."
Dass die Autobauer in Schwierigkeiten den Druck verstärkt an ihre Zulieferer weitergeben, hält der Berater Soliman für einen Fehler. Denn ein Zulieferer, der geknebelt werde, liefere dem Hersteller unter Umständen nicht seine neuesten Technologien. Soliman und seine Kollegen haben Vergleiche solcher Wertschöpfungsketten gemacht und festgestellt: "Da, wo man Partner unter Druck setzt, da verdient im Schnitt die ganze Kette weniger als dort, wo man partnerschaftlich miteinander umgeht." Japanische Hersteller zum Beispiel gingen diesen partnerschaftlichen Weg sehr erfolgreich. "Bei allen westlichen Herstellern ist es eher ein Gegeneinander", sagt Soliman.