EU-Gipfel will mit Putin über Energiepolitik sprechen Wie verlässlich ist Russland?
Wenn die EU-Staats- und Regierungschefs heute Abend mit Russlands Präsident Putin im finnischen Lahti zusammentreffen, geht es vor allem um eins: die Energiepolitik. Das Thema ist heikel. Denn nicht nur Russland und die EU pochen auf ihre Interessen, auch die EU-Länder untereinander sind sich uneins.
Von Michael Becker, ARD-Hörfunkstudio Brüssel, z.Zt. Lahti
Heute Abend werden die 25 EU-Staats- und Regierungschefs gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu Abend essen. Das hat es noch nie gegeben. Das Thema, das zusammenführt: die Energie. Was sonst? Russland liefert ein Viertel des Öl- und Gasbedarfs in der EU. Aber die Abhängigkeit ist gegenseitig. Denn die EU ist auch Russlands größter Kunde. Allerdings ist Putins Vorteil im Energiepoker, dass sich die EU beim Thema Energiepolitik ganz und gar nicht einig ist. So meinte denn auch der Gastgeber in Lahti, Finnlands Premierminister Matti Vanhanen, die Runde bei Tisch heute Abend berge ein gewisses Risiko.
In Brüssel wirbt EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso dafür, dass die EU an einem Strang ziehen und als Großkunde auftreten solle - bisher allerdings weitgehend vergeblich. "Wir müssen eine echte, europäische Energiepolitik entwickeln, nicht 25 einzelne Energiepolitiken“, forderte Barroso. „Die Probleme, vor denen wir stehen, Klimawandel und Energiepreise, sind globale Probleme. Nationale Lösungen sind nicht ausreichend", sagte er.
Bilateral mit Russland oder EU-Energiepolitik?
Doch viele Länder gehen beim Thema Energieversorgung lieber auf Nummer sicher und setzen auf eigene, bilaterale Verträge - so auch Deutschland mit Russland. Das wiederum verärgert andere. Polen beispielsweise ist die geplante Gaspipeline von Russland nach Deutschland durch die Ostsee ein Dorn im Auge. Aus Berliner Sicht sieht das jedoch anders aus: Deutschland bezieht immerhin ein Drittel seiner Gasimporte aus Russland. „Deutschland ist Energie-Importeur, und deshalb sehe ich die Energiebeziehungen mit Russland als die Möglichkeit verlässlicher Beziehungen“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Besuch von Russlands Präsident Putin vergangene Woche in Dresden.
Russlands Politik verunsichert EU
Mit den verlässlichen Beziehungen ist das allerdings so eine Sache: Anfang des Jahres hatte Russland der Ukraine den Gashahn zugedreht. Die Folge: Auch in einigen EU-Ländern kam es damals zu Engpässen. Und der britisch-niederländische Shell-Konzern hat zurzeit in Sibirien Probleme, weil die russische Umweltbehörde plötzlich Bedenken bei der Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen angemeldet hat. Beobachter vermuten, in Wirklichkeit gehe es darum, den russischen Gaskonzern Gazprom an dem Geschäft zu beteiligen. So viel Unberechenbarkeit schmeckt den Europäern nicht - vor allem, wenn es um so elementare und langfristige Projekte wie die Energieversorgung geht.
Nach dem Abendessen heute wird man bei all dem aber voraussichtlich nicht viel weiter sein. Denn eines will keiner der versammelten Staats- und Regierungschefs: einen offenen Streit – weder über Energie noch über Menschenrechtsfragen oder ermordete russische Journalisten.