Diskussion um Verschieben der Frist Experten warnen vor Öffnung des Arbeitsmarktes

Stand: 30.07.2007 02:13 Uhr

Im Zuge der Osterweiterung hatten mehrere alte EU-Staaten Fristen ausgehandelt, um ihre Arbeitsmärkte vor dem erwarteten Ansturm aus Osteuropa abzuschotten. In Deutschland, wo die Frist bis mindestens 2009 gilt, wird derzeit heftig darüber gestritten. Einige Politiker fordern, sie zu streichen. Andere warnen davor.

In die Diskussion um die vorzeitige Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für osteuropäische Arbeitnehmer hat sich nun auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) eingeschaltet - mit kritischer Stimme. BA-Chef Frank-Jürgen Weise warnte vor entsprechenden Vorschlägen aus den Reihen der Bundesregierung. "Im Hinblick auf die Arbeitslosen, die wir in den Arbeitsagenturen zu betreuen haben, kann ich nur darauf dringen, dass eine Zuwanderung absolut restriktiv erfolgen sollte", sagte er der "Berliner Zeitung". "Die Arbeitsagenturen sollen die Menschen in Arbeit bringen - und dann stört es mich schon, wenn wir uns gleichzeitig Konkurrenz hereinholen."

Öffnung ja - aber nicht überall

Weise sagte, eine frühzeitige Marktöffnung mache in solchen Branchen Sinn, die Probleme haben, geeignete Bewerber zu finden. Wo es wirklichen Mangel gebe, könnte man andere Arbeitnehmer aus dem Ausland einladen. Das müsse allerdings sehr kontrolliert ablaufen, so Weise. Anderenfalls befürchte er, dass viele wenig ausgebildete Billig-Arbeiter nach Deutschland kämen. "Und das sind leider auch die Plätze, die erfahrungsgemäß am schnellsten wieder wegrationalisiert würden."

Kritisch zu dem Vorschlag, den Arbeitsmarkt bereits früher zu öffnen, äußerte sich auch Unionsfraktionschef Volker Kauder. Er brachte stattdessen eine erneute Verschiebung auf 2011 ins Spiel. Eine vorzeitige Öffnung wäre das falsche Signal, sagte Kauder der "Bild"-Zeitung. Man könne sich nicht auf der einen Seite über Dumpinggehälter beklagen und gleichzeitig im großen Stil Arbeitskräfte aus Rumänien oder Bulgarien nach Deutschland holen, die hier für Billiglöhne arbeiten wollten. "Deshalb bin ich aus heutiger Sicht dafür, die vollständige Öffnung unseres Arbeitsmarktes auf 2011 zu verschieben".

Der Staatssekretär im Arbeitsministerium, Gerd Andres, hatte sich vergangene Woche für eine frühere Lockerung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgesprochen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Als Bedingung forderte er aber, dass in den freigegebenen Branchen Mindestlöhne eingeführt würden, um Lohndumping zu verhindern.

Übergangsfrist bis mindestens 2009

Deutschland hatte im Zuge der Osterweiterung im Jahr 2004 die Arbeitnehmerfreizügigkeit für zwei Jahre und im vorigen Jahr für weitere drei Jahre bis 2009 eingeschränkt. Im Mai 2009 hätte Deutschland dann die Option, für zwei weitere Jahre Beschränkungen beizubehalten.

Stichwort

... gehört zu den Grundfreiheiten innerhalb der Europäischen Union. Sie ermöglicht es im Prinzip jedem EU-Bürger, sich in einem anderen Mitgliedsland niederzulassen und dort auch zu arbeiten.

Als Begründung für die Einschränkungen hatte Deutschland die hohen Arbeitslosenzahlen angeführt. Inzwischen ist die Zahl der Jobsuchenden jedoch von über fünf Millionen auf knapp 3,7 Millionen gesunken. Einzelne Branchen klagen zudem über einen Fachkräftemangel. Allerdings ist sich die Wirtschaft uneins, ob daher der Stellenmarkt für Osteuropäer geöffnet werden sollte. Während Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt dafür plädiert hatte, lehnte Handwerks-Präsident Otto Kentzler eine "breite und nicht differenzierte Öffnung" ab.