Luftfahrtexperte Plath im Interview "Das hätte Airbus schon vor Jahren tun sollen"
Während die Gewerkschaften aus Protest die Arbeit niederlegten, hält Luftfahrtexperte Plath das Sanierungskonzept "Power 8" für richtig. "Das hätte Airbus schon vor Jahren tun sollen", sagte er tagesschau.de. Für möglicherweise abgestoßene Werksstandorte sieht er gute Zukunftshancen, vermisst hier allerdings klare Worte von Airbus.
tagesschau.de: Ist das von der Airbus-Führung vorgestellte Sanierungsprogramm der ersehnte Befreiungsschlag?
Plath: Das ist der richtige Schritt, den Airbus schon vor einigen Jahren hätte tun sollen. Airbus musste auf den globalen Wettbewerb reagieren. Vielleicht hätte sich das Unternehmen noch etwas genauer äußern sollen, was die Zukunft der einzelnen Standorte angeht. So sorgt Airbus noch einmal für Verunsicherung. Ich denke, es ist auf den politischen Druck zurückzuführen, dass man da nicht noch deutlicher geworden ist.
tagesschau.de: Künftig soll das Langstreckenmodell A350 in Frankreich endmontiert werden, dafür kommt das Modell A320 nach Hamburg. Was bedeuten diese Änderungen?
Plath: Was den A320 anbelangt, ist das für Deutschland eine ganz wichtige und gute Entscheidung. Dass die A320-Nachfolgefamilie in Deutschland gebaut werden soll, ist für mich sogar sensationell. Denn der A320 ist das Arbeitspferd bei Airbus. Davon wurden über 3000 Stück ausgeliefert. Das ist ein Flugzeug, das noch über Jahrzehnte gebaut werden wird und die Nachfolger werden auf jeden Fall in hohen Stückzahlen gebaut.
tagesschau.de: Andererseits sieht "Power 8" vor, dass 3700 Stellen in Deutschland abgebaut werden.
Plath: Es wurde immer von Massenentlassungen gesprochen. Jetzt werden die Arbeitsplätze aber nur ausgelagert, was erst einmal positiv ist. Für die jeweiligen Mitarbeiter hat es vielleicht auch einige Nachteile. Aber es gibt für sie auch Chancen: Für die betroffenen Standorte sollen Partner gesucht werden, die Produktionsstätten weiterentwickeln und auf neue Verfahren und Werkstoffe einstellen.
tagesschau.de: Gibt es für mögliche Partner denn überhaupt einen Anreiz zum Einstieg?
Plath: Wenn Sie sehen, dass in der normalen Produktion über Jahrzehnte noch die Verkäufe gesichert sind, weil sie in den Auftragsbüchern drinstehen, ist das Risiko für potenzielle Partner sehr gering. Gerade in Nordenham, dass für die Zukunft zusätzlich Teile für die A350 produzieren soll, hat sehr gute Chancen, selbst wenn es auslagert wird. Boeing hat zum Beispiel ein Werk in Wichita verkauft, das läuft jetzt hervorragend. Werke wie Varel oder Nordenham könnten sich dann auf dem Weltmarkt nach fremden Aufträgen umsehen, was sie bisher nicht konnten.
tagesschau.de: Was soll sich denn für Airbus durch die Ausgliederung auf einmal verbessern?
Plath: Das ist eine Anpassung an die weltweite Entwicklung. Boeing hat da vorgelegt und viele Arbeitspakete nach außen gegeben. Airbus folgt dem jetzt, um sein Risiko zu streuen. Außerdem hat Airbus seine Verwaltung in den vergangenen Jahren sehr aufgebläht - da kann jetzt entschlackt werden. Wenn Sie in einer Organisation zu viele Menschen haben, die mitreden, wenn unterschiedliche Abteilungen etwas genehmigen oder beurteilen müssen, kostet das Zeit. Ein Beispiel: Wenn Sie eine Schelle für einen Kabelhalter einbauen und entscheiden müssen, ob die fünf Millimeter dicker oder dünner ist, dann kann es nicht sein, dass das durch hohe Bürokratie Wochen oder Monate dauert. Ich kann mir gut vorstellen, dass massive Probleme wie beim A380 bei schnelleren Entscheidungswegen nicht mehr auftreten.
tagesschau.de: Die Gewerkschaften beurteilen das Konzept weniger positiv als Sie und haben aus Protest die Arbeit niedergelegt. Was halten Sie davon?
Plath: Aus Sicht der Gewerkschaften ist das verständlich. Für die Arbeitnehmer gibt es sicherlich einige Einschränkungen. Wenn man aber an den Fortbestand des Unternehmens und die Sicherung der verbleibenden Arbeitsplätze denkt, dann kann ich das das nicht nachvollziehen.
Das Interview führte Fiete Stegers, tagesschau.de