Video-Plattformen und das Urheberrecht "Nicht verbieten, was sich nicht verbieten lässt"
Plattformen wie YouTube bieten im Netz tausende Clips an - vom Heimvideo über TV-Auschnitte bis zu ganzen Fernsehserien. Mit dem Internetrechtler Till Kreutzer sprach tagesschau.de über die Viacom-Klage gegen YouTube, die Entwicklung des Urheberrechts und die Folgen für private Nutzer.
Plattformen wie YouTube bieten im Netz tausende Clips an - vom Heimvideo über TV-Auschnitte bis zu ganzen Folgen von Fernsehserien. Mit dem Internetrechtler Till Kreutzer sprach tagesschau.de über die Viacom-Klage gegen YouTube, die Entwicklung des Urheberrechts und die Folgen für private Nutzer.
tagesschau.de: Wenn ich als User auf Plattformen wie YouTube, DailyMotion oder Sevenload Filme anschaue - muss ich dann ein schlechtes Gewissen haben?
Till Kreutzer: Nein, das ist rechtlich unproblematisch. Etwas anderes ist es, wenn ich mir einen Film auf meine Festplatte speichere. Ein Download ist urheberrechtlich gesehen eine Vervielfältigung. Wenn ich es aber nur zur privaten Nutzung tue, sind solche Vervielfältigungen gestattet.
tagesschau.de: Macht es auch keinen Unterschied, ob ich etwas von einem Hobbyfilmer herunterlade oder einen Ausschnitt aus einem Spielfilm?
Kreutzer: Nach momentaner Rechtslage noch nicht. Es gilt die Einschränkung, dass eine Datei, die offensichtlich rechtswidrig hergestellt wurde und dann auf YouTube angeboten wird, nicht weiter vervielfältigt werden darf. Aber das können die Nutzer ja in den meisten Fällen gar nicht erkennen. Eine Ausnahme wird für Spielfilme gelten, die noch nicht im Kino gelaufen oder auf DVD erschienen sind.
Rechtssprechung sehr uneinheitlich
tagesschau.de: Der Medienkonzern Viacom hat kürzlich YouTube verklagt, weil auf der Plattform Ausschnitte aus Viacom-Produktionen laufen. Leitet das das Ende der wilden Zeit des Internet-Videos ein?
Kreutzer: Wahrscheinlich nicht. Viacom wird möglicherweise wie angekündigt gegen Google vorgehen, aber ob YouTube-Besitzer Google haftet, ist eine ganz andere Frage. Das ist bei solchen User-Generated-Content-Plattformen noch ungeklärt und hängt im Einzelfall von sehr vielen Faktoren ab. Nach deutschem Recht gibt es etwa nur eine sehr eingeschränkte Haftung für Plattformanbieter, die grundsätzlich nicht verpflichtet sind, alles zu überprüfen, was die Nutzer einstellen. Die Rechtsprechung zu dieser Frage ist noch sehr uneinheitlich. Die Nutzer können sich allerdings strafbar machen, wenn sie etwas hochladen, für das sie nicht die Rechte besitzen.
tagesschau.de: Warum macht Viacom das überhaupt?
Kreutzer: Dazu gibt es mehrere Vermutungen. Erstens: Sie wollen an Googles Einnahmen beteiligt werden. Zweitens: Sie wollen eigene Plattformen für ihre Inhalte aufbauen, als Konkurrenz zu Google und YouTube. Und drittens: Viacom will Inhalte ganz aus dem Netz fernhalten. Das halte ich allerdings nicht für plausibel, denn vieles, was auf solchen populären Plattformen angeboten wird, ist ja gute Werbung für die Inhaltsanbieter.
tagesschau.de: Das sehen aber offenbar nicht alle so. Der Jazz-Musiker Jan Gabarek hat sich bei YouTube beschwert, weil dort Ausschnitte aus seinen Konzerten zu sehen sind und gefordert, dass alle Videos mit seinem Namen gelöscht werden.
Kreutzer: Googles Strategie ist: Wir heißen es nicht gut, dass geschützte Inhalte unberechtigt bei uns auftauchen. Wer eine Beschwerde hat, soll sich melden, und wir entfernen diese Inhalte. Aber je allgemeiner so ein Verlangen formuliert wird, desto schwieriger wird es, dem nachzukommen. Es muss aber vermieden werden, dass über groß angelegte Sperrmaßnahmen legitime Inhalte draußen gehalten werden. Da Groß der Inhalte bei YouTube sind ja keine Fernsehsendungen, sondern Heimvideos, bei denen die Nutzer selbst die Rechte haben.
tagesschau.de: Wo stehen Musiker und Filmproduzenten in dieser Debatte?
Kreutzer: Ich kann Künstlern und anderen Rechteinhabern keine allgemeine Strategie vorschlagen. Aber gerade unbekannte Künstler können durch eine Plattform wie YouTube eine ungeheure Reichweite bekommen. Die Videos bei YouTube sind durch ihre geringe Übertragungsqualität ja kein Ersatz für hochwertig produzierte Inhalte, sondern eher geeignet, dem Nutzer einen ersten Eindruck zu geben. Deshalb stellen viele Künstler auch selbst Inhalte bei YouTube ein.
tagesschau.de: Bei der Tauschbörse Napster machten seinerzeit die Musikkonzerne Druck, die zum faktischen Ende von Napster führte. Ist das eine Entwicklung, die sich jetzt wiederholt?
Kreutzer: Es gibt gewisse Parallelen. YouTube ist ein zentraler Anbieter, der die Infrastruktur stellt. So war es damals auch bei Napster, und deswegen konnte man gegen die Tauschbörse vorgehen. Andererseits sind die Medienkonzerne gegen Napster als erste Plattform seiner Art sehr rasch vorgegangen, während sie sich bei YouTube schon teilweise annähern und nach einvernehmlichen Lösungen suchen. Und dessen Besitzer Google ist schließlich auch als Gegner nicht zu unterschätzen.
tagesschau.de: Könnten sich am Ende wie bei der Musik zusätzlich legale, kommerzielle Plattformen für Filme etablieren?
Kreutzer: Es gibt bereits Ansätze für kommerzielle Video-on-Demand-Plattformen von T-Online oder Warner Bros., allerdings noch sehr spärlich. Größte Konkurrenz für die Filmkonzerne sind derzeit meines Erachtens aber ohnehin nicht die Video-Plattformen,sondern nach wie vor die Tauschbörsen. Für den Wettbewerb mit diesen illegalen Angeboten gilt auch für die Filmindustrie: Wenn man die Forderungen der Nutzer zu lange missachtet, wird es zunehmend schwer, kommerzielle Angebote zu etablieren.
Den Nutzern auf kreative Weise abholen
tagesschau.de: Die kommerziellen Downloads werden dafür häufig mit eingeschränkten Rechten für die Nutzer verbunden, um das Weiterkopieren zu verhindern - das sogenannte Digital Rights Management.
Kreutzer: Man sieht gerade in der Musikindustrie eine rückläufige Entwicklung, weil diese Einschränkungen bei der Nutzbarkeit die Nachfrage der Verbraucher hemmen. Daran wird sich die Filmindustrie wahrscheinlich auch orientieren.
tagesschau.de: Was könnten Politik und Medienindustrie besser machen?
Kreutzer: Für die Medienkonzerne wäre es viel besser, den Leute auf positive Weise den Wert von kreativen Inhalten näher zu bringen und zu zeigen, dass es sinnvoll ist, wenn Künstler an ihren Werken verdienen. Stattdessen veranstalten die Unternehmen Abschreckungskampagnen, bei denen es sinngemäß heißt: Jeder, der eine CD brennt, ist ein Verbrecher. Dafür haben die Nutzer aber kein Verständnis. Der Gesetzgeber sollte meiner Ansicht nach prüfen, ob es nicht sinnvoller wäre, ein Modell mit erweiterten Vergütungspflichten wie die Abgaben auf Kopierer und CD-Brenner einzuführen, statt etwas zu verbieten, was sich nicht verbieten lässt.
Das Interview führte Fiete Stegers, tagesschau.de