Dienstleistungen ohne Herkunftslandprinzip EU-Parlament nimmt Richtlinie an
Die umstrittene EU-Dienstleistungsrichtlinie hat eine wichtige Hürde genommen: Das Europaparlament verabschiedete den Gesetzentwurf in erster Lesung. Zuvor hatten Konservative und Sozialisten das Paket entschärft. Die Kommission will trotzdem noch einmal nachbessern.
Das Europaparlament hat die umstrittene Dienstleistungsrichtlinie mit Änderungen in zentralen Punkten angenommen. Das heftig kritisierte Herkunftslandprinzip, nach dem Dienstleister bei Tätigkeiten im EU-Ausland nur den Regeln ihres jeweiligen Heimatlandes unterworfen werden sollten, wurde gestrichen. Zahlreiche Branchen wurden ausgeklammert. Mit dem EU-Gesetz sollen Dienstleister ihre Arbeit künftig ohne bürokratische Barrieren überall in der EU anbieten können.
Regeln in den Mitgliedsstaaten gelten weiter
Das Herkunftslandprinzip stand im Kern der Kritik von Gewerkschaften und Sozialdemokraten, die dadurch eine Abwärtsspirale bei Sozial- und Umweltstandards erwarteten. Das Parlament steuerte mit seiner Entscheidung auf einen Kompromiss zu, der die Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union (EU) weitgehend den unterschiedlichen Regeln der 25 Mitgliedstaaten unterwerfen würde. Bereits im Vorfeld kündigte jedoch EU-Kommissar Vladimir Spidla an, dass die EU-Kommission die Entscheidung des Europaparlaments nicht einfach übernehmen, sondern einen neuen Kompromissvorschlag vorlegen werde.
Bundesregierung begrüßt Entscheidung
Bundesarbeitsminister Franz Müntefering begrüßte das Votum der Abgeordneten als "sehr wichtig und zielführend". Die Bundesregierung müsse nun aber verhindern, dass deutsche Lohn- und Sozialstandards unterlaufen würden. Dieser Gefahr könne etwa durch gesetzlich geregelte Mindestlöhne ein Riegel vorgeschoben werden. Müntefering kündigte bis zum Herbst entsprechende Vorschläge an. Anders als andere EU-Staaten hat Deutschland keine Mindestlöhne. Einzige Ausnahmen: Der Bau und der Bereich Gebäudereinigung. In allen anderen Branchen können ausländische Anbieter ihre Dienstleistungen damit deutlich günstiger anbieten als heimische.
Wirtschaft enttäuscht - Gewerkschaften zufrieden
Die deutsche Wirtschaft äußerte sich enttäuscht über das Abstimmungsergebnis im Europaparlament. Die Abgeordneten hätten damit "weder Mut noch Weitsicht bewiesen", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages , Martin Wansleben. Der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels, Anton Börner, meinte, von der abgeschwächten Richtlinie werde kein Wachstumsimpuls ausgehen. Die EU-Kommission wollte mit der Richtlinie ursprünglich Hunderttausende Arbeitsplätze schaffen.
Zufriedener äußerten sich dagegen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und das Handwerk. Die veränderte Dienstleistungsrichtlinie sei "sinnvoll", erklärte der Zentralverband des Deutschen Handwerks. Es werde sichergestellt, dass soziale Standards im Bestimmungsland erhalten blieben. DGB-Chef Michael Sommer nannte die Streichung des Herkunftslandprinzips einen "politischen Erfolg". Die europäischen Gewerkschaften hatten in den vergangenen Wochen mit Großdemonstrationen gegen die Richtlinie mobil gemacht.
Die Parlamentsabstimmung ist der erste Schritt des Gesetzgebungsverfahrens. Danach kommen nochmals die EU-Kommission und dann die EU-Regierungen zu Wort, die ebenfalls in Anhänger einer liberalen und einer auf nationale Schutzmaßnahmen ausgerichteten Politik gespalten sind.