Interview

Interview zu Sicherheitsstandards chinesischer Produkte "Qualität hat auch in China ihren Preis"

Stand: 21.08.2007 16:02 Uhr

Der Ruf von Produkten "made in China" hat durch mehrere spektakuläre Rückrufaktionen erheblich gelitten. Sind die Qualitätsstandards tatsächlich so schlecht? tagesschau.de hat darüber mit dem Hamburg-Repräsentanten in Schanghai gesprochen. Er sieht auch die Firmen in den USA und Europa gefordert.

tagesschau.de: Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Sicherheitsstandards bei Produkten aus China? Gibt es da zunehmend Probleme oder ist die Häufung der Rückrufaktionen ein Zufall?

Lars Anke: Man muss unterscheiden, über welche Produkte man redet. Bei den Konsumgütern, zu denen auch die Spielwaren gehören, gibt es ein Problem - das zeigen die aktuellen Fälle. Man kann aber nicht davon reden, dass sich die Lage grundsätzlich verschlechtert hat. Wenn es - wie jetzt - eine große Rückrufaktion gab, ist das Bewusstsein für das Problem geschärft, dann kommt es auch stärker in die Medien.

Zur Person
Lars Anke ist Chef des "Hamburg Liaison Office" in Schanghai. Das Büro vertritt unter anderem den Hamburger Senat und die Hamburger Handelskammer.
Da gibt es Kompetenzgerangel

In den letzten Jahren sind in China sehr große Anstrengungen unternommen worden, um die Qualitätsstandards auf ein internationales Niveau zu bringen. Im Jahr 2003 entsprachen erst 40 Prozent der Normen für Produktsicherheit internationalem Standard. Da hat sich inzwischen sehr viel getan. Bis 2010 will China ein komplettes Produkt-Sicherheitssystem auf internationalem Standard aufbauen. Daran arbeiten unterschiedliche Behörden - was aber auch eines der Grundprobleme ist, denn da gibt es Kompetenzgerangel. Hinzu kommt noch die Korruption: Nicht alle Beamte verhalten sich so, wie das gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Regelungen sind inzwischen eigentlich auf einem guten Weg, diese beiden Probleme erschweren aber die Durchsetzung. Unter dem Druck, international konkurrenzfähige Produkte auf den Markt zu bringen, werden in Zukunft sowohl chinesische Behörden als auch Unternehmen hier Strategien entwickeln müssen. Hier ist beratende Unterstützung aus dem Ausland sicher hilfreich.

tagesschau.de:Warum werden solche Qualitätsprobleme nicht bereits vor dem Export erkannt, sondern erst dann, wenn die Ware im Laden ist?

Anke: Die chinesischen Behörden führen durchaus Kontrollen in den Unternehmen durch. Unter dem Druck der gegenwärtigen Ereignisse, ist eine landesweite Aktion angelaufen. Auch an den Häfen gibt es Exportkontrollen. Aber all das sind natürlich immer nur Stichproben. Und dabei machen sich auch die schon angesprochenen Probleme bemerkbar: Kompetenzüberschneidungen der Behörden - auch auf lokaler Ebene - und das Problem der Korruption.

Den gesamten Produktionsprozess anschauen

Es muss aber natürlich auch bei den einkaufenden Unternehmen eine Kontrolle stattfinden. Sie müssen prüfen, von wem sie die Ware kaufen und wie diese Ware produziert wird. Man kann sich da nicht auf eine kurze Kontrolle vor der Verschiffung beschränken, sondern muss sich den gesamten Produktionsprozess anschauen.

tagesschau.de: Machen es sich viele westliche Firmen da vielleicht etwas zu leicht und verlassen sich zu stark auf die Kontrolle durch die Behörden?

Anke: Wenn man sich Produktionsabläufe kontinuierlich anschauen will, ist das natürlich ein sehr komplizierter Prozess. Ich glaube nicht, dass es sich die Firmen da grundsätzlich zu leicht machen. Das Bewusstsein der Unternehmen ist hoch, auch im Angesicht der Konkurrenz und des guten Rufs, auf den man angewiesen ist. Die aktuelle Fälle zeigen aber, dass man immer auf dem aktuellen Stand bleiben muss. Kein System ist ohne Lücken.

Wenn man etwa als deutscher Importeur feststellt, dass man es mit einem Lieferanten zu tun hat, der im Produktionsprozess zu mauscheln versucht, wenn man gerade nicht hinschaut, dann muss man Konsequenzen ziehen und zur Konkurrenz gehen. Der Konkurrenzkampf zwischen verschiedenen chinesischen Unternehmen ist enorm groß. Man muss als Importeur Druck aufbauen und betonen, dass Qualität sehr wichtig ist. Wenn man nur beim billigsten Anbieter einkauft, schlägt sich das natürlich auch auf die Qualität nieder. Die hat hier in China - wie überall anders auch - ihren Preis. Ich denke aber, dass das Bewusstsein der Unternehmen für die Thematik sehr groß ist.

Die Fragen stellte Holger Schwesinger, tagesschau.de