Kabinettsstreit nach Umsatzsteuerbeschluss der EU Welcher Steuersatz soll auf welche Rechnung?
Der Wirtschaftminister ist dafür - aber die Kanzlerin und der Finanzminister sind dagegen: In der Regierung gibt es unterschiedliche Ansichten zu niedrigeren Mehrwertsteuersätzen für einige Branchen. Die EU hatte ihren Mitgliedern erlaubt, die Sätze für Gastronomie und Handwerk zu senken.
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich für eine Senkung der Umsatzsteuer für einige Branchen in Deutschland ausgesprochen. Auf Bundesfinanzminister Peer Steinbrück könne man dabei "nicht hoffen", aber "meine Sympathie hat es", sagte Guttenberg bei der Eröffnung der Internationalen Handwerksmesse in München. Eine grundlegende Reform der Mehrwertsteuer sei ohnehin notwendig, könne aber wohl erst nach der Bundestagswahl angepackt werden.
Merkel unterstützt Steinbrück: Senkung "nicht bezahlbar"
Die EU-Staaten dürfen nach einem neuen Kompromiss die Mehrwertsteuer auf Restaurant- und Handwerkerrechnungen senken. Handwerkspräsident Otto Kentzler sagte, in Frankreich habe die Senkung der Mehrwertsteuer die Schwarzarbeit verringert, legale Arbeitsplätze geschaffen und die Steuereinnahmen sogar erhöht. "Wenn alle um uns herum diese Chance nutzen", müsse auch in Deutschland "etwas passieren", forderte Kentzler. Eine Senkung der Mehrwertsteuer könne die Wirtschaftskrise verkürzen.
Nach jahrelangem Streit hatte die EU den Weg für eine Senkung der Mehrwertsteuersätze auf Restaurant- und Handwerkerrechnungen freigemacht. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück will von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch machen, "weil es nicht bezahlbar ist", sagte er nach den Beratungen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel. Steinbrück hatte diesen Vorschlag bereits mehrfach abgelehnt. Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich hinter Steinbrück und erteilte Forderungen nach reduzierten Mehrwertsteuersätzen erneut ein Absage. Auch sie verwies auf die damit verbundenen Einnahmeausfälle für den Staat.
CSU kündigt Bundesrats-Initiative an
Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer kündigte eine Bundesrats-Initiative des Freistaats für einen gesenkten Steuersatz schon für den nächsten Dienstag an. Seehofer wandte sich bei der Eröffnung der Münchner Handwerksmesse gegen den "Verdacht", Grund dafür seien wahltaktische Motive. Er sei vielmehr "entschieden der Meinung, dass die arbeitsintensiven Dienstleistungen in Deutschland mit der Verbrauchssteuer zu hoch besteuert sind". Wer Schwarzarbeit und Wettbewerbsverzerrungen vermeiden wolle, müsse jetzt handeln. Der CSU-Chef fügte mit Blick auf die Finanzierungsfrage hinzu, die Struktur der deutschen Mehrwertsteuer gehöre "generell auf den Prüfstand". So sei es ein "Unikum", dass man für Kindernahrung einen höheren Verbrauchssteuersatz zu zahlen habe als für Tiernahrung. Dies müsse "nicht so bleiben".
Absenkung auf bestimmte Bereiche beschränkt
In 18 EU-Staaten gelten reduzierte Mehrwertsteuersätze auch für andere Dienstleistungen, diese Ermäßigungen waren allerdings bis 2010 befristet. Nach der Einigung wird diese Befristung für einige Bereiche aufgehoben. Dazu gehören Fahrradreparaturen, die Ausbesserung von Schuhen und Kleidung, Pflegedienste, Renovierungen in Privathaushalten und Haarschnitte.
Steinbrück forderte, die Debatte über ermäßigte Mehrwertsteuersätze müsse nun ein Ende haben. Die französische Finanzministerin Christine Lagarde habe ihm bereits zugesichert, "dass dieses Fass nicht wieder aufgemacht wird", sagte er. Frankreich und Großbritannien hatten sich in den vergangenen Monaten für eine Senkung der Mehrwertsteuer auch auf umweltfreundliche Produkte stark gemacht.