Zehn statt 50 Jahre Lärmschutzwände - teurer Sanierungsfall für die Bahn
Die Bahn muss nach Informationen des NDR Lärmschutzwände zwischen Nürnberg und München austauschen. Die Kosten dafür sollen bei etwa 80 Millionen Euro liegen. Die Wände sind erst vor gut zehn Jahren gebaut worden. Eigentlich sollten sie 50 Jahre halten.
Wer eine Wand baut, will, dass sie lange hält. Bei Lärmschutzwänden an Bahnstrecken sollen es mindestens 50 Jahre sein. Doch offenbar hat die Bahn ein Qualitätsproblem. Nur zehn Jahre nach der Eröffnung der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen München und Nürnberg müssen nach Informationen von NDR und "Süddeutscher Zeitung" Lärmschutzwände auf mehreren Kilometern Länge ausgetauscht werden. Insgesamt gehe es um rund 90.000 Quadratmeter Fläche, bestätigte die Bahn. Wie teuer die Renovierung werde, wollte sie trotz mehrfacher Nachfrage nicht sagen. Der Verband für Lärmschutz an Verkehrswegen rechnet mit etwa 80 Millionen Euro.
Bauart sei nicht "nachhaltig" gewesen
Als Grund für die notwendige Sanierung nennt die Bahn die "heute gefahrenen höheren Geschwindigkeiten". Sie führten zu stärkeren Belastungen und damit Einwirkungen auf die Lebensdauer. Allerdings war die Strecke von Beginn an für 300 Kilometer pro Stunde konzipiert worden. Die Bahn sagt, es habe sich jedoch erst im Nachhinein herausgestellt, dass die hier eingesetzte Bauart nicht "nachhaltig" gewesen sei, also nicht dauerhaft den hohen Geschwindigkeiten gewachsen sei.
Ähnliche Schäden bereits einige Jahre zuvor
Eröffnet wurde die Strecke im Jahr 2006 - zu einer Zeit, als die Probleme mit den hier verwendeten Aluminium-Elementen eigentlich bereits seit einigen Jahren bekannt waren. Denn 2003 kam es schon wenige Monate nach Inbetriebnahme der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Köln und Frankfurt zu größeren Schäden an der Lärmschutzwand. Die Halterungen der Aluminium-Elemente hielten den Druck- und Sogwellen der vorbeirasenden ICE nicht stand. Auf etwa 20 Kilometer Länge mussten Elemente ausgetauscht werden. Die Kosten damals lagen bei etwa 45 Millionen Euro. Der Bund der Steuerzahler kritisierte dies als Verschwendung öffentlicher Gelder.
Ob in den vergangenen Jahren auch an anderen Abschnitten ähnliche Probleme aufgetreten sind, kann die Bahn angeblich nicht sagen. Sie wisse nicht, wo und in welchem Umfang in den vergangenen Jahren Elemente ausgetauscht werden mussten. Dazu gebe es keine Aufstellung, teilte sie mit. Lärmschutzwände würden regelmäßig begutachtet. Sollten dabei Schäden festgestellt werden, würden diese in der jeweiligen Region in der Regel innerhalb von Instandsetzungsmaßnahmen behoben.
Auch Strecke Hannover-Berlin betroffen
So geschehen etwa zuletzt in Rathenow in Brandenburg auf der Strecke zwischen Hannover und Berlin. Dort mussten in den vergangenen Monaten ebenfalls Lärmschutzwände vorzeitig ausgetauscht werden - auf etwa 4,5 Kilometer Länge. Auf Nachfrage zu dieser Maßnahme, teilte die Bahn mit, dass die Schäden im Rahmen von Inspektionen festgestellt worden seien. Die Wände stammten aus den 90er-Jahren, so die Bahn. Zu den Kosten der Sanierung gab sie auch in diesem Fall keine Auskunft.
Die jetzt fälligen Sanierungsarbeiten an den beiden Strecken muss die Bahn selbst übernehmen, da "kein Gewährleistungsmangel" bei den Baufirmen vorliege. Das Geld dafür nimmt die Bahn aus ihrem Instandhaltungs-Etat für die Strecken. Angeblich sollen die Ausgaben für die Strecke in Bayern aber erheblich niedriger sein als vom Lärmschutz-Verband geschätzt.
Richtlinien wurden 2007 verschärft
Mittlerweile - so heißt es - seien die Probleme erkannt und behoben. 2007 wurden die Richtlinien für die Bauweise von Lärmschutz-Wänden geändert und verschärft. Die Bahn führte ein "Zertifizierungsverfahren" für die Anbieter von Schallschutzwänden ein. Seitdem müssen alle Lärmschutzelemente durch das Eisenbahnbundesamt (EBA) als zuständiger Aufsichtsbehörde zugelassen werden.
Doch Branchen-Insider berichten, dass weiterhin Elemente verbaut würden, die den Anforderungen nicht entsprächen. Die Bahn sowie das für die Zulassung der Elemente zuständige Eisenbahnbundesamt (EBA) weisen diese Vorwürfe auf Nachfrage zurück. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand würden alle Module die Anforderungen erfüllen. Sollten sich allerdings im Weiteren abweichende Erkenntnisse ergeben, würde das EBA darauf, wenn erforderlich, reagieren, teilte das Amt mit.