Müllwerker fordern mehr Geld "Das ist schon ein sehr harter Job"
Müllwerker haben einen echten Knochenjob - dennoch werden sie vergleichsweise schlecht bezahlt. Von den heute gestarteten Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst könnten sie besonders profitieren.
Punkt 6.45 Uhr wirft Karin Seibel auf dem Betriebshof der Abfallwirtschaft in Stuttgart-Vaihingen den Motor ihres Müllwagens an. Um 6.15 Uhr hat der Dienst der 56-Jährigen begonnen.
Seit 25 Jahren arbeitet sie als Müllwagenfahrerin für die Stadt Stuttgart, weil sie Spaß am Lkw-Fahren hat. Im öffentlichen Dienst arbeitet Seibel sogar noch länger. Vor mehr als 30 Jahren fing sie in einem der Stuttgarter Schwimmbäder an, später machte sie eine Lehre in der Kfz-Werkstatt der Stadt.
Mittlerweile bringt sie es auf einen Netto-Lohn von 2300 Euro. Kollegen, die neu einsteigen, verdienen deutlich weniger.
Draußen bei Wind und Wetter
Heute sind Seibel und ihr Team auf Restmüll-Tour im Stadtteil Degerloch. Ihre drei Kollegen holen die Tonnen von den Grundstücken, denn in Stuttgart gibt es noch den sogenannten "Vollservice", Anwohnerinnen und Anwohner müssen ihre Tonnen nicht an die Straße stellen. Die 56-Jährige lenkt den tonnenschweren Müllwagen durch die engen Straßen. "Immerhin liegt kein Schnee mehr", sagt sie. Dann bräuchte sie Schneeketten.
Auch ohne Schnee ist es knackige drei Grad kalt. Die Müllwerker müssen bei jedem Wetter raus. Im Sommer könne es hinten auf dem Wagen schnell 40 oder 50 Grad heiß werden, berichtet Seibel. "Das ist schon ein sehr harter Job", sagt sie. "Man muss da körperlich sehr gut drauf sein. Sonst packt man das nicht." Viele ihrer Kolleginnen und Kollegen seien nach zehn bis 15 Jahren körperlich am Ende. Sie ist in ihrer Abteilung mittlerweile die einzige Frau.
Ver.di: Wertschätzung durch mehr Geld
Alleine schuften lässt Seibel die Männer in ihrem Team aber nicht. Sie selbst steigt immer wieder aus und packt bei den Mülltonnen mit an. Für das, was alle hier leisteten, sei die Bezahlung viel zu schlecht, sagt Seibel. Mindestens 500 Euro mehr im Monat bräuchte sie, um die gestiegenen Kosten für Energie und Lebensmittel bezahlen zu können. Dafür, dass sie und ihre Kollegen täglich den Müll der Menschen abholen, werde ihre Arbeit viel zu wenig wertgeschätzt.
Der Lohn müsse dringend steigen, sagt auch die Gewerkschaft ver.di. Sie fordert in den heute in Potsdam gestarteten Tarifverhandlungen deshalb 10,5 Prozent mehr Lohn - mindestens aber 500 Euro pro Beschäftigten. "Wertschätzung drückt sich nicht nur verbal aus, sondern auch durch Geld", sagt Jakob Becker, Gewerkschaftssekretär des ver.di-Fachbereichs Ver- und Entsorgung in Stuttgart.
Es sei auch vor der Energiekrise für Müllwerkerinnen und Müllwerker sehr schwierig gewesen, in Städten wie Stuttgart über die Runden zu kommen. "Jetzt ist es noch viel schwieriger", sagt er. Sollte es zu keiner Einigung mit den Arbeitgebern kommen, seien auch unbefristete Streiks möglich - im schlimmsten Fall bedeutet das: Müllberge an den Straßen.
Arbeitgeber halten Forderung für inakzeptabel
Die Arbeitgeberseite hält die Forderung der Gewerkschaft für inakzeptabel - das teilten Arbeitgebervertreter im Vorfeld der Verhandlungen mit. Seibels Arbeitgeber ist Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU).
Er spricht von einem Spagat für die Kommunen. Denn es gebe gerade viele wichtige Zukunftsaufgaben, die die Städte sehr viel Geld kosteten - etwa die Schaffung der Klimaneutralität, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung oder die Sanierung von Schulen. "Die faire Bezahlung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist da eine wichtige Facette - aber nicht die einzige", sagt er.
Nopper: Beide Tarifparteien in der Verantwortung
Eine Verweigerungshaltung seitens der kommunalen Arbeitgeber sieht der Stuttgarter Oberbürgermeister nicht. "Beide Tarifparteien stehen in der Verantwortung, dass wir einen vernünftigen Kompromiss finden", sagt Nopper. Der Tarifkonflikt dürfe auf keinen Fall auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen werden.
Für Müllwagenfahrerin Seibel ist allerdings klar: Wenn sie in der Tarifrunde nicht die erhofften 500 Euro monatlich mehr bekommt, wird sie streiken. Auch wenn das heißt, dass die Stuttgarterinnen und Stuttgarter auf ihrem Müll sitzen bleiben.