
Staatliches Sondervermögen Können private Partner die Infrastruktur retten?
Marode Schulen, gesperrte Brücken, verfallende Bahnhöfe - Deutschland braucht eine Modernisierung. Der Staat will jetzt Hunderte Milliarden investieren. Wie könnten Private dabei helfen?
Union und SPD wollen Milliarden an Schulden aufnehmen und in Infrastruktur und Verteidigung investieren. Aber dieses Geld muss sinnvoll eingesetzt werden, sagen Ökonomen. Denn die Runderneuerung Deutschland wird nicht allein über höhere Schulden und Steuern zu stemmen sein.
Ein Ansatz: weniger Staat wagen und mehr Privatwirtschaft. Es gibt Modelle, bei denen Staat und Unternehmen gemeinsam investieren. Vor allem in Projekte, die groß, teuer und aufwändig sind - etwa Infrastruktur. Dazu schließen sich Kommunen oder Länder und private Unternehmen zu so genannten öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) zusammen.
Läuft gut - in der Theorie
Und das läuft so: Die öffentliche Hand schreibt ein Projekt aus, wählt einen privaten Partner aus, der für die Finanzierung sorgt, die Pläne umsetzt und das Objekt am Ende auch über eine vereinbarte Laufzeit betreibt. Die Kommune oder das Land wird langfristiger Mieter. So weit, so ideal.
So wurde in Köln durch eine öffentlich-private Partnerschaft ein ehemaliges Firmengebäude von UnityMedia zu einem Gymnasium umgebaut. Vom Antrag 2021 bis zur Umsetzung vergingen keine zwei Jahre. Das Modell dieser Partnerschaften kann also funktionieren. Doch es gibt immer wieder Modelle, wo es nicht klappt.
Große Vorbehalte - großer Bedarf
Und so sind die Vorbehalte gegen solche Projekte in Deutschland groß, gerade in sensiblen Bereichen wie der Bildung. Aber hier ist auch der Notstand groß: Bildung gilt als Aufgabe der Länder. Doch die sind genauso klamm wie Vater Staat. Im Kommunalpanel der staatlichen Kreditanstalt KfW für 2024 steht es schwarz auf weiß: Bei Kitas steht ein Investitionsstau von 12,4 Milliarden Euro an, bei Schulen 54,7 Milliarden Euro.
Außerdem gibt es öffentlich-private Partnerschaften, die nicht in dieser Konstellation funktioniert haben. Der Flughafen BER zum Beispiel. Er war als öffentlich-private Partnerschaft gestartet, doch schließlich wurde der Staat der alleinige Bauherr.
Vorteile: Tempo und Umsetzung
Was bringen also solche Partnerschaften? Martin Lück, unabhängiger Unternehmensberater von Macro Monkey erklärt es im Gespräch mit tagesschau.de so: "Hier lassen sich unterschiedliche Expertisen zusammenbringen, neue finanzielle Möglichkeiten erschließen und komplexe Projekte aus einer Hand realisieren."
Das heißt: Staatliches oder kommunales Planungs-Know-how trifft auf unternehmerisches Können zur Umsetzung. Kommunen können von den finanziellen Möglichkeiten von Unternehmen profitieren. ÖPP können damit klamme Haushalte entlasten. Und: Projekte können wirtschaftlicher umgesetzt werden, weil private Unternehmen sehr an Effizienz und fristgerechten Lösungen interessiert sind, um Geld zu verdienen. Viele Schulen, Kitas, Schwimmbäder seien im Rahmen solcher Partnerschaften entstanden - fristgerecht, im Kostenrahmen.
Negativbeispiel BER - Der Staat als Bauherr
Doch oft sieht die Realität anders aus. Auch und gerade bei Fristen und Geld. Beim BER zum Beispiel. Es war als öffentlich-private Partnerschaft geplant, doch es fand sich kein Investor, der ohne staatliche Garantien mitmachen wollte. Der Staat wurde der Bauherr. 2006 war das Projekt begonnen worden mit dem Ziel: 2011 soll der Flughafen vor den Toren Berlins in Betrieb gehen. Gut acht Jahre später als geplant war es so weit. Kosten von 7,1 Milliarden Euro standen dabei zu Buche, veranschlagt waren zwei Milliarden.
Die Verzögerungen und Kostenexplosionen nahmen ihren Anfang mit einer verfehlten Planung, setzten sich über mangelnde Bauaufsicht, zu geringem Brandschutz und zahlreiche Planänderungen fort und gipfelten in Mängeln, die erst behoben werden mussten, bevor ein einziges Flugzeug abheben konnte. Bis heute sind die Passagiere überwiegend nicht zufrieden: Beim Bewertungsportal Trustpilot erhält der BER einen Stern und eine Bewertung von im Schnitt 1,2 Punkten.
Nachteile: Kosten, Bauzeiten, Transparenz
Nachteile solcher Partnerschaften sind oft: Kosten und Bauzeiten. Darüber hinaus mangelt es nach Einschätzung von Martin Lück häufig an Transparenz bei der Auftragsvergabe, kleinere Unternehmen kommen seltener zum Zug. Dagegen riskiere die staatliche Seite Abhängigkeiten von einem oder wenigen Partnern und auch das Risiko von deren Insolvenz.
Der Bundesrechnungshof hat in der Vergangenheit ÖPP in Deutschland häufig kritisiert. Ein zentraler Kritikpunkt war die mangelnde Wirtschaftlichkeit vieler Projekte. Beispiele wie die Autobahn A1 zwischen Hamburg und Bremen zeigen aber auch die Risiken zulasten der privaten Investoren. Der private Betreiber A1 Mobil sah sich viel höheren Kosten gegenüber als geplant. Er klagte gegen die Bundesrepublik.
Skepsis gegenüber Unternehmen und Investoren
Die öffentliche Wahrnehmung ist dennoch häufig laut Martin Lück, dass "der Staat über den Tisch gezogen" werde und die Skepsis gegenüber Unternehmen und Investoren groß sei. Dabei richtet sich der Blick auch und gerade in die USA, wo solche Partnerschaften seit fast 100 Jahren realisiert werden. Aber warum haben dann die USA so eine schlechte Infrastruktur? Das liege daran, dass Interessen und Aufgaben sowie Risiken hier ungleich verteilt seien, so Martin Lück.
Dabei wären viele Fehler und Risiken im Vorfeld vermeidbar: "Die Verträge sind oft unzureichend ausgestaltet, meist zu Lasten der staatlichen Seite", erklärt Martin Lück. "Damit die Projekte für beide Seiten Vorteile haben, braucht es Verträge, in denen Verantwortungen, Aufgaben, Kosten, Laufzeiten und Konsequenzen bei Nichteinhaltung geregelt sind. "
Darüber hinaus sei es schwierig, unterschiedliche Interessen zu vereinbaren: Die Rendite-Bestrebungen der Unternehmen einerseits und das Interesse an gesellschaftlichen Verbesserungen auf staatlicher oder kommunaler Seite andererseits.
"Es ist heute notwendiger denn je", Martin Lück, Macro Monkey, zu öffentlich-privaten Partnerschaften
ifo: Fortschritte und weiterer Handlungsbedarf
Eine Studie des ifo-Instituts aus dem Jahr 2024 zeigt immerhin, dass in Sachen Transparenz "zwar bedeutende Fortschritte erzielt wurden, aber weiterhin Verbesserungsbedarf besteht". Das Expertenteam um Niklas Potrafke, Leiter des ifo-Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie, rät deshalb zu einer obligatorischen Berichterstattung zu den Projekten, zu öffentlich zugänglichen Informationen, zur Einbindung aller Beteiligten inklusive der Öffentlichkeit und zu einer unabhängigen Überwachung und Bewertung. Damit ließe sich "Effizienz von ÖPPs verbessern und sicherstellen, dass sie der Öffentlichkeit maximalen Nutzen bieten".
Die alte Bundesregierung hat einen Aktionsplan auf den Weg gebracht, um neue Richtlinien für solche Partnerschaften zu erarbeiten. Bis Dezember 2025 soll der Plan stehen.
Ökonomen: Sinnvoll investieren
Dass Geld allein die Wirtschaft Deutschlands nicht wieder tragfähig macht, erklären Ökonomen immer wieder: "Deutschland muss jetzt strategisch investieren." Das mahnen der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau und Chefökonom Deutschland, Robin Winkler, an, "um über eine kurzfristige Konjunkturspritze hinaus nachhaltiges Wachstum zu schaffen".
Dazu gehörten höhere Investitionen in die Digitalisierung von Bildung und Gesundheit sowie der Ausbau der Strom-, Verkehrs- und Kommunikationsnetze. Wie viele ihrer Kollegen mahnen die Experten strukturelle Reformen an, dazu gehörten: "Ein Bürokratieabbau sollte oberste Priorität genießen. Zudem bedarf es steuerlicher und regulatorischer Anreize, um mehr private Investitionen freizusetzen, nicht zuletzt in Forschung und Entwicklung."
Experten: "Handlungsfähiger Staat"
Die "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" hat dazu 30 konkrete Vorschläge ausgearbeitet. Das Team um den ehemaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und den früheren Verteidigungsminister Thomas de Maizière legt in einem Zwischenbericht eine umfassende Neuordnung der gesamten Verwaltung nahe und mehr Digitalisierung sowie weniger Bürokratie. Das Ziel: ein handlungsfähiger Staat.
Fazit: Öffentlich-rechtliche Partnerschaften haben grundsätzlich eine Berechtigung, wenn sie Kosten und Zeit sparen und alle Seiten an einem Strang ziehen. Ein Allheilmittel gegen klamme Kassen sind sie nicht.
In einer früheren Version wurde irrtümlich das Toll-Collect-Projekt mit dem öpP-Projekt Autobahn A1 Bremen - Hamburg verwechselt. Richtig ist: Der Bauabschnitt der A1 Bremen - Hamburg war ein öffentlich-privates Projekt. Die Kosten waren höher, als der Betreiber A1 Mobil kalkuliert hatte. Darüber hinaus wurde korrigiert, dass Stuttgart 21 kein öpP ist.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen