US-Notenbanchef Jerome Powell

Zu großer Zinssprung befürchtet Würgt die Fed die Konjunktur ab?

Stand: 27.07.2022 12:12 Uhr

Die US-Notenbank wandelt auf einem straffen Zinserhöhungspfad. Nicht wenige Experten fürchten, die Fed könnte dadurch die US-Konjunktur abwürgen. Das hätte auch Folgen für Deutschland.

Von Angela Göpfert, tagesschau.de

Die US-Notenbank dürfte heute Abend nach Abschluss ihrer zweitägigen Sitzung erneut einen großen Zinsschritt wagen. Laut dem Fed Watch Tool der CME Group rechnen 75,1 Prozent der Marktteilnehmer mit einer Erhöhung um 75 Basispunkte; 24,9 Prozent erwarten gar eine Anhebung um einen vollen Prozentpunkt.

Während sich die Europäische Zentralbank erst vor einer Woche zur ersten Zinserhöhung seit über einem Jahrzehnt durchringen konnte, hatte die Federal Reserve (Fed) bereits in der Vergangenheit deutliche Schritte unternommen, um der Inflation wieder Herr zu werden. Im Juni hatte sie das Zinsniveau um 0,75 Prozentpunkte auf 1,5 bis 1,75 Prozent angehoben - und damit so stark wie seit 1994 nicht mehr.

Fed-Politik ein Risiko für Deutschland?

Doch die starke Reaktion der Fed auf den rasanten Anstieg der Verbraucherpreise - im Juni lag die US-Inflationsrate bei 9,1 Prozent - birgt ein großes Risiko: Die daraus resultierende Abkühlung der Konjunktur könnte zur Rezession führen, also zu einer Schrumpfung der Wirtschaftsleistung der USA.

Das hätte dann auch deutliche Folgen für den Rest der Welt; für Deutschland sind die USA sogar einer der wichtigsten Handelspartner. Sollte die Nachfrage aus den Vereinigten Staaten nachlassen, würde das die angesichts von Liefer- und Energieengpässen ohnehin schon angeschlagene exportorientierte deutsche Wirtschaft empfindlich treffen.

Inverse Zinskurve - Warnsignal vom Rentenmarkt

Die hohen Inflationsprognosen und die erwartete Reaktion der Fed darauf haben an den Rentenmärkten jedenfalls bereits deutliche Spuren hinterlassen. So notiert die Rendite der zweijährigen US-Staatsanleihen über der Rendite der zehnjährigen US-Bonds. Marktkenner sprechen von einer inversen Zinskurve.

Dabei handelt es sich um ein äußerst ungewöhnliches Muster, das Händler wie Ökonomen gleichermaßen beunruhigt. Experten sehen in dieser "verkehrten Zinswelt" ein negatives Signal für die größte Volkswirtschaft der Welt. Eine inverse Zinskurve gilt vielen als Vorbotin einer Rezession.

Tatsächlich hat sich der Bondmarkt als verlässlicher Frühindikator für eine Konjunkturflaute erwiesen: Laut einer Studie der Federal Reserve Bank von San Francisco ging bis auf eine Ausnahme jedem wirtschaftlichen Abschwung in den USA seit 1955 eine inverse Renditekurve voraus.

Nimmt die Fed die Rezessionsängste ernst?

Vor diesem Hintergrund dürften jenseits der Höhe der heutigen Zinserhöhung vor allem die Äußerungen von Fed-Chef Jerome Powell zum künftigen Kurs der Notenbank im Fokus stehen.

Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst CMC Markets, betont: "Mit den immer stärker werdenden Rezessionsängsten baut sich unter den Anlegern auch gerade ein wenig die Hoffnung auf, dass die Fed nach dem Zinsschritt am Mittwoch das Tempo ihrer Zinswende deutlich reduzieren könnte." Im Juni 2023 rechne der Markt aktuell sogar schon wieder mit einer ersten Leitzinssenkung.

Marktexperte Robert Rethfeld sieht die Fed gar in den letzten Zügen ihres Zinserhöhungszyklus: "Die Fed-Funds-Futures zeigen weiterhin ein Ende des Zinserhöhungszyklus bereits am 2. November 2022 an." Vorstellbar sei, dass die Marktteilnehmer "trotz einer eingepreisten 75-Basispunkte-Erhöhung auch eine Äußerung auf der heutigen Pressekonferenz erwarten, wonach die Fed die Rezessionsängste ernst nimmt".

Das Zeitfenster für Zinserhöhungen ist klein

Die US-Notenbank geht damit einen ganz anderen Weg als ihr europäisches Pendant: Anstatt die Zinsen zögerlich zu erhöhen, setzt die Fed auf schnelle, rasche Zinsanhebungen. Das Kalkül dahinter ist klar: "Die Märkte rechnen mittlerweile mit einer Rezession oder zumindest mit einer starken Wachstumsabkühlung ab Ende des Jahres", erklärt Franck Dixmier, Chef-Anleihenstratege von Allianz Global Investors.

"Daher muss die Fed jetzt handeln, um die Inflationserwartungen auf niedrigem Niveau zu verankern und sich Handlungsspielräume für später zu verschaffen." Offenbar sind sich die Währungshüter in den USA der Tatsache bewusst, dass das Zeitfenster für Zinserhöhungen aufgrund der sich deutlich abzeichnenden Konjunkturabkühlung äußerst klein ausfallen dürfte.

Steffen Wurzel, Steffen Wurzel, ARD Washington, 27.07.2022 13:32 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 05. Mai 2022 um 12:10 Uhr in der Sendung "Informationen am Mittag" und die tagesschau am 16. Juni 2022 um 20:00 Uhr.