Auslaufen des Hilfsprogramms Doch noch ein Juncker-Angebot an Athen
EU-Kommissionschef Juncker will im Streit mit Griechenland noch einmal vermitteln. Sollte Tsipras doch für ein "Ja" bei dem Referendum werben, könnte es weitere Verhandlungen geben. Kanzlerin Merkel dämpfte jedoch Hoffnungen auf eine schnelle Einigung.
In der Griechenland-Krise hat die EU-Kommission in sozusagen letzter Minute einen Vermittlungsversuch unternommen. Kommissionschef Jean-Claude Juncker habe dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras am Montagabend einen Ablauf für eine Lösung vorgeschlagen, sagte ein Sprecher. Falls Tsipras noch heute das jüngste Geldgeber-Angebot für ein Sparpaket annehme und für ein "Ja" beim Referendum werbe, könne der Weg für ein weiteres Euro-Finanzministertreffen geebnet werden.
Tsipras' Zusicherung zu den Vorschlägen müsse laut Agenturmeldungen an Juncker, Euro-Gruppen-Chef und Jeroen Dijsselbloem, Kanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten François Hollande gehen. Jedoch berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, Athen sei bislang nicht auf das Angebot eingegangen.
Tsipras möglicherweise auf dem Weg nach Brüssel
ARD-Korrespondent Jörg Hertle berichtet in der tagesschau, dass in der griechischen Hauptstadt aber davon die Rede ist, dass sich der griechische Ministerpräsident Tsipras auf dem Weg nach Brüssel befinde. Dort wolle er unter anderem mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprechen. Eine Bestätigung dafür gibt es aber noch nicht.
Problem: Wann sollen die Parlamente zustimmen?
Nach Einschätzung von ARD-Brüssel-Korrespondent Christian Feld geht es der EU-Kommission mit dem neuen Angebot auch darum, sich gegen Vorwürfe zu wappnen, nicht alles unternommen zu haben. Und selbst wenn es zu einer Einigung kommen sollte, sei die Zeit knapp. Schließlich müsste ein Kompromiss ja noch vom griechischen Parlament und auch von verschiedenen Parlamenten der Geldgeber gebilligt werden - unter anderem auch vom Bundestag.
Auch Kanzlerin Merkel dämpfte Hoffnungen, dass es in letzter Minute noch eine Einigung mit der griechischen Regierung über eine Verlängerung des Hilfsprogramms geben könnte. Das zweite Programm laufe um Mitternacht aus, sagte Merkel in Berlin. "Ich kenne keine belastbaren anderen Hinweise", so die Kanzlerin.
In der Nacht endet das Hilfsprogramm
Um 24 Uhr verfallen dann noch bereitstehende Milliardenhilfen für Athen. Die Griechen hatten die Verhandlungen über das Paket am vergangenen Freitag unmittelbar vor der Ankündigung der Volksabstimmung verlassen. Juncker sagte aber schon am Montag, die Beteiligten steckten "nicht endgültig in einer Sackgasse". Allerdings zeigte er sich aber auch enttäuscht von Tsipras.
Die Euro-Finanzminister hatten am Samstag beschlossen, dem griechischen Vorschlag einer Verlängerung des Hilfsprogramms über den 30. Juni hinaus nicht zu folgen. Offen ist, wie jetzt ein Kompromiss mit der Regierung in Athen aussehen könnte.
Der erste der beiden angesprochenen Teile ist das Dokument namens "Reforms for the Completion of the Current Program and Beyond", und das zweite heißt "Preliminary Debt Sustainability Analysis".
Am 5. Juli sollen die Wahllokale von 7.00 bis 19.00 Uhr geöffnet sein. Nach Angaben des Innenministeriums kostet das Referendum rund 20 Millionen Euro - halb so viel wie die Parlamentswahlen im Januar. Wahlberechtigt sind rund 9,8 Millionen Griechen über 18 Jahre.
Referendum am Sonntag
Tsipras will die Griechen am Sonntag über die Vorschläge der Geldgeber im Schuldenstreit abstimmen lassen. Er rief dazu auf, mit "Nein" zu stimmen. Tsipras machte seine politische Zukunft vom Ausgang der Abstimmung abhängig. Er bestätigte auch, dass seine Regierung die bis 6.00 Uhr MESZ fällige Rückzahlung von 1,5 Milliarden Euro an den IWF nicht leisten werde, wenn die Geldgeber nicht aufhörten, "uns zu ersticken".
In Athen demonstrierten am Abend rund 13.000 Menschen für den Kurs der Regierung Tsipras. Auch in Thessaloniki gingen dafür Tausende Menschen auf die Straße.
Varoufakis droht
Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis drohte unterdessen damit, juristisch gegen den "Grexit", das Ausscheiden seines Landes aus der Eurozone, vorzugehen. "Die griechische Regierung wird von all unseren Rechten Gebrauch machen", zitierte die britische Zeitung "The Daily Telegraph" den griechischen Minister. Man werde sicherlich eine gerichtliche Verfügung des Europäischen Gerichtshofs erwägen. "Unsere Mitgliedschaft ist nicht verhandelbar."
Noch nie ist ein Euro-Land aus der Währungsunion ausgeschieden. Ein Ausstieg oder Ausschluss aus dem Euro ist juristisch nicht vorgesehen. Der Maastricht-Vertrag von 1993 betont die "Unumkehrbarkeit" der Wirtschafts- und Währungsunion. Die EU-Spitze und die Bundesregierung betonen, das Land in der Eurozone halten zu wollen.
Ratingagenturen stufen Griechenland herab
Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) senkte wegen der Volksabstimmung die griechische Kreditwürdigkeit um eine Stufe auf "CCC-". Damit sieht S&P nun eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Zahlungsausfall Griechenlands. Die Agentur Fitch stuft vier Geldhäuser des Landes wegen der eingeführten Kapitalverkehrskontrollen herunter.