Nach Antrag auf Milliardenhilfen Irland steht vor Neuwahlen
Irlands Ministerpräsident Cowen hat Neuwahlen für Anfang nächsten Jahres in Aussicht gestellt. Forderungen nach einem sofortigen Rücktritt wies er jedoch zurück. Zunächst müsse im Dezember der Haushalt verabschiedet werden. Zuvor hatten die Grünen als Juniorpartner in der Regierungskoalition Neuwahlen gefordert.
Nach dem Antrag auf Milliarden-Hilfen hat der irische Ministerpräsident Brian Cowen vorgezogene Neuwahlen angekündigt. Er werde das Parlament auflösen, sobald der Haushalt für 2011 verabschiedet worden sei, sagte Cowen bei einer Pressekonferenz in Dublin. Einen sofortigen Rücktritt schloss er aus. "Diese Regierung wird weiterarbeiten", sagte Cowen.
Der Ministerpräsident forderte alle Parlamentarier zur Mitarbeit im Sinne Irlands auf. "Die größte Demonstration von Vertrauen ist es jetzt, den Haushalt am 7. Dezember zu verabschieden", sagte Cowen. Mindestens zwei unabhängige Abgeordnete, auf deren Stimmen Cowen angewiesen sein könnte, hatten zuvor erklärt, es sei unwahrscheinlich, dass sie den Haushaltsentwurf der Regierung befürworteten.
Neuwahlen für politische Gewissheit
Cowens grüner Koalitionspartner hatte vorgezogene Neuwahlen in der zweiten Januar-Hälfte gefordert. Grünen-Chef John Gormley sagte, Neuwahlen würden politische Gewissheit schaffen. Die Bürger fühlten sich "getäuscht und verraten". Cowens wirtschaftsliberale Fianna-Fáil-Partei regiert mit den Grünen und der Unterstützung von Parteilosen. Die Regierung hat derzeit nur eine knappe Mehrheit von drei Stimmen im Unterhaus. Die Grünen stellen sechs Abgeordnete.
Rettungspaket bis Anfang nächster Woche
Der genaue Umfang des Rettungspakets für Irland dürften nach EU-Angaben bis Anfang nächster Woche feststehen. Währungskommissar Olli Rehn sagte, die Experten-Gespräche in Dublin könnten bis Ende November abgeschlossen werden. An den Verhandlungen nehmen Vertreter der EU-Kommission, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) teil. EU-Diplomaten rechnen mit Zusagen in Höhe von bis zu 90 Milliarden Euro.
Nach Angaben von Rehns Sprecher muss die irische Regierung danach den Rettungsplan und seine Auflagen noch billigen. Um die Hilfen freizugeben, ist zudem ein formeller Beschluss der europäischen Finanzminister nötig. Der nächste Finanzministerrat ist am 6. und 7. Dezember in Brüssel geplant, ein früheres Sondertreffen aber nicht ausgeschlossen.
Kritik an niedriger Unternehmenssteuer
Unterdessen wächst der Druck auf Irland, unpopuläre Steuererhöhungen auf den Weg zu bringen. "Es ist wahrscheinlich, dass Irland kein Niedrigsteuerland mehr sein wird", sagte Rehns Sprecher. Eine Reihe von Euro-Ländern fordern von der Regierung in Dublin, vor allem die niedrige Unternehmenssteuer anzuheben. Auch wegen ihr hatten sich in Irland seit Mitte der 90er-Jahre zahlreiche Firmen angesiedelt und dem Land den Ruf eines "keltischen Tigers" verschafft.
Mit 12,5 Prozent ist diese Steuer so niedrig wie in keinem anderen der 31 OECD-Industriestaaten - ein großer Anreiz für ausländische Unternehmen, sich anzusiedeln. Das wird von vielen EU-Ländern, darunter auch Deutschland, als unlauterer Vorteil angesehen, der nun abgeschafft werden sollte. Der Sprecher von EU-Währungskommissar Rehn schränkte aber ein, es sei "Sache der irischen Regierung, über die Einnahmen und Ausgaben selbst zu entscheiden".
EZB kündigt strenge Auflagen an
EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny kündigte harte Bedingungen für die Milliardenhilfen an: "Die Kredite werden mit sehr strengen Auflagen versehen", sagte Nowotny dem ORF. Es sei aber nicht geplant, ein Exempel zu statuieren. Auch der EZB-Spitzenbanker kritisierte das Steuersystem der Inselrepublik als "nicht sehr sinnvoll", da es falsche Anreize schaffe. Dennoch sehe er für Irland wieder eine durchaus positive Perspektive. Mit Blick auf andere Schuldenstaaten wie Portugal und Spanien betonte der EZB-Banker, es sei wichtig, dass es nicht zu Ansteckungseffekten komme. "Die sind ja weniger ökonomisch begründet als eher psychologisch. Aber Psychologie, bis hin zur Hysterie, ist für Finanzmärkte auch ein sehr relevanter Faktor."
Irland: Unternehmenssteuer "nicht verhandelbar"
Ministerpräsident Cowen kündigte an, die Ausgaben in den kommenden Jahren um zehn Milliarden Euro zu drücken und die Einnahmen durch Steuererhöhungen um fünf Milliarden Euro zu steigern. Erwartet wird, dass der Mindestlohn gesenkt, Sozialausgaben gekürzt, die Zahl der Staatsbediensteten reduziert sowie die Vermögens- und Einkommenssteuer angehoben werden. Details sollen am Mittwoch bekanntgegeben werden. An seiner viel kritisierten Unternehmenssteuer will der Inselstaat aber vorerst nicht rütteln. Das sei "nicht verhandelbar", erklärte die stellvertretende Ministerpräsidentin Mary Coughlan.
Irland hatte sich am Sonntag entschieden, nun doch als erstes Euro-Mitglied Hilfe aus dem Rettungsschirm von EU und IWF zu beantragen. Hauptgrund sind Milliardenhilfen, die der Staat den irischen Banken gewähren musste, um sie vor der Pleite zu bewahren.
Nach Angaben des irischen Finanzministeriums nehmen zurzeit 16 Banken und Immobiliengesellschaften den staatlichen Rettungsschirm in Anspruch - entweder in Form von Bürgschaften oder in Form von staatlichen Kapitalspritzen. Insgesamt könnte die Rettung nach Berechnungen der Ratingagentur Standard & Poor's bis zu 90 Milliarden Euro verschlingen.
Das größte Sorgenkind ist die Anglo Irish Bank - sie wird bis zum Jahresende bereits 30 Milliarden Euro an Steuergeldern erhalten haben. Die Allied Irish Bank kommt bis dahin auf mehr als zehn Milliarden, Irish Nationwide Building auf 5,4 Milliarden Euro. Weitere Milliarden gingen bereits an die Bank of Ireland.
All diese Zahlen sind vorläufig. Laut irischer Zentralbank könnte allein die Anglo Irish weitere vier Milliarden Euro benötigen. Zudem haben die Banken mit der Tatsache zu kämpfen, dass Kunden ihre Gelder abziehen und die Kapitalausstattung dadurch weiter geschwächt wird. Allied Irish verlor seit Jahresbeginn Kundeneinlagen im Wert von 13 Milliarden Euro, bei der Bank of Ireland zogen vor allem Firmenkunden allein im vergangenen Quartal zehn Milliarden Euro ab.