Zukunft von Opel "Mit einer Insolvenz würde man Zeit gewinnen"
Die Entscheidung um die Zukunft von Opel rückt näher. Doch welche Chancen hat der deutsche Autobauer? Analyst Arndt Ellinghorst favorisiert im Gespräch mit tagesschau.de Fiat als attraktivsten Partner, sieht aber auch in der Insolvenz eine Chance für die kriselnden Rüsselsheimer.
tagesschau.de: Nach dem missglückten Opel-Gipfel im Kanzleramt sehen viele deutsche Politiker die Schuld bei den Amerikanern. Zu Recht?
Arndt Ellinghorst: Wenn man betrachtet, um was für eine komplexe Transaktion es sich handelt, sind die Verhandlungen nach meinem Geschmack sowieso in einem frühen Stadium. Insofern wundert es mich überhaupt nicht, dass tagtäglich neue Sachverhalte auf den Tisch kommen, die dann zu immer neuen Verwirrungen führen. Von Schuld würde ich deshalb nicht sprechen.
tagesschau.de: Doch die Zeit drängt. Am Montag wird General Motors aller Voraussicht nach die Insolvenz anmelden. Bis dahin muss eine Lösung für Opel gefunden werden.
Der studierte Diplomkaufmann (Jahrgang 1970) arbeitet als Analyst in London. Dort leitet Ellinghorst seit 2007 die Abteilung Aktien Research für die Autoindustrie bei der Credit Suisse. Zuvor Stationen bei VW, Audi, West LB und Dresdner Kleinwort. Als Analyst verfolgt er die Vorgänge in der Autoindustrie seit Anfang 2000.
Ellinghorst: Dieser extreme Zeitdruck ist in der Tat das größte Problem. Für Geschäfte in dieser Größenordnung braucht man in der Regel mehrere Monate, um wirklich alles dezidiert prüfen zu können. Diese Zeit fehlt. Deshalb muss man wirklich auf der Hut sein, keinen Schnellschuss zu landen.
"Den Deal nicht wegen 300 Millionen Euro platzen lassen"
tagesschau.de: Wenn mitten in der Nacht plötzlich 300 Millionen mehr gefordert werden – wie im Kanzleramt von US-Seite aus geschehen – ist das dann auch eine Folge mangelnder Vorbereitung oder schlicht knallharter Verhandlungspoker?
Ellinghorst: Ich kann mir nicht vorstellen, dass man eine Summe von 300 Millionen Euro als Verhandlungspoker einsetzt. Mich wundert vielmehr, dass man ein Geschäft in dieser Größenordnung an 300 Millionen Euro mehr oder weniger scheitern lässt. Das ist zwar viel Geld, aber im relativen Vergleich doch eine eher kleine Summe.
tagesschau.de: Von den Bietern bleiben Magna und Fiat im Rennen. Wer hat das bessere Konzept für die Zukunft von Opel?
Ellinghorst: Nach unserer Einschätzung ist Fiat attraktiver. Es muss eine industriell nachhaltige Lösung für Opel und seine Mitarbeiter im Vordergrund stehen. Fiat bringt eine signifikante Autoproduktion mit, und durch den Verbund von unterschiedlichsten Plattformen und vielen Motoren könnten beide Firmen erheblich an Effizienz gewinnen. Das Wohl und Wehe von Opel hängt nicht an den Personalkosten. Diese machen im Autobau etwa 13 bis 15 Prozent der Umsatzerlöse aus. Im Bereich Materialkosten sprechen wir von 60, 70 Prozent. Und da läge die Effizienz im Fertigungsverbund mit einem Partner wie Fiat verborgen.
tagesschau.de: Viele Politiker favorisieren hingegen Magna.
Ellinghorst: Das liegt daran, das Magna versprochen hat, weniger Arbeitsplätze abzubauen und weniger Staatsgarantien einfordert. Das muss man momentan auch sehr im Kontext des Wahlkampfs sehen.
tagesschau.de: Und wenn doch die Insolvenz kommen sollte?
Ellinghorst: Man muss sich in der Tat die Frage stellen, ob eine Insolvenz in Verbindung mit einer daran anschließenden industriellen Partnerschaft nicht das effizienteste Modell wäre. Vor allem würde man Zeit gewinnen, die anschließenden Optionen besser prüfen zu können. Insofern sollte man dieses Konzept von politischer Seite her nicht völlig ausschließen.
Blick auf das Opel-Werk in Rüsselsheim
"Die Politik bemüht sich wirklich"
tagesschau.de: Wie bewerten sie das Krisenmanagement der deutschen Regierung in der Opel-Frage?
Ellinghorst: Ich konstatiere erst einmal, dass wirklich alle Beteiligten bemüht sind, eine Lösung für Opel zu finden. Es gibt da natürlich unterschiedliche Interessen auf Bundes- und auf Ländereben, was die Sache nicht einfacher macht. Und da das Ganze auch in den Wahlkampf reinspielt, gibt es jetzt noch das Kräftemessen zwischen Union und SPD. Das alles erleichtert die Verhandlungen nicht. Aber jetzt zu sagen, der Staat würde Opel an die Wand fahren, finde ich zynisch und übertrieben.
tagesschau.de: Sollte sich der Staat überhaupt derart in industrielle Angelegenheiten einmischen?
Ellinghorst: Es gibt im Moment einfach keinen anderen Ausweg. Ich glaube auch nicht, dass der Staat unbedingt in Management-Funktionen bei Industrieunternehmen auftreten will. Aber wenn es darum geht, in Krisensituationen Überbrückungshilfen zu leisten, dann ist genau das auch die Pflicht eines Staates.
tagesschau.de: Und wenn diese staatlichen Überbrückungskredite – wie von Regierungsseite durchaus befürchtet – nicht mehr zurückgezahlt werden?
Ellinghorst: Ob das Geld zurückgezahlt wird, hängt entscheidend davon ab, mit wem Opel langfristig als Partner zusammen arbeitet. Ich glaube, wenn man sich mit Fiat zusammen tut, gibt es dafür eine reelle Chance. Doch selbst wenn das Geld weg sein sollte, aber man dadurch Opel am Leben gehalten hätte, wäre es dennoch eine lohnende Investition aus Staatssicht.
Das Interview führte Ulrich Bentele, tagesschau.de