Wachsende Ungleichheit "Wir Super-Reichen sollten mehr Steuern zahlen"
Antonis Schwarz ist einer von mehreren jungen deutschen Millionären, die für eine stärkere Besteuerung besonders Vermögender sind. Im Interview erklärt er seine Gründe dafür - und beschreibt, was er am Steuersystem für ungerecht hält.
tagesschau.de: Sie sind Erbe des Schwarz-Pharma-Konzerns, der vor einigen Jahren verkauft wurde. Als deutscher Millionär fordern Sie, man müsste Sie stärker besteuern. Warum?
Antonis Schwarz: Ja, in Deutschland wie auch international gilt die Regel: Je größer das Vermögen ist, desto weniger zahlt man Steuern. Eigentlich sollte es umgekehrt sein: Die stärkeren Schultern sollten mehr zum Gemeinwohl beitragen. Tatsächlich haben wir aber in den vergangenen 30 Jahren sukzessive die Steuern gesenkt für die Superreichen. Mit Corona sind wir eben an einem Punkt, wo auch die Staatskassen die zusätzlichen Mittel noch mehr brauchen. Deswegen sagen wir: Wir müssen bei unserem Steuersystem eine Wende einleiten.
Antonis Schwarz ist Erbe der Schwarz Pharma AG in Monheim am Rhein, die seit 2007 dem belgischen Pharma- und Biotechnologiekonzern UCB gehört. Er setzt sein Vermögen für ökologisch orientierte Zwecke und Philantropie ein. Der Deutsch-Grieche, der in München lebt, investiert in Unternehmen, Organisationen oder Fonds, die messbar soziale oder ökologische Ziele verfolgen - auch bekannt als "Impact Investing". Im vergangenen Jahr sorgte er mit einer Großspende an Bündnis 90/Die Grünen im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes für Aufsehen.
Über 50 Unterstützer von "Taxmenow"
tagesschau.de: Wenn Sie sagen "Wir", dann sind das nicht nur Sie, sondern rund 50 Vermögende, die sich in der Organisation "Taxmenow" zusammengeschlossen haben. Das heißt: Es gibt mittlerweile viel Unterstützung derjenigen, die relativ viel Geld haben?
Schwarz: Ja, genau. Wir sind über 50 Leute in der Initiative "Taxmenow". Wir profitieren sehr stark vom System. Wir sind der Ansicht, dass wir etwas tun müssen, und benutzen unsere Stimme in der Öffentlichkeit als Vermögende, um zu sagen: So wie es jetzt läuft, kann es nicht weiter gehen.
tagesschau.de: Wie stellen Sie sich die Besteuerung konkret vor?
Schwarz: Es gibt viele kleinere und größere Stellschrauben. Eine offensichtliche Stellschraube wäre zum Beispiel, dass man die Steuerbehörden besser ausstattet mit Personal und Gerät. So könnte man die Vermögensungleichheit genauer messen, weil wir im Moment nur Schätzungen haben, und das ist eigentlich nicht gut. Die zwei wichtigsten Steuern sind in meinen Augen die Erbschaftsteuer und die Abgeltungssteuer. Die Erbschaftssteuer ist in Deutschland schon relativ hoch, aber de facto ausgehöhlt mit vielen Ausnahmen für die sehr großen Vermögen. 2020 wurden geschätzt 400 Milliarden Euro vererbt, von denen der Fiskus nur 8,6 Milliarden eingenommen hat. Auch die Abgeltungssteurer sollte geändert werden. Der Aktienbesitz ist sehr ungerecht verteilt und wird pauschal besteuert. Jemand, der Millionen oder Milliarden besitzt, wird genauso besteuert wie jemand, der sich gerade ein kleines Polster aufbaut. Das ist nicht gut.
"Parallele Schattenwelt"
tagesschau: Ab welchem Einkommen sollte aus ihrer Sicht diese Besteuerung gelten? Und welche Form sollte sie haben?
Schwarz: Es geht darum, dass die Leute erst mal generell die Steuern zahlen. Je größer das Vermögen, desto mehr kann man sich Steuerberater und Anwälte leisten. Wer arbeitet, zahlt problemlos bis zu 40 Prozent oder mehr Steuern. Doch bei den Kapitalgewinnen ist es ganz anders. Da ist eine parallele Schattenwelt entstanden, teilweise verbunden mit Offshore-Standorten. Die Reichen sollten genauso viel Steuern zahlen wie alle anderen. Darüber hinaus sollten wir uns als Gesellschaft mal Gedanken machen, was ein gesundes Maß an Vermögensungleichheit ist. Derzeit ist sie tendenziell zu hoch.
tagesschau.de: Ein Großteil der Super-Reichen spendet für karitative oder soziale Projekte. Auch Sie sind dafür bekannt. Warum sind Sie dafür, dass auf jeden Fall die Besteuerung hinzukommt?
Schwarz: Ich würde mir wünschen, dass alle genug spenden würden. Das ist leider nicht der Fall. In Deutschland wird sehr viel geknausert bei den Superreichen, was Spenden angeht - im Gegensatz zu den USA. Es ist eine der wichtigen Funktionen des Staats, einen sozialen Ausgleich herzustellen. Wir können in Europa froh sein, den Sozialstaat zu haben, den gibt es anderswo nicht so.
Das Interview führe Klaus-Rainer Jackisch, HR.