Finanzministertreffen in Paris G20 diskutieren über wirtschaftliches Ungleichgewicht
Wie kann man das wirtschaftliche Ungleichgewicht auf der Welt bekämpfen - und wie kann man es überhaupt messen? Darum geht es beim G20-Finanzministertreffen, das in Paris begonnen hat. Von Einigkeit sind die 20 größten Wirtschaftsmächte bei dem Thema allerdings weit entfernt.
Von Christoph Wöß, BR-Hörfunkstudio Paris
Wolfgang Schäuble und seine Finanzministerkollegen aus den wichtigsten Volkswirtschaften der Welt waren kaum im Elysée-Palast eingetroffen, als ihnen der Hausherr eindringlich ins Gewissen redete. "Wenn wir nichts tun, werden sich die Unterschiede zwischen den verschiedenen Volkswirtschaften auf der Welt vertiefen", sagte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. "Die Krise hat uns zusammengeschweißt. Aber jetzt, da wir sie überwunden haben, laufen wir wieder Gefahr, in nationale Egoismen zu verfallen. Doch ich sage Ihnen klipp und klar: Das wäre der Tod der G20-Gruppe."
Die größten Industrieländer wie die USA, Japan und Deutschland gehören zur G20-Gruppe, aber auch aufstrebende Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien. Sie sind allesamt starke Volkswirtschaften. Doch ihren Erfolg verdanken sie völlig unterschiedlichen Bedingungen. Und darin sehen die französischen Gastgeber ein großes Risiko für die Stabilität des weltweiten Wachstums.
China spart - die USA verschulden sich
"China spart und exportiert, Europa konsumiert, die Vereinigten Staaten verschulden sich - und konsumieren auch", sagte Frankreichs Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde. "Da besteht ein Ungleichgewicht. Und deshalb würden wir gern unsere Wirtschaftspolitik besser koordinieren, damit wir dahin kommen, dass alle Volkswirtschaften miteinander ins Gleichgewicht kommen."
Tatsächlich kann von Gleichgewicht zurzeit keine Rede sein: Die größte Wirtschaftsmacht der Welt, die USA, haben riesige Schulden. Das Minus beläuft sich mittlerweile auf 90 Prozent aller erwirtschafteten Produkte und Dienstleistungen. Wirtschaftsmacht Nummer zwei dagegen, China, ist Exportweltmeister und verzeichnet astronomische Handelsüberschüsse - die Währungsreserve der Chinesen beträgt 2,8 Billionen Dollar. An der Staatsverschuldung oder der Handelsbilanz kann man ablesen, ob etwas schief läuft in einer großen Volkswirtschaft, meinen die Franzosen.
"Zwischen Überschüssen und Defiziten unterscheiden"
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hört das nicht so gern. Immerhin verdankt auch Deutschland sein Wirtschaftswachstum den gewaltigen Exportüberschüssen. "Ich nutze jede Debatte, um darauf hinzuweisen, dass eine symmetrische Behandlung von sogenannten 'Imbalances' nach unserer Überzeugung nicht zutreffend ist. Man muss zwischen Überschüssen und Defiziten deutlich unterscheiden", sagte Schäuble.
Und damit nicht genug. Um eine Volkswirtschaft zu beurteilen, muss man nach Schäubles Überzeugung auch berücksichtigen, ob die Wechselkurse manipuliert werden. Ein klarer Seitenhieb in Richtung Peking. Die Chinesen verkaufen ihre Waren vor allem deshalb so billig in alle Welt, weil die Regierung den Kurs des Yuan künstlich niedrig hält.
China lädt zu Seminar über Währungsfragen
Wenn man mit der chinesischen Währung frei handeln könnte, wäre das anders - findet nicht nur Schäuble, sondern auch Sarkozy: "Der Internationale Währungsfonds muss mehr denn je zum Grundpfeiler der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Währungen werden", sagte Sarkozy. Er nannte es einen großen Erfolg, dass China schon im kommenden Monat zu einem Seminar über Währungsfragen einlädt. Sarkozy ist klar, dass die Finanzminister bei diesem ersten Treffen wohl kaum die Probleme der Weltwirtschaft lösen werden. Doch er hat Zeit. Frankreich ist das erste Land, das den G20-Vorsitz ein ganzes Jahr lang innehat.
Die "Gruppe der 20" wurde 1999 ins Leben gerufen, um die Kooperation in Fragen des internationalen Finanzsystems zu verbessern. Zunächst trafen sich die G20-Staaten ausschließlich auf Ebene der Finanzminister, erst 2008 kamen erstmals die Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel zusammen.
Der G20 gehören alle Mitglieder der Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) an: USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada. Hinzu kommen Russland und China sowie die großen Schwellenländer Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika; außerdem Argentinien, Australien, Indonesien, Saudi-Arabien, Südkorea, die Türkei und die Europäische Union.