Ein Überblick Wie regeln andere EU-Länder die Grundsicherung?
Italien bekommt ein "Bürgereinkommen", Deutschland streitet über Hartz IV: Wie funktioniert die Grundsicherung in anderen europäischen Ländern? tagesschau.de hat sich einige der Regelungen angeschaut.
Italien
Wer kann Leistungen beziehen?
Das Arbeitslosengeld in Italien ist bei rund 1300 Euro gedeckelt und kann maximal zwei Jahre bezogen werden. Eine allgemeine Sozialhilfe gibt es in Italien bislang nicht.
Das neue "Bürgereinkommen", das ab heute beantragt werden kann, sollen Menschen erhalten, die jährlich weniger als 9360 Euro verdienen. Um das "Bürgereinkommen" zu beziehen, müssen sie sich arbeitssuchend melden. Von angebotenen Jobs darf nur jeder Dritte abgelehnt werden.
Es gibt auch strikte Vermögensgrenzen, die eine Auszahlung des Bürgergeldes verhindern: Wer zum Beispiel ein neues teures Auto besitzt, ist ebenso von Zahlungen des "Bürgereinkommens" ausgeschlossen.
Wenn ein Familienmitglied in den vergangenen zwölf Monaten eine Arbeitsstelle selbst gekündigt hat, bekommt die ganze Familie ebenfalls kein Geld. Wer versucht zu betrügen, dem droht eine mehrjährige Haftstrafe. Auch wenn das "Bürgereinkommen" vom Namen her wie ein bedingungsloses Grundeinkommen klingt, ist es doch eher eine Grundsicherung.
Was wird bezahlt? Wie lange wird bezahlt?
Für Alleinstehende die zur Miete wohnen, beträgt das "Bürgereinkommen" bis zu 780 Euro im Monat. Für Eigenheimbesitzer sind es höchstens 500 Euro. Für eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern liegt der monatliche Höchstwert bei 1180 Euro.
Das Geld wird aufstockend zum eigenen Einkommen gezahlt. Das bedeutet für Alleinstehende: Wer 200 Euro pro Monat verdient, bekommt im besten Fall 580 Euro dazu.
Die Zahlung ist zunächst auf 18 Monate befristet, sie kann aber um anderthalb Jahre verlängert werden.
Wer bezahlt die Leistungen?
Die Kosten des "Bürgereinkommens" werden aus dem italienischen Haushalt finanziert. Ursprünglich wurden für 2019 17,5 Milliarden Euro veranschlagt, nun stehen knapp sieben Milliarden Euro zur Verfügung. Ein Teil soll aus dem europäischen Sozialfonds finanziert werden.
Deutschland
Wer kann die Leistung beziehen?
Wer in Deutschland arbeitslos wird, hat zunächst Anspruch auf Arbeitslosengeld I, sofern er in den vorangegangen 24 Monate mindestens 12 Monate in die gesetzliche Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat.
Wer kein Arbeitslosengeld I mehr erhält und wer seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann, bekommt in Deutschland Arbeitslosengeld II - also Hartz IV. Anspruch darauf hat jeder, der nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln - also aus Einkommen oder Vermögen - sicher zu stellen. Voraussetzung ist also eine Bedürftigkeit. Das kann auch auf Menschen zutreffen, die ein zu geringes Erwerbseinkommen haben.
Allerdings ist die Auszahlung von Hartz IV an Bedingungen geknüpft. So ist der Leistungsempfänger verpflichtet, alles dafür zu tun, die Hilfsbedürftigkeit zu beenden.
Dem Hartz-IV-Empfänger können Leistungen aus verschiedenen Gründen gekürzt werden. Wer zum Beispiel ohne wichtigen Grund nicht zu einem Termin beim Jobcenter erscheint, dem wird die Leistung für drei Monate um zehn Prozent gekürzt. Bei mehreren versäumten Terminen summieren sich die Kürzungen.
Wer ohne wichtigen Grund eine vom Jobcenter als zumutbar angesehene Arbeit ablehnt, muss mit härteren Sanktionen rechnen - bis hin zu einer zeitweiligen Einstellung aller Zahlungen.
Was wird bezahlt? Und wie lange?
Der Hartz IV-Regelsatz liegt im Jahr 2019 bei 424 Euro für Alleinstehende. Zusätzlich bezahlt werden auch Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge oder einmalige Leistungen, wie Kleidung.
Hartz IV wird zunächst für die Dauer von 12 Monaten bewilligt, danach wird geprüft, ob die Voraussetzung für den Leistungsbezug weiter besteht.
Wer bezahlt die Leistung?
Hartz IV wird aus Steuermitteln finanziert.
Frankreich
Wer kann die Leistung beziehen?
Wer in Frankreich seinen Job verliert, hat zunächst Anspruch auf die so genannte "Beihilfe zur Weiterbeschäftigung". Sie ist eine Art Ersatzeinkommen, das jeder erhält, der vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes eine bestimmte Mindestbeschäftigungsdauer nachweisen kann.
Für Menschen ohne ausreichende eigene Einkünfte gibt es in Frankreich eine soziale Mindestsicherung, die Revenue de solidarité active, kurz RSA. Diese Grundsicherung ersetzte im Jahr 2009 die Sozialhilfe und die Alleinerziehendenhilfe, die es in Frankreich seit 1988 gab.
Was wird bezahlt? Und wie lange?
Die Höhe der Solidaritätsbeihilfe (RSA) hängt von der Zusammensetzung des Haushalts ab. So bekommen beispielsweise Alleinstehende 545,48 Euro, Alleinerziehende mit einem Kind 818,12 Euro oder ein Paar mit zwei Kindern 1145,51 Euro. Kürzungen sind möglich, wenn zusätzlich andere Leistungen wie zum Beispiel Wohngeld bezogen werden. Verfügt der Haushalt über Erwerbseinkommen, das unterhalb des garantierten Mindesteinkommens liegt, dann gibt es das Aktive Solidaritätseinkommen in Form einer Aufstockung.
Wer bezahlt die Leistung?
Die Solidaritätsbeihilfe (RSA) ist steuerfinanziert.
Großbritannien
Wer kann die Leistung beziehen?
Großbritannien hat eine gesetzliche und beitragsfinanzierte Arbeitslosenversicherung. Eine Grundsicherung gibt es für Menschen, die wegen einer Krankheit oder Behinderung arbeitsunfähig sind. Sie können einen Anspruch auf "Beschäftigungs- und Unterstützungshilfe" (Employment and Support Allowance) geltend machen.
Was wird bezahlt? Und wie lange?
Die Höhe der Unterstützung richtet sich nach Alter und Lebenssituation. Das Existenzminimum, im englischen breadline (Brotgrenze) genannt, liegt für einen Alleinstehenden bei 73,10 Pfund (etwa 85 Euro) pro Woche.
Zunächst wird die Beschäftigungs- und Unterstützungshilfe für 13 Wochen gezahlt. Wer prinzipiell in der Lage ist, zu arbeiten, kann dann für weitere 365 Tage 73,10 Pfund pro Woche beziehen. Wer nicht arbeiten kann, bekommt bis zu 110,75 Pfund pro Woche auf unbestimmte Zeit.
Wer bezahlt die Leistung?
Die Beschäftigungs- und Unterstützungshilfe ist steuerfinanziert.
Spanien
Wer kann Leistungen beziehen?
Wer in Spanien arbeitslos wird, erhält zunächst Arbeitslosengeld - allerdings für maximal zwei Jahre. Es finanziert sich aus Sozialversicherungsbeiträgen. Ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft, ist eine Grundsicherung möglich. Der Arbeitslose darf über keinerlei sonstige Einkünfte verfügen, die 75 Prozent des geltenden Mindestlohns überschreiten.
Was wird bezahlt? Wie lange wird bezahlt?
Die Leistung wird auf Basis des geltenden staatlichen Referenzbetrags für Sozialleistungen "Indicador Público de Renta de Efectos Múltiples (IPREM)" berechnet und liegt bei 80 Prozent des IPREM. Das sind rund 538 Euro im Monat. Bei Personen über 55 Jahren variiert die Beihilfe je nach Anzahl der unterhaltsberechtigten Angehörigen zwischen 80 und 133 Prozent des IPREM.
Die Arbeitslosenhilfe in Spanien wird normalerweise für sechs Monate gezahlt. Eine Verlängerung ist halbjährlich bis zu einer Maximaldauer von 18 Monaten möglich. In bestimmten Fällen ist auch ein längerer Bezugszeitraum möglich.
Wer bezahlt die Leistungen?
Die Arbeitslosenhilfe ist im Gegensatz zum Arbeitslosengeld eine beitragsunabhängige Mindestleistung, die vom Staat - also aus Steuergeldern - bezahlt und zentral organisiert wird.
Polen
In Polen gibt es ein Arbeitslosengeld, dessen Anspruch sich aus einer Erwerbstätigkeit ergibt. Ein System der Arbeitslosenhilfe oder eine ähnliche Grundsicherung gibt es nicht.
Möglich sind lediglich einige Leistungen, die die Integration in den Arbeitsmarkt fördern sollen. Dazu gehören Darlehen für Prüfungskosten und Schulungen, um Zertifikate, Diplome oder berufliche Titel zu erhalten.
Was bleibt ist die Sozialhilfe. Die der Staat finanziert hier Leistungen für Menschen und Familien mit einem Pro-Kopf-Einkommen unter der Einkommensschwelle. Der maximal Satz beträgt rund 140 Euro im Monat.