Trotz Aufrufs griechischer Gewerkschaften Der Generalstreik, der keiner war
Die griechischen Gewerkschaften hatten zum Generalstreik gegen das Sparprogramm der Regierung aufgerufen - doch längst nicht alle beteiligten sich. Auch eine Demonstration lockte weniger Teilnehmer als erwartet. Insofern bestätigten sich Umfragen, nach denen die Mehrheit der Griechen hinter ihrer Regierung steht.
Von Ulrich Pick, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Wer in Griechenland das Radio anschaltete, bekam unmissverständlich mit, dass es ein besonderer Tag war. Denn die Journalisten hatten sich dem Aufruf der beiden großen Dachverbände der Gewerkschaften angeschlossen, die zu einem Generalstreik gegen das strikte Sparprogramm der Regierung aufgerufen hatten: "Das journalistische und technische Personal von Athína 984 nimmt nach einem Beschluss ihrer Gewerkschaften am heutigen allgemeinen Arbeiterstreik teil. Die Arbeitenden im Bereich Information fordern, dass das Einfrieren der Gehälter beendet und die Plünderung ihrer Versicherungs- und Sozialleistungen gestoppt wird. Die Krise werden nicht diejenigen bezahlen, die sie nicht erzeugt haben."
Streik traf nicht die Stimmung
In der Tat waren weite Teile des öffentlichen Lebens in Griechenland durch die Proteste lahm gelegt. Denn neben den Journalisten hatten auch die Beamten die Arbeit niedergelegt, und von den Ärzten hieß es, sie würden nur Notfälle behandeln. Zudem ruhte den gesamten Tag über Flug- und Schienenverkehr sowie der Fährverkehr zu den Inseln.
Dennoch kam es nicht zu einem wirklichen Generalstreik. Denn die meisten Geschäfte und Hotels sowie einige Schulen waren geöffnet. Zudem wurde bei den Handelsschiffern, Taxichauffeuren und einem Teil der Busfahrer ganz normal gearbeitet. Auch die Großkundgebung, zu der für den Mittag in Athen aufgerufen wurde, dürfte hinter den Erwartungen der Gewerkschaften zurückgeblieben sein. Die Teilnehmerzahl wurde von Beobachtern mit 30.000 bis 40.000 angegeben. Bei früheren Generalstreiks waren es mehr als doppelt so viele.
So gesehen dürften die Umfragen der vergangenen Tage die Stimmung im Land richtig wiedergeben. Es hieß nämlich, dass mehr als 86 Prozent der Griechen die Sparmaßnahmen der Regierung als nötig und unabwendbar bezeichnen. Allerdings hofft man auch, so dieser Athener, der lange in Deutschland gearbeitete hat, dass der Druck auf das Land nicht weiter ansteigt: "Man muss abwarten, was die Griechen mit ihren Haushaltsdefizit machen können, man muss denen die Zeit geben sich damit zu beschäftigen. Vernünftig und konsequent und mit mindestens zwei Jahren Zeit."
Medienschlacht zwischen Deutschland und Griechenland
Unterdessen bemüht sich die deutsche Botschaft in Athen, die teilweise hohen emotionalen Wogen zwischen Deutschland und Griechenland wieder zu glätten. Man bedauere, dass aktuelle deutsche Medienberichte von der griechischen Öffentlichkeit und von Medien als verletzend oder beleidigend empfunden wurden, hieß es.
Botschafter Wolfgang Schultheiß rief zudem dazu auf, einzelne Medienberichte nicht mit einer insgesamt differenzierten deutschen öffentlichen Meinung zu Griechenland zu verwechseln. Gestern hatte die griechische Zeitung "Eleftheros Typos" eine Fotomontage gebracht, auf der die Göttin auf der Berliner Siegessäule ein Hakenkreuz hält. Im entsprechenden Text war zu lesen: "Finanznazitum bedroht Europa" sowie: "Es reicht mit der Verleumdung des Landes durch die Deutschen". Auslöser hierfür war der Titel der jüngsten Ausgabe des Magazins "Focus". Dort ist nämlich eine Statue der Aphrodite abgebildet, die einen Stinkefinger zeigt. Darunter heißt es dann: "Betrüger in der Euro-Familie."