Athen verkündet radikale Einschnitte Noch mehr sparen - Griechenland ächzt
Auf die Griechen kommen immer härtere Zeiten zu: Um die dringend benötigten nächsten Hilfskredite sicherzustellen, beschloss die Regierung weitere drastische Kürzungen für Rentner und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Wut und Verzweiflung unter den Bürgern wachsen.
Von Steffen Wurzel, ARD-Hörfunkstudio Istanbul, zurzeit in Athen
"Das interessiert mich alles nicht mehr. Dieser ganze Hickhack ist mir zu anstrengend. Kommt das Geld jetzt oder nicht? Wann kommt es und wie? Als ob es nicht schon genug wäre, dass wir in dieser Krise stecken und keine Arbeit haben. Ich habe so viele Probleme! Ich kann meine Rechnungen nicht bezahlen. Ich will einfach ein normales Leben führen! Ich will nicht mal reich sein!", sagt eine Athenerin. Und so wie ihr geht es vielen Griechen zurzeit. Vor sechs Monaten habe sie ihre Arbeit verloren, sagt sie, und neben der Jobsuche müsse sie sich noch um ihren dreijährigen Sohn kümmern. Die ständigen Gerüchte, die Ungewissheit und der enorme Druck sind der 33-Jährigen ganz einfach zu viel.
Regierung plant Rentenkürzungen
Doch auf die griechische Bevölkerung kommen noch härtere Zeiten zu. Unter dem Druck der internationalen Prüfer, der so genannten Troika, hat die Regierung weitere drastische Kürzungen beschlossen. Alle Renten über 1200 Euro beispielsweise sollen um 20 Prozent gekappt werden. Bis Ende dieses Jahres werden außerdem 30.000 Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes in eine so genannte "Arbeitsreserve" geschickt. Das bedeutet, dass Betroffenen ihren Job verlieren und ein Jahr lang eine Art Überbrückungsgeld bekommen. Sie müssen also innerhalb von 12 Monaten einen neuen Job finden. Wirklich realistisch ist das zurzeit in Griechenland allerdings nicht. Eine weitere Maßnahme betrifft den Steuerfreibetrag, er wird zum zweiten Mal binnen weniger Monate abgesenkt, von heute 8000 Euro auf künftig 5000 Euro im Jahr.
Der 27-jährige Marketingstudent Jannis sieht schwarz, für sich und für die Zukunft seines Landes. Denn weder glaubt er daran, dass er nach seinem Abschluss einen Job findet und endlich zu Hause ausziehen kann, noch glaubt er, dass die griechische Regierung mit den neuen Maßnahmen die Troika überzeugen kann: "Wenn die Zahlen nicht stimmen, werden wir auch die nächste Geldspritze nicht bekommen. Aber wenigstens wissen wir dann, dass wir endgültig am Boden sind und dann kann es ja wirklich nur noch aufwärts gehen. Langfristig glaube ich, dass es für Europa besser ist, wenn die Völker zueinanderhalten und nicht nur alle ihre eigenen Interessen im Blick haben."
Papandreou strahlt wenig Zuversicht aus
Auch der griechische Ministerpräsident sieht dieser Tage so aus, als habe ihn der Pessimismus gepackt. Giorgios Papandreou strahlt längst keine Zuversicht und kein Selbstvertrauen mehr aus, wie noch zu Beginn der Finanzkrise. Der einzige griechische Spitzenpolitiker der - so scheint es - noch bereit ist zu kämpfen, ist der Finanzminister. Evangelos Venizelos: "Wir werden alles tun was nötig ist. Wir werden das Schicksal unseres Landes nicht in Gefahr bringen. Auch nicht unsere Position in der Eurozone. Auch nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit oder die Zukunftsaussichten unserer Kinder."
Den griechischen Gewerkschaften sind solche Appelle egal. Sie haben für die kommenden Wochen zu zwei Streiktagen aufgerufen. Am 5. und am 19. Oktober sollen alle Griechen ihre Arbeit niederlegen, fordern die Gewerkschaften. Viele Menschen haben allerdings inzwischen so viele handfeste eigene Probleme, dass sie den Aufrufen zu Streiks und Massenprotesten kaum noch folgen.
Die Ungewissheit und das bange Abwarten werden den Griechen bis auf Weiteres erhalten bleiben. Denn auch wenn die Regierung nun neue Maßnahmen beschlossen hat: Noch haben die Euro-Finanzminister nicht entschieden, ob die fälligen acht Milliarden Euro aus dem Griechenland-Rettungspaket tatsächlich überwiesen werden. Die Euro-Finanzminister wollen erst den Bericht der Troika-Prüfer abwarten. Und das kann noch bis Anfang Oktober dauern.