Haushaltskrise in Griechenland "Die Regierenden wringen uns aus"
Es ist ein Teufelskreis: Die griechische Schuldenkrise wird ausgerechnet mit neuen Krediten bekämpft. Immer mehr Griechen fragen sich: Wie sollen wir diesen Schuldenberg je abtragen? Dazu kommt der Eindruck, dass ausgerechnet diejenigen für die Krise zahlen, bei denen kaum etwas zu holen ist.
Von Steffen Wurzel, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
"Hier scheint die Welt noch in Ordnung" - dieser Satz trifft es ganz gut, was Besucher sehen und hören, wenn sie durch die kleinen Gassen der Athener Altstadt ziehen. Hier gibt es sie noch, die typischen griechischen Tavernen. Ab und zu spielt eine Band und im Hintergrund thront die angestrahlte Akropolis.
Die Sparmaßnahmen werden spürbar
Die Athener, die hier in der Altstadt in den Tavernen arbeiten, können zufrieden sein. Nach wie vor kommen Touristen zum Essen und Trinken hierher, doch der Umsatz ist im Vergleich zu den Vorjahren spürbar gesunken. Das sorgt für Unzufriedenheit. "Viel übrig bleibt uns nicht. Die Leute sollen bloß nicht glauben, dass wir hier das große Geld verdienen. Das war bisher nicht so, und jetzt, mit den neuen Maßnahmen, geht’s noch weiter runter!" So wie diesem Kellner bleibt fast allen Griechen am Monatsende weniger Geld zum Ausgeben als noch vor ein, zwei Jahren.
Seit einigen Monaten bekommen die Griechen den enormen Schuldendruck, der auf ihrem Land lastet, direkt zu spüren. Die Regierung unter Ministerpräsident Giorgios Papandreou hat drastische Sparmaßnahmen beschlossen und umgesetzt. "Diese ganze Sparpolitik ist falsch", ereifert sich der Kellner, "denn es wird nur gespart, damit wir unsere Schulden zurückzahlen können. Nur das zählt! Und das Wirtschaftswachstum? Interessiert keinen mehr. Da sehe ich noch kein Licht am Ende des Tunnels."
"Es bezahlt wieder nur der kleine Mann"
Etwa 300 Milliarden Euro Staatsschulden hat Griechenland. Das entspricht mehr als 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Anteil der Schulden bei 69 Prozent des BIP. Und dazu noch ein dramatisches Haushaltsdefizit - der griechische Staat stand im Frühjahr kurz vor der Pleite und konnte nur durch milliardenschwere Kredite des Internationalen Währungsfonds IWF und der Euro-Länder gerettet werden. Die Kredite sind an Bedingungen verknüpft. Die wichtigste: Das Land muss seine Ausgaben kürzen. Die Konsequenz: Die Regierung kürzte für staatliche Angestellte sowie Rentner die Bezüge und erhöhte massiv Steuern.
Das trifft so gut wie alle Griechen. Wobei viele die Sorge haben, dass die eigentlichen Verursacher der Schuldenkrise wieder mal davon kommen werden. "Das, was die Leute jetzt so unheimlich aufregt, ist: Es bezahlt wieder mal nur der kleine Mann", sagt die gebürtige Münsteranerin Gaby Zoannou. Sie lebt seit mehr als 30 Jahren in Griechenland und arbeitet als Verkäuferin. "Es bezahlt der Rentner, der 600 Euro im Monat bekommt - der bezahlt den Mist. Und die ganzen Rechtsanwälte, die Ärzte und die Leute, die mit Porsche und Jaguar und anderen dicken Autos in der Gegend herumfahren, die werden wieder nicht geschnappt."
"Wir brauchen mehr Zeit"
Es ist genau diese Wahrnehmung, die viele in Griechenland dieser Tage haben: Den riesigen Schuldenberg müssen die abstottern, von denen eigentlich nichts mehr zu holen ist. "Die wringen uns aus", das ist eine Formulierung, die man zurzeit häufig hört in Griechenland. "Bald gibt’s nichts mehr, was auszuwringen ist", sagt der Generalsekretär des Staatsangestelltenverbands ADEDY, Ilias Iliopoulos. "Die Arbeitslosigkeit wächst, die Armut breitet sich aus, die Löhne werden kleiner, die Geschäfte schließen, der Handel kommt zum Erliegen und die Wirtschaft schrumpft. Das alles sind die Konsequenzen, die die Regierung akzeptiert hat, um die 110 Milliarden Euro Kredite zu bekommen."
Es ist ein Teufelskreis: Die griechische Schuldenkrise wird ausgerechnet mit neuen Krediten bekämpft. Immer mehr Griechen fragen sich: Wie sollen wir es jemals schaffen, diesen Schuldenberg abzutragen? Was sich bereits jetzt abzeichnet: Der griechische Staat dürfte auch mit der rechtzeitigen Rückzahlung der internationalen Notkredite Probleme bekommen. "Wir wollen keine Almosen, wir wollen unsere Schuldner und die internationalen Schuldenberater endlich loswerden - und zwar indem wir sie auszahlen", erklärt Iliopoulos. "Wir brauchen aber mehr Zeit für die Rückzahlung. Nur so kann das Land zur Normalität zurückkehren."