Schuldenkrise in Griechenland Athen steht kritische Woche bevor
Die griechische Regierung steht unter einem enormen Erfolgsdruck: Die nächste Rate aus dem Rettungspaket erhält sie nur, wenn die vereinbarten Reformschritte erfolgreich umgesetzt werden. Doch was die Regierung in Athen auch sagt und tut - sie erreicht ihre Bevölkerung nicht mehr.
Von Steffen Wurzel, ARD-Hörfunkstudio Istanbul, zzt. Athen
Wenig Neues - mit diesen beiden Worten lässt sich die fünfstündige Sondersitzung der griechischen Regierung am Sonntagabend zusammenfassen. Finanzminister Evangelos Venizelos betonte nach der Sitzung erneut, dass sich das ganze Land enorm anstrengen müsse. Er appellierte an Bürger, Gewerkschafter, Journalisten und Politiker aller Parteien, Geschlossenheit zu demonstrieren um die internationalen Geldgeber zu überzeugen.
Innenpolitische Streitereien nehmen zu
Doch genau nach Geschlossenheit sieht es nicht aus in Griechenland - im Gegenteil: Große Teile der Bevölkerung laufen Sturm gegen die vor einer Woche angekündigte Immobiliensteuer, und die innenpolitischen Streitereien zwischen Regierung und Opposition haben am Wochenende nochmal zugenommen.
Die Regierung sei eine Geisel ihrer Fehler, sagt der Chef der konservativen Opposition, Antonis Samaras. Sie sei nicht in der Lage, ihre Ziele zu erreichen. Deswegen fordert Samaras weiter Neuwahlen in Griechenland. Seit Monaten argumentiert er, die Steuern dürften nicht erhöht werden, sondern müssten im Gegenteil abgesenkt werden, um die Wirtschaft zu stimulieren. Die Antwort darauf von Finanzminister Venizelos gestern Abend lautete: "Wenn Herr Samaras glaubt, dass er unsere europäischen Partner mit seinen Argumenten begeistern kann, indem er ein Programm präsentiert, dass in einem krassen Widerspruch zu allen Ansichten über die Lösung der Krise steht, dann er irrt er sich. Er hat kein klares Bild davon, mit was er es zu tun hat."
Griechenland unter Erfolgsdruck
Für Montag waren eigentlich die internationalen Kontrolleure der so genannten "Troika" zurück in Athen erwartet worden. Doch bereits am Wochenende war durchgesickert: Die "Troika" verschiebt ihre Rückkehr nach Griechenland erneut. Es soll allerdings eine Telefonschalte zwischen Venizelos und den "Troika"-Spitzen geben.
Griechenland steht unter enormem Erfolgsdruck. Quer durch Europa haben Politiker betont: Das Land bekommt die fällige sechste Kreditrate aus dem ersten Rettungspaket nur dann ausgezahlt, wenn die vereinbarten Reformschritte erfolgreich umgesetzt werden und wenn die "Troika" grünes Licht gibt. Es geht um etwa acht Milliarden Euro und Griechenland braucht dieses Geld - sonst gehen Ende Oktober die Lichter aus und das Land ist pleite.
Wut auf der Straße
"Wir erkennen die Schulden der Politiker nicht an", sagt ein arbeitsloser Athener trotzig bei einer Straßenumfrage. "Wir haben das Geld nicht gestohlen. Die Politiker haben die Schulden verursacht. Und die sollen auch dafür bezahlen, nicht wir! Die einfachen Bürger können nichts dafür."
Seine Frau, eine Lehrerin, formuliert es noch drastischer: "Ich erwarte eine Revolution des griechischen Volkes gegen die Sparmaßnahmen, die noch kommen werden. Meiner Meinung nach sind nicht einmal so sehr die Politiker dafür verantwortlich, was hier passiert, sondern die, die hinter den Politikern stehen - das große Kapital und die Unternehmer, die das Geld haben und die die wahre Macht besitzen."
Auch wenn diese beiden Stimmen nicht repräsentativ sind, sie spiegeln einen gewissen Trend wider: Egal, was die griechische Regierung sagt und egal was sie tut, sie erreicht ihre Bevölkerung nicht mehr.
Entscheidung über nächste Hilfen im Oktober
Premierminister Giorgios Papandreou, der diese Woche eigentlich eine Reise nach Washington und zur UNO in New York geplant hatte, wird nun doch in Athen bleiben. Papandreou rechne mit einer "kritischen Woche", teilte sein Büro mit. Beobachter rechnen vielmehr mit mehreren kritischen Wochen für Griechenland. Denn ob das hoch verschuldete Land die nächste Hilfstranche aus dem Rettungspaket bekommt, wird endgültig erst Mitte Oktober entschieden.