In Griechenland berät das Parlament über das Sparpaket Wie stopft man ein "Fass ohne Boden"?
Das Parlament in Athen hat die Beratungen über das umstrittene Sparprogramm der Regierung aufgenommen. Mehrere Tage lang werden sich die Abgeordneten damit beschäftigen. Ihre Zustimmung ist Voraussetzung dafür, dass die dringend benötigten Finanzhilfen ausgezahlt werden. Änderungen sind praktisch nicht mehr möglich, weil letztliche die Kreditgeber die Bedingungen diktieren.
Von Thomas Bormann, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
78 Milliarden Euro will Griechenland in den nächsten vier Jahren einsparen. Bei einer Bevölkerung von etwas mehr als 11 Millionen bedeutet das: Jeder einzelne Grieche muss rund 7000 Euro einsparen. Und jeder Grieche wird das in seinem Geldbeutel und auf seinem Konto spüren.
Die Beratungen im Parlament werden mehrere Tage dauern.
Neue Steuern und steigende Steuern
Die Gehaltsüberweisung wird schon sehr bald geringer ausfallen, denn der Staat zieht künftig eine Solidaritätssteuer ab. 1000 Euro Monatseinkommen sind frei, aber der Betrag darüber wird besteuert. Zunächst mit einem Prozent, bei höheren Gehältern steigt die Steuer bis auf vier Prozent. Berufspolitiker wie Minister und Bürgermeister oder auch höhere Beamte gehen mit gutem Beispiel voran: Sie werden sogar fünf Prozent Solidaritätssteuer bezahlen.
Die Kfz-Steuer steigt um zehn Prozent, Heizöl wird um fünf Cent pro Liter teurer, und auf Rechtsanwälte, Handwerker und andere Freiberufler kommt eine Extra-Steuer von rund 300 Euro zu. Klar, dass sich da im Volk Widerstand regt.
Pools werden besteuert
Vor allem Wohlhabende sollen mehr Steuern zahlen. Wer ein Haus im Wert von über 200.000 Euro besitzt, muss künftig jährlich eine Extra-Abgabe zahlen, dasselbe gilt für Besitzer von Yachten über sechs Metern Länge und für Besitzer von Swimming Pools: Je größer der Pool, desto höher die Steuer.
Auch ein Besuch in der Taverne kann teuer werden. Denn künftig gilt in Restaurants und Cafés nicht mehr der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 13 Prozent, sondern der volle Satz von 23 Prozent. Ein Wirt aus dem Athener Vorort Nea Philadelphia klagt:"Mir bleibt keine andere Wahl, als diese Erhöhung selbst zu tragen. Sonst kommt keiner mehr in meine Taverne, weil die Leute kein Geld mehr haben."
Privatisierung von Unternehmen soll Geld bringen
All diese neuen Steuern sollen in den kommenden vier Jahren 28 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen. Weitere 50 Milliarden will Griechenland durch den Verkauf von Staatsbetrieben einnehmen. Die staatliche Eisenbahn, die Wasserwerke von Thessaloniki, die Gaswerke - alles soll verkauft werden.
Auf der Verkaufsliste stehen auch die staatlichen Anteile am Flughafen Athen oder an den Elektrizitätswerken. Die Beschäftigten dort streiken bereits gegen die geplante Privatisierung. Der Sprecher der Gewerkschaft verkündet, man werde solange streiken, bis die Entscheidung zurückgenommen sei.
Die Privilegien der Beschäftigten
Die Beschäftigten fürchten, dass ein privater Investor ihre überdurchschnittlichen Löhne kürzen könnte und auch die üppigen Extras gestrichen würden. Bislang nämlich bekommen etwa Bedienstete der E-Werke ihren eigenen Strom für die Privatwohnung fast umsonst. Sie müssen nur 15 Prozent des Preises zahlen. Mit solchen Extras soll bald Schluss sein in Griechenland.
"Fass ohne Boden"
Finanzminister Evangelos Venizelos rechtfertigt diese Einschnitte. Ja, das Sparprogramm sei hart und sogar ungerecht, aber es müsse sein, um die griechischen Staatsfinanzen zu retten, sagt er. "Dieses Fass ohne Boden muss einen Boden bekommen. Und erst wenn dieser Boden eingebaut ist, werden wir auch wieder Wachstum erreichen und die Arbeitslosigkeit senken. Vorher müssen wir sicherstellen, dass wir die Schulden zurückzahlen können."
Die ersten Sparmaßnahmen sollen noch in diesem Jahr greifen, damit das Haushaltsdefizit in Griechenland von 10,5 auf 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinkt. Damit würde Griechenland dann immer noch zu den Schlusslichtern in der Euro-Zone zählen, stünde aber mit seiner Defizitquote besser da als Großbritannien, die USA oder Japan. Die nämlich rechnen in diesem Jahr mit 8 bis 10 Prozent Haushaltsdefizit.