Finanzmärkte vor der Wahl "Griechenland ist ein Sonderfall"
Die Finanzmärkte erwarten mit Spannung den Ausgang der Griechenland-Wahl. Doch die Nervosität hält sich in Grenzen, meint Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, im Gespräch mit tagesschau.de. Griechenland gilt als Sonderfall und nicht als Modell, das Schule machen wird.
tagesschau.de: Wie nervös sind die Finanzmärkte vor der Wahl in Griechenland?
Ulrich Kater: Wie man an den Marktreaktionen sieht, hält sich die Nervosität in Grenzen. Das liegt daran, dass Griechenland als Sonderfall auch von den Finanzmärkten anerkannt ist. Das heißt, sollte Griechenland nach der Wahl tatsächlich nach einigen Monaten die Währungsunion verlassen, schätzen die Finanzmärkte es mittlerweile nicht so ein, dass dieses Modell automatisch auch für andere Länder Schule machen wird. Es wird Verunsicherungen geben, aber diese sind auch dadurch eingedämmt, dass Sicherungsnetze, Krisenmechanismen eingerichtet worden sind. Das mildert diese Perspektive doch ab.
"Einige Kräfte wollen keine Regeln mehr einhalten"
tagesschau.de: Viele sehen den Wahlausgang als direkte Entscheidung, ob Griechenland in der Euro-Zone bleibt oder nicht. Sie auch?
Kater: Ja, ich denke schon. Einige Kräfte in Griechenland wollen gar keine Regeln mehr einhalten. Die Regeln im europäischen Währungsraum sind bereits sehr stark gedehnt worden und es ist eine Entscheidung, ob wirklich Beliebigkeit herrscht in finanziellen Fragen. Ich denke aber, dass es in jedem Fall Verhandlungen geben wird. Ich denke auch, dass es eine Regierung geben wird - Griechenland geht das Geld aus, das heißt, es muss gehandelt werden. Kompromisse sind auch noch möglich, aber sicher nicht in der Extremform, wie beispielsweise das Linksbündnis die Rücknahme der wirtschaftspolitischen Reformen fordert.
"Märkte rechnen mit weiterem Bekenntnis zur Währungsunion"
tagesschau.de: Wenn Griechenland pleite geht, verschärft sich dann auch die Lage in den anderen Krisenländern wie Spanien, Portugal und Italien?
Kater: Das hängt von der Glaubwürdigkeit ab, mit der die Politik den Euro-Raum weiter stärkt. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass Griechenland die Währungsunion verlässt oder dass sich daraufhin Nervosität an den Märkten zeigt, dann rechnen die Finanzmärkte natürlich auch mit Reaktion der europäischen Politik - das heißt mit einem weiteren Bekenntnis zur europäischen Währungsunion und der Glaubwürdigkeit der Kreditmechanismen.
tagesschau.de: Viele meinen ja, die Sparvorgaben für Griechenland seien ohnehin nicht mehr zu erreichen. Kann vom Wahlausgang überhaupt theoretisch eine Beruhigung der Märkte ausgehen?
Kater: Doch, es kann eine Beruhigung geben. Es gibt politische Kräfte in Griechenland, die die Reformen versuchen werden. Sie werden länger dauern, als es jetzt in den Programmen steht, aber es ist doch eine ganz andere Richtung als bei einem Wahlerfolg des Linksbündnisses beispielsweise.
Das Interview führte Gerrit Derkowski, tagesschau24.