Griechenland und der Euro Keine Bindung auf ewig?
Das in den Umfragen führende Linksbündnis Syriza will die Vereinbarungen mit den internationalen Geldgebern aufkündigen, den Sparkurs rückgängig machen und die Schulden nicht mehr bedienen. Wie soll man dann mit Griechenland umgehen? Aus dem Euro schmeißen? Die offizielle Antwort lautet: rechtlich unmöglich und politisch von niemandem gewollt. In der Praxis würde es reichen, wenn die EZB den Geldhahn zudreht.
Zu Jahresbeginn gab es aus Berlin eine dieser unbestätigten Meldungen aus "gut informierten Kreisen": Die Bundesregierung könne sich einen Austritt Griechenlands aus der Währungsunion vorstellen. Die Risiken für die Eurozone seien mittlerweile beherrschbar. Das Dementi kam prompt, dennoch sah das jeder in Brüssel als einen Warnschuss vor den Bug einer möglichen Linksregierung in Athen.
Die EU-Kommission versuchte auch, der Debatte sofort den Boden zu entziehen: Artikel 140, Absatz 3 des EU-Vertrages sagt, die Mitgliedschaft in der Eurozone ist unwiderruflich, so Kommissionssprecher Margaritas Schinas - was nicht so ganz stimmt, denn der besagte Absatz bestimmt lediglich, dass der Wechselkurs für ein neues Euromitglied unwiderruflich festgelegt wird.
Erst aus der EU, dann aus dem Euro
Die Wahrheit ist, dass ein Verlassen der Währungsunion überhaupt nicht geregelt ist. Weder per Rausschmiss noch ein freiwilliger Austritt: "Es gibt also keine Euro-Ausstiegsklausel", bestätigt der Brüsseler Polititologe Janis Emmanouilidis die rechtliche Grauzone.
Denkbar wäre das lediglich über einen Umweg. Das betreffende Land tritt aus der Europäischen Union aus, denn das wiederum ist - allerdings auch erst seit 2009 - geregelt. Mit der EU-Mitgliedschaft erlischt automatisch auch die Mitgliedschaft in der Währungsunion. Und dann könnte das Land - sozusagen im gleichen Atemzug - die erneute Mitgliedschaft in der EU beantragen.
Das ist aber so um die Ecke gedacht, dass Emmanouilidis diesem Konstrukt die Praxistauglichkeit abspricht: "Ich sehe das als so komplex, das man sich rechtlich zwar ein Konstrukt überlegen könnte, aber es kaum umsetzbar wäre."
Griechenland müsste selbst austreten
Fest steht allerdings, dass ein Land nicht gegen seinen Willen aus der Währungsunion geworfen werden kann. Und Griechenland will nicht aus dem Euro aussteigen, drei Viertel der Bevölkerung will es nicht und Syriza will es auch nicht, so Emmanouilidis: "Ich sehe auch auf Seiten der Partner, dass viele es nicht wollen."
Jedenfalls jetzt nicht - aber wie es in Griechenland nach den Wahlen weiter geht, kann derzeit keiner mit Sicherheit vorhersagen. Eine konfrontative Zuspitzung zwischen Athen und seinen Gläubigern ist zumindest nicht ausgeschlossen. Und dann könnte sich die Frage des weiteren Verbleib Griechenlands in der Eurozone doch stellen, meint der Brüsseler Wirtschaftswissenschaftler Guntram Wolff: "So etwas wird dann letztendlich nicht rechtlich entschieden, sondern politisch und der Mechanismus ist die Europäische Zentralbank."
Die EZB hat die Macht ...
Denn die hält den Geldfluss im überschuldeten Griechenland aufrecht, in dem sie die dortigen Banken mit Euro versorgt im Austausch gegen griechische Anleihen, die die Banken als Sicherheit in Frankfurt hinterlegen müssen. Wobei die EZB da derzeit beide Augen zudrückt und auch zweifelhafte Sicherheiten akzeptiert, so Wolff: "Die EZB hätte guten Grund bei einem einseitig erklärten Schuldenschnitt von Griechenland zu sagen, dass die griechischen Banken keine glaubwürdigen Geschäftspartner mehr sind und insofern nicht mehr kreditwürdig sind für die EZB-Liquidität. Sobald man den Geldhahn der EZB-Liquidität zudreht, ist das Land de facto außerhalb des Euros.
Weil das Land dann schlicht nicht mehr an neue Euros kommt, in einer Situation, wo die Menschen die Banken stürmen werden, um zu retten, was zu retten ist. Die Rückkehr zur Drachme ist dann unvermeidlich.
... und nutzt sie
Und dass die Zentralbank gewillt ist, ihre Daumenschrauben auch einzusetzen, das hat sie bereits bewiesen. Der grüne Europaparlamentarier Sven Giegold zählt auf: "Wir wissen aus der Vergangenheit, dass die EZB gegenüber Irland, aber auch gegenüber Spanien und Italien bis in Details Auflagen an die nationale Politik gemacht hat und gedroht hat, besondere Finanzierungen für Banken der Länder davon abhängig zu machen, dass diese Politik umgesetzt wird."
Was Giegold völlig unakzeptabel findet. Auch der mit Syriza sympathisierende Europaparlamentarier der Linken, Fabio de Masi, ist sich sicher: "Die wollen die natürlich richtig unter Druck setzen, da machen wir uns gar keine Illusionen." Das klingt nach Nervenkrieg - aber die Notenbanker sitzen wohl am längeren Hebel.