G-8-Gipfel Beratungen inmitten kanadischer Wälder
Wieder einmal haben sie sich zurückgezogen: Die Staats- und Regierungschefs der acht großen Industrienationen (G 8) tagen zwei Tage lang inmitten kanadischer Wälder. Die Ferien- und Konferenzanlage Deerhurst Resort soll den Rahmen geben für Diskussionen über Wirtschaft und Entwicklungshilfe, Drogenkartelle und Weltklima.
Von Georg Schwarte, NDR, ARD-Hauptstadtstudio, zzt. Toronto
John Stall rüttelt am Zaun, der sich um die gesamte Innenstadt von Toronto zieht. Drei Meter hoch. Sechs Kilometer lang. So etwas hat der 53-Jährige in seiner Heimatstadt noch nie gesehen. Toronto hinter Gittern. G 8 und G 20 sei Dank, sagt er höhnisch. "Eigentlich hält das keiner für eine gute Idee. Die Leute haben Angst. Diese Sicherheitsmaßnahmen zeigen ja nur, wie groß die Befürchtungen sind."
Die Kanzlerin kriegt davon erst einmal wenig mit. Mit den sieben anderen Staats- und Regierungschefs sitzt sie draußen am See in Huntsville. Der Blick dort so weit wie die Agenda lang ist. Nahost, Iran, die Eskalation in Nordkorea, Afghanistan.
Merkel will für die Bankenabgabe kämpfen
Das allein ist nur der außenpolitische Block, auch wenn Angela Merkel derzeit ja eher Banken und Steuern im Kopf hat. Die Finanzmarkttransaktionssteuer zum Beispiel. Nachgedacht darüber habe man ja genug, ab heute will sie dafür kämpfen: "Eine klare Antwort wäre mir lieber als keine Antwort, weil wir dann auf europäischer Ebene versuchen können einen eigenen Weg zu gehen."
Aber klare Antworten sind eben selten wenn die Gruppe der acht Staatenlenker zusammensitzt. Beispiel Entwicklungshilfe. Kanada, der Gastgeber, hat das Thema heute ganz oben auf dem Zettel. Dass von 50 Milliarden Dollar, die einst vor fünf Jahren von den G 8 bis heute versprochen wurden, 20 Milliarden fehlen, findet Jörn Kalinski von der Hilfsorganisation Oxfam beschämend. Toronto, das ist für ihn der Gipfel der Rechenschaft der Reichen. "Auf dem Gipfel erwarten wir, dass es Klarheit und Ehrlichkeit gibt", sagt er. Die G 8 müssen zunächst einmal eingestehen, dass sie es nicht geschafft haben und die Gründe dafür benennen.
Deutschland hat im Vorfeld zwar zugesagt, man wolle mehr geben. Die Hilfsorganisationen aber sind skeptisch. Majid, dem Taxifahrer in Toronto ist das alles egal. Er flucht über G 8 und ab morgen G 20 in seiner Stadt. "Alle klagen, hier ist alles tot: Keine Leute, kein Geschäft. Das ist nicht lustig. Alles sind sauer, nicht nur ich."
Hotelanlage in der Wildnis
Auch davon werden die Staatschefs der G 8 wenig sehen und hören. Beim Mittagessen draußen in der edlen Hotelanlage in der kanadischen Wildnis sprechen sie über Wirtschaft, dann über den Kampf gegen Terror und - auf Wunsch Kanadas - über den Kampf gegen die Drogenkartelle, bevor es abends ums Weltklima geht. Was das Gesprächsklima der G 8 und G 20 betrifft, ist die Kanzlerin vor allem beim großen Streitthema Bankenabgabe und Finanzmarktsteuer wie meistens Realistin. "Ich sehe nicht, dass wir alle zu einer Meinung kommen. Das muss ich ganz fair sagen", sagt sie. "Aber ich glaube, dass wir doch als Europäer dort noch einmal sehr deutlich machen, dass wir der Meinung sind, dass auch Deutschland ganz besonderer Weise der Meinung ist, dass die Finanzmarktteilnehmer an den Kosten der Krise beteiligt werden müssen."
Von Toronto nach Seoul
Darüber wollen sie vor allem am Samstag und Sonntag im Kreis der G-20-Staaten streiten. Ergebnisse? Fraglich. Deutschland hat diesen Gipfel deshalb schon vorsorglich als Zwischenetappe bezeichnet. Auf dem Weg nach Seoul. Da gipfelts nämlich schon wieder. Im November beim nächsten G-20-Treffen in Südkorea.
Die "Gruppe der 20" wurde 1999 ins Leben gerufen, um die Kooperation in Fragen des internationalen Finanzsystems zu verbessern. Zunächst trafen sich die G20-Staaten ausschließlich auf Ebene der Finanzminister, erst 2008 kamen erstmals die Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel zusammen.
Der G20 gehören alle Mitglieder der Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) an: USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada. Hinzu kommen Russland und China sowie die großen Schwellenländer Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika; außerdem Argentinien, Australien, Indonesien, Saudi-Arabien, Südkorea, die Türkei und die Europäische Union.