Chefinnen bei der IG Metall Frauenstimmen in der "Männerdomäne"
Die IG Metall ist immer noch männlich dominiert. In Offenburg stehen seit Dezember zwei Frauen an der Spitze der Gewerkschaft.
Rote Jacken, rote Mützen, stehen sie inmitten der roten Fahnen der IG Metall. Fast verschmelzen sie mit ihrer Umgebung und sind doch unübersehbar. Maja Reusch, klein und zierlich, Katrin Mayer, markante Brille, entschlossener Blick. So sieht sie aus, die neue Doppelspitze der Gewerkschaft in Offenburg. Die weibliche Doppelspitze wohlgemerkt, noch dazu die erste in der Region. Und an diesem Samstag auf dem Offenburger Marktplatz, um gegen den Parteitag der AfD zu protestieren.
Gewerkschaft und Politik - für Mayer kein Widerspruch, sondern eine Notwendigkeit: "Ich hab ja nicht nur einen Job, ich hab auch eine Überzeugung bei der IG Metall", sagt sie. Und Ihre Kollegin Reusch ergänzt: "Mehr Rechte fallen nicht vom Himmel, da muss man sich einbringen. Unsere Demokratie lebt ja vom Einmischen und Mitmachen."
Weiblicher Präzedenzfall
Einmischen und Mitmachen, das ist seit Anfang Dezember vergangenen Jahres ganz offiziell ihr Job. Damals haben die beiden ihre männlichen Vorgänger abgelöst - und damit einen weiblichen Präzedenzfall geschaffen.
Lösten Ende 2022 ihre männlichen Vorgänger ab: Die beiden IG-Metall-Geschäftsführerinnen Katrin Mayer (l.) und Maja Reusch.
Recherchiert man über die neuen Gewerkschaftschefinnen, so fällt eines auf: Die Berichte über sie zählen nicht nur ihre Qualifikationen auf, sondern informieren auch darüber, dass Reusch zwei kleine Kinder hat und dass beide Frauen Vollzeit arbeiten.
Details, die bei einer männlichen Doppelspitze vielleicht nicht hervorgehoben würden. "Das nervt ziemlich", so Reusch, "aber ich lasse es über mich ergehen. Weil ich denke, es dient ja einem guten Zweck, es ist eben einfach Thema in der Gesellschaft. Dennoch habe ich den Job ja bekommen, weil ich was kann."
"Wir machen ganz normale Arbeit"
Katrin Mayer war bei der Gewerkschaft bereits Jugendvertreterin, später dann Betriebsrätin. Reusch ist Diplom-Sozialwirtin. Und weil sie was können, sitzen sie nun in ihrem Büro im Offenburger Norden und managen die Interessen der IG Metall. 13.500 Mitglieder zählt der Offenburger Kreisverband, und auch wenn die Beschäftigten hauptsächlich aus der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie kommen, sei es höchste Zeit, Frauen in dieser "Männerdomäne" eine Stimme zu geben, meinen sie. Und mit "Männerdomänen" kennen sie sich aus.
Auf dem Flipboard im Büro hängt eine Präsentation zur Situation erwerbstätiger Frauen in Baden-Württemberg. Außerdem in Vorbereitung ist ein Workshop zum Thema "Altersarmut von Frauen". Nur Frauen im Blick? Eine Ausnahme zum Internationalen Frauentag, heißt es vom Führungsduo. Denn sie wollten Frauen zwar eine Stimme geben, aber seien natürlich für alle Beschäftigten da, egal welchen Geschlechts. "Wir machen hier ganz normale Arbeit", sagt Reusch.
Dennoch habe sie gemerkt, dass ihr Geschlecht Auswirkungen auf eben diese Arbeit hat: "Wenn der Betriebsrat männlich ist und der Gewerkschafter auch, dann kommt es in Verhandlungen oft zu Konfliktsituationen. Da merke ich, dass es gut tut, wenn eine Frau mit am Tisch sitzt, weil das Gespräch dann doch ein anderes Niveau bekommt."
Weiter oben auf der Karriereleiter wurde es leichter
Als "Quotenfrau" diskriminiert fühle sie sich nicht, überhaupt sei ihr Weg leichter geworden, je höher sie auf der Karriereleiter gestiegen ist, so Reusch. "Früher, als Gewerkschaftssekretärin, da habe ich auf einer Betriebsversammlung mal eine Rede gehalten, und da hat ein Mann wutentbrannt den Saal verlassen und mich als 'Dummheit auf zwei Beinen' beschimpft. So etwas habe ich schon lange nicht mehr erlebt."
Dennoch sei in Sachen Frauen und Gleichberechtigung oder Mitbestimmung noch Luft nach oben. "Ich würde mir wünschen, dass ich irgendwann keine Fragen mehr dazu beantworten muss, wie ich diesen Job mit meiner Familie vereinbare oder wer bei uns morgens die Kinder in die Kita bringt. Wenn das irgendwann niemand mehr fragt, können wir uns vielleicht endlich wichtigeren Themen widmen."