Artenschutz auf Gewerbeflächen Summen und Brummen im Industriegebiet
Auch zwischen Fabrikhallen und Parkplätzen können wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen entstehen. Davon profitieren nicht nur Insekten, sondern auch die Beschäftigten.
Industrie- und Gewerbeflächen nehmen in Deutschland fast 20 Prozent der Siedlungsfläche ein. Dazu gehören auch die Grünflächen im Gewerbegebiet, meist in Standard-Grün, mit kurzgeschorenem Rasen und Thuja- oder Kirschlorbeerhecken. Die meisten Insektenarten finden hier weder Nahrung noch Brutplätze oder Unterschlupf im Winter. Doch wenn man weiß wie, dann kann man auch im Industriegebiet ein Biotop anlegen.
Mehr als eine Blumenwiese
Christof Wegner lenkt die Motorfräse durch den schweren Boden zwischen Straße und Lagerhalle. Dort wo bis vor kurzem noch ein kurzgeschorener Rasen war, auf dem Gelände der Firma Sonatech in Ungerhausen im Unterallgäu, schafft der Garten- und Landschaftsbauer gerade Lebensräume.
Auf dem Gelände des Unternehmens Sonatech stapelt sich Totholz.
Die Sträucher wie Haselnuss und Wildstauden, Wollziest und Spornblume hat er schon gepflanzt. Er hat Totholz ausgebracht, einen Sandhaufen aufgeschüttet und eine nasse Mulde angelegt. Jetzt fehlt nur noch die Wildblumenwiese.
Wildbienen und Schmetterlinge, Eidechsen und Igel
Auf den gefrästen Boden wird er Wildblumensaatgut säen und ihn anschließend mit Mähgut von einer artenreichen Wiese bedecken. Bald sollen hier Insekten alles finden, was sie zum Leben brauchen: Nahrung für sich und ihren Nachwuchs, Bruthöhlen und Baumaterial, einen Unterschlupf für den Winter und Wasser.
Und die Insekten ziehen dann andere Tiere an, sagt Garten- und Landschaftsbauer Christof Wegner. Eidechsen oder Igel zum Beispiel. "Und wenn die Sträucher größer sind, werden sich hier auch wieder Vögel ansiedeln."
Naturbeobachtungen in der Mittagspause
Wolfgang Friedl, der Chef von Sonatech, engagiert sich schon seit längerem für die Umwelt. Vor allem für eine gute Klimabilanz: Die Fassade der Lagerhalle ist voll mit Photovoltaik-Modulen, alle Firmenfahrzeuge fahren mit Elektroantrieb. Und nun ist die Artenvielfalt dran.
"Da war bislang bei uns eigentlich nicht viel", räumt Friedl ein. Wie sich die Flächen entwickeln, können die Mitarbeiter künftig in ihrer Mittagspause mitverfolgen. Denn am Rand des Biotops wird es auch Sitzgelegenheiten geben, "und dann schauen wir mal, was alles kreucht und fleucht".
Es hilft der Insekten-"Mittelschicht"
Einheimische Sträucher und Blumen sowie andere Landschaftselemente auf dem Fabrikgelände werden nicht die ganz seltenen Arten retten können. Sie bringen vor allem den noch nicht bedrohten Insekten und Vögeln was, die in den vergangenen Jahrzehnten auch rapide weniger geworden sind. Salopp gesagt: die "Mittelschicht" der Insekten und Vögel.
Zwischen Straße und Parkplatz liegt eine frisch eingesäte Blühwiese mit Sträuchern.
Für sie könnten Firmen-Grünflächen viel leisten, sagt Lydia Reimann, Biologin bei der Günztal-Stiftung: "Das sind einfach solche Flächen, die wir ganz dringend im Artenschutz brauchen". Die Günztal-Stiftung will im Süden Bayerns einen Biotopverbund von den Alpen bis zur Donau herstellen und unterstützt Firmen, die in ihrem Gebiet was für die Artenvielfalt tun wollen.
Expertise der Profis ist gefragt
Bei TronikDsign in Betzigau im Kreis Oberallgäu können die Mitarbeiter von der Firmenterrasse aus schon jetzt Eidechsen beobachten. Stefan Simon, einer der Geschäftsführer, freut sich besonders über den Schwalbenschwanz, einen großen auffälligen Tagfalter, den er inzwischen manchmal auf seinem Gelände sieht.
Bereits vor vier Jahren hat Gärtner Christof Wegner zusammen mit einem Kollegen hier Artenvielfalt aufs Gelände gebracht. Sogar auf dem Parkplatz summen viele Bienen. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Flächen von Profis mit Öko-Expertise angelegt und gepflegt werden. Das sind keine Aufträge, die jeder Garten- und Landschaftsbauer erledigen kann, so die Einschätzung von Biologen.
Auch die Dorfbewohner profitieren
Stefan Simon von TronikDsign geht davon aus, dass die Anlage der Naturflächen teurer war als eine "Nullacht-Fünfzehn-Begrünung". Immerhin musste ein Großteil der Humusschicht abgetragen werden. Doch dafür ist die Pflege der Flächen seiner Einschätzung nach günstiger. Der Gärtner kommt nur einmal im Frühjahr und einmal im Herbst. Der Aufwand sei sicher geringer als bei einem Rasen, so Stefan Simon.
Er hat inzwischen schon einige Unternehmer durch seine Außenanlagen geführt, und viele hätten inzwischen auch Biotope auf ihren Betriebsflächen anlegen lassen. Doch am meisten freue ihn der Zuspruch der Betzigauer Dorfbewohner. "Die kommen auch teilweise und pflücken die Blumen oder fragen, ob sie was nehmen dürfen."