Gazprom und Siemens Energy Streit über Grund für Gas-Lieferstopp
Durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 fließt nach wie vor kein Gas. Ob das gerechtfertigt ist - darüber wird aktuell gestritten. Gazprom beruft sich auf technische Mängel, Siemens Energy hält einen Stopp deswegen nicht für begründet.
Nach dem Ausbleiben russischer Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 streiten Gazprom und seine deutschen Partner über die Ursache. Gazprom hatte sich zuvor auf technische Gründe berufen, warum man den Betrieb nicht wiederaufnehmen könne.
Konkret meldete Gazprom ein Öl-Leck und erklärte, deswegen könne man eine Gasturbine nicht sicher betreiben. Die Pumpen in der russischen Verdichterstation Portowaja seien daher gestoppt worden. Wann der Betrieb wieder aufgenommen werden soll, gab Gazprom nicht bekannt.
Bundesnetzagentur und Siemens widersprechen
Die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde und Siemens Energy als Lieferant von Pipeline-Technik widersprachen heute erneut dieser Darstellung. Der mittlerweile vom Siemens-Konzern abgespaltene Turbinenbauer Siemens Energy setzte der Begründung des russischen Staatskonzerns entgegen: "Solche Leckagen beeinträchtigen im Normalfall den Betrieb einer Turbine nicht und können vor Ort abgedichtet werden." Zudem gebe es in der Verdichterstation Portowaja genügend weitere Turbinen für den Pipeline-Betrieb.
Und auch von der Bundesnetzagentur hieß es: "Die von russischer Seite behaupteten Mängel sind nach Einschätzung der Bundesnetzagentur technisch kein Grund für die Einstellung des Betriebs". Die Bundesnetzagentur ist dem Wirtschaftsministerium unterstellt.
Siemens weiß nichts von einem Auftrag
Aber damit nicht genug der Widersprüchlichkeit: Gazprom legte heute nach und erklärte, Siemens beteilige sich wie vertraglich vereinbart an Reparaturarbeiten und sei bereit, festgestellte Öl-Lecks zu beheben. Allerdings fehle es an einer Reparaturstätte, wo diese Arbeiten erledigt werden könnten.
Siemens Energy wies auch diese Darstellung des russischen Konzerns zurück. Man stehe zwar bereit für Wartungsarbeiten an der Pipeline, sei aber aktuell nicht damit beauftragt worden, hieß es.
Zeitpunkt für Gas-Lieferstopp brisant
Der Zeitpunkt für den Gas-Lieferstopp scheint dabei nicht zufällig: Wenige Stunden vor der Ankündigung Gazproms war aus der russischen Führung die Forderung erneuert worden, die parallel verlaufende Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen. Diese liegt im Zuge westlicher Wirtschaftssanktionen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine still.
Deutschland hat die von Russland angeführten technischen Gründe für Lieferbeschränkungen wiederholt als Vorwände zurückgewiesen. Nach der Verhängung westlicher Sanktionen gegen Moskau wegen des Ukraine-Kriegs hatte Russland bereits mehrfach seine Gaslieferungen nach Europa reduziert.
Gazprom will zusätzlich Gas durch Pipeline in Ukraine pumpen
Im aktuellen Fall kündigte Gazprom an, mehr Gas über eine durch die Ukraine führende Pipeline nach Europa pumpen zu wollen. Am Samstag sollten 42,7 Millionen Kubikmeter Erdgas durch die Pipeline fließen, kündigte der russische Gasriese an.
Am Freitag waren an der Einfüllstelle Sudscha 41,3 Millionen Kubikmeter Gas registriert worden, die durch die ukrainische Pipeline geliefert wurden. Allerdings reichen die zusätzlichen Mengen nicht aus, um den Ausfall des Gases auszugleichen, das über Nord Stream 1 gepumpt werden sollte.
Versorgungslage in Deutschland angespannt
Die Bundesnetzagentur erklärte mit Blick auf die aktuelle Lage, die Gas-Versorgungslage in Deutschland sei zwar angespannt und eine weitere Verschlechterung könne nicht ausgeschlossen werden. "Die Gasversorgung in Deutschland ist im Moment aber stabil. Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist derzeit weiter gewährleistet."
Sowohl bei der Speicherbefüllung als auch bei der Versorgung über andere Lieferwege als russische Pipelines und der Schaffung neuer Anlandekapazitäten für Flüssiggas (LNG) seien gute Fortschritte erzielt worden. Die deutschen Gasspeicher seien bereits zu 84,53 Prozent gefüllt.
Gentiloni: EU gut vorbereitet
Auch EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sieht keinen Grund zur Panik. Am Rande eines Wirtschaftsforums in der italienischen Stadt Cernobbio am Comer See erklärte Gentiloni, die EU sei für einen möglichen vollständingen russischen Gas-Lieferstopp gut gerüstet.
Wir sind gut darauf vorbereitet, Russlands extremer Nutzung von Gas als Waffe standzuhalten.
Zudem verwies Gentiloni auf die verstärkte Speicherung von Erdgas in der Europäischen Union sowie Maßnahmen zum Einsparen von Energie. "Wir haben keine Angst vor den Entscheidungen Putins", fügte Gentiloni hinzu. Die EU verlange "von den Russen, die Verträge einzuhalten, aber wenn sie das nicht tun, sind wir bereit zu reagieren".
Wie kam es zu dem Stopp?
Drei Tage Wartungsarbeiten waren ursprünglich an der Pipeline angekündigt gewesen. Danach sollte wieder Gas durch Nord Stream 1 fließen. Doch es kam anders: Am Freitagabend teilte Gazprom überraschend mit, dass der Gasdurchfluss vorerst gestoppt bleibe. Nach Angaben auf der Webseite der Nord Stream AG floss in der Nacht dann auch tatsächlich kein Gas durch die Pipeline.