Blick in den Handelssaal der Frankfurter Börse.
Europawahl

Folgen für die Märkte Welche Sorgen Investoren nun haben

Stand: 10.06.2024 17:16 Uhr

Die EU will die Kapitalmärkte enger verzahnen. Gerät der Plan in Gefahr, wenn das eurokritische Lager im EU-Parlament stärker wird? Und welche anderen wirtschaftlichen Folgen könnte das Wahlergebnis haben?

Von Sebastian Schreiber, ARD-Finanzredaktion

Am Herzstück der europäischen Wirtschaft ist diese Wahl nicht spurlos vorbeigegangen. Der Euro - die Gemeinschaftswährung - hat deutlich reagiert und am Tag nach der Europawahl an Wert verloren, zum Dollar etwa ein halbes Prozent. Das ist nicht dramatisch viel, aber ein Gradmesser für die Sorgen, die mit dem Ausgang der Wahl verbunden sind.

Eurokritische Kräfte haben an Stärke gewonnen. Was heißt das für die europäische Wirtschaft? Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-Bank, sieht die Gefahr, dass sich die nationalen Mitgliedstaaten wieder mehr auf sich selbst konzentrierten "und große Projekte, die nur gemeinsam in Europa geschafft werden können - wie die Kapitalmarktunion, wie der Green Deal - nochmal auf die lange Bank geschoben werden".

Kapitalmarktunion könnte stocken

Die EU arbeitet seit Jahren daran, nationale Kapitalmärkte enger zu verknüpfen. Die Kapitalmarktunion soll die Finanzierungsbedingungen für europäische Unternehmen verbessern. Das spielt vor allem eine Rolle, wenn es um das Ziel der Klimaneutralität geht. Das Projekt werde sicher weiterverfolgt, so Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank.

Die Umsetzung aber werde nun schwieriger: "Bei der Kapitalmarktunion geht es ja um eine Vielzahl einzelner Regelungen, die dann oft auch auf nationaler Ebene angepasst werden müssen, und das könnte jetzt schwieriger werden, weil sich die politische Diskussion in einigen Ländern - gerade in Frankreich - nach dem Ergebnis der Europawahl etwas ändern könnte."

Börsen in Deutschland und Frankreich im Minus

Und so stehen an den Finanzmärkten eher die nationalen Ergebnisse der Europawahl im Fokus und weniger die neue Sitzverteilung im EU-Parlament. Das zeigt sich an den Aktienmärkten in Deutschland und Frankreich. Der DAX verlor zum Start in die Handelswoche zunächst knapp ein Prozent, der französische Leitindex CAC 40 sackte um etwa zwei Prozent ab.

In Frankreich ist die Unsicherheit besonders groß, nachdem Präsident Macron Neuwahlen ausgerufen hat. Ob das Land nun die wirtschaftspolitischen Reformen durchsetzen kann, die Macron sich vorgenommen hatte, sei fraglich, so Berenberg-Volkswirt Schmieding. Frankreich habe ein deutlich zu hohes Staatsdefizit.

"Nach den Parlamentswahlen müssten eigentlich dort im Staatshaushalt Kürzungen vorgenommen werden", so der Ökonom. "Das wird sicherlich schwieriger im Parlament werden, wenn dort die Rechtsparteien und möglicherweise auch einige Linksparteien einen größeren Einfluss bekommen."

Planungssicherheit für Investoren steht in Frage

Die deutsch-französische Achse sei nach dieser Europawahl zusätzlich geschwächt, konstatiert auch ING-Volkswirt Brzeski. Die Gefahr sei groß, dass nun existierende Vorhaben auf EU-Ebene in die Länge gezogen werden. Das betreffe auch die Planungssicherheit für ausländische Investoren, die darüber nachdenken, nach Europa zu kommen: "Das heißt jetzt nicht, dass sich die Wirtschaftsaussichten Europas von heute auf morgen verändern werden, schwächt aber langfristig die wirtschaftlichen Aussichten Europas", so Brzeski.

Dass Anleger in Europa nun größere Risiken sehen, zeigt sich etwa am Markt für Staatsanleihen. Die Renditen für Anleihen aus Frankreich, Italien oder Griechenland zogen merklich an. Für diese Staaten wird es in der Folge deutlich teurer, sich frisches Geld am Finanzmarkt zu leihen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 10. Juni 2024 um 17:42 Uhr.