Was vom Neuen Markt blieb Von Senkrechtstartern zu stillen Stars
20 Jahre nach dem Ende des Neuen Markts haben einige Firmen bis heute durchgehalten. Warum setzten diese sich im Gegensatz zu vielen anderen durch? Was ist ihr Erfolgsgeheimnis?
Das Piepen, Knarren und Rauschen eines Modems war die Geräuschkulisse in den 1990er-Jahren, als alle ins Internet wollten - und an die Börse. "Es ist eine wichtige Zwischenstufe bei der Entwicklung unserer Firma", erinnert sich Stephan Schambach, damals Chef des Internetunternehmens Intershop bei dessen Börsengang Ende der 1990er-Jahre, mit breitem Grinsen. "Wir sind sehr stolz, dass das so gut funktioniert hat." Die Geschichte ist bekannt: Die Internet-Aktien stürzten mit der Jahrtausendwende ins Bodenlose.
Der Neue Markt war ein Segment der Deutschen Börse, das - dem Vorbild der US-Technologiebörse NASDAQ folgend - 1997 eingerichtet wurde. Als Aktienindex spiegelte er bis 2003 das Marktsegment der sogenannten Zukunftsbranchen (Informationstechnik, Multimedia, Biotechnologie und andere) wider. Nach der Entwicklung einer Blase, die im Jahr 2000 platzte, verlor der Neue Markt massiv an Wert. 2003 wurde er geschlossen.
Doch was kaum bekannt ist: 25 Jahre nach dem Start des "Neuen Marktes" haben manche Firmen überlebt. So auch Intershop, die heute für Unternehmen Webshops aufsetzen. Unternehmen verkaufen da an Unternehmen, erklärt Alexander Langhorst von GSC Research das Geschäftsmodell. Früher habe ein Maschinenbauer, der Komponenten brauchte, vom Lieferanten 20 Zentimeter dicke Kataloge oder Listen bekommen. "Das ist heute alles auf digitale Varianten umgestellt. Und das ist sicherlich der Bereich, wo es eben noch Wachstumspotenzial gibt."
Auch weil sich Schrauben oder Maschinenteile viel schwieriger verkaufen lassen als Bücher oder CDs an Privatkunden - ein gutes Geschäft, bei dem man viel Beratung braucht. Und Sonderlösungen wie Videochats mit Fachkräften in den Firmen.
Das Konzept ist alles, was zählt
Ebenfalls überlebt hat Nemetschek, inzwischen zweitgrößter deutscher Softwarekonzern. Er bietet Programme für Baufirmen an, sagt Aktienkenner Christian Röhl. "Komplette Gebäude kann man visualisieren - so, wie sie hinterher aussehen. 3D wird begehbar im Computer." Das sei eine virtuelle Realität, die mit moderner Software auch für Konstruktion und Statik funktioniere.
Ganz ähnlich auch die Firma "Mensch und Maschine". Da können Ingenieure auf dem Bildschirm Teile konstruieren, sagt Aktienfachmann Langhorst: "Es wird dann in der Software geplant, und es wird in der Simulation geschaut, wenn man Teile konzipiert, ob das in der virtuellen Form funktioniert oder ob da eben noch nachgebessert werden muss." Und so kann die Software zum Beispiel Formen bauen, mit denen sich PET-Flaschen so sauber produzieren lassen können, dass hinterher nicht mehr für den perfekten Glanz nachgeschliffen werden muss.
Nemetschek und Mensch und Maschine verkaufen ihre Software dabei nicht als CD, sondern in der Cloud. "Man verkauft keine Lizenzen mehr, sondern klassisch wie bei Zeitschriften ein Abo", erklärt Aktienexperte Röhl. "Und das Abo muss man sich leisten, solange man das nutzen will. Und die Unternehmen wissen, dass die Kunden jeden Monat zahlen." Gerade Nemetschek und Mensch und Maschine sind in den vergangenen zehn Jahren enorm im Kurs gestiegen, haben gigantisch zugelegt. Der große Rummel aber ist vorüber, es sind nun stille Börsenstars.