Vor neuen Wirtschaftsdaten US-Anleger positionieren sich
Vor wichtigen Wirtschaftsdaten im weiteren Wochenverlauf haben die Anleger an der Wall Street Aktien gekauft. Rückenwind kam zudem aus China, von dem auch der DAX schon profitiert hatte.
An der New Yorker Aktienbörse haben sich die Anleger zum Wochenstart vorgewagt. Im Vorfeld neuer Wirtschaftsdaten bauten sie Positionen auf und schoben den Leitindex Dow Jones am Ende um 0,62 Prozent auf 34.559 Punkte an.
Auch die anderen großen Aktienindizes legten zu, so der marktbreite S&P-500-Index, der bei 4433 Zählern um 0,63 Prozent höher aus dem Markt ging. Die Technologiebörse Nasdaq rückte ebenfalls um 0,84 Prozent vor, der Auswahlindex Nasdaq 100 machte 0,74 Prozent gut. Anfänglich höhere Gewinne konnten die Indizes allerdings nicht behaupten. Das Tageshoch im Dow lag bei 34.652 Punkten.
Investoren warteten auf weitere Hinweise zum nächsten Schritt der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), sagte Peter Andersen von Andersen Capital Management. Diese erhofften sich die Anleger von dem am Donnerstag anstehenden Preisindex für private Konsumausgaben, dem bevorzugten Inflationsindikator der Fed.
Weitere Hinweise zur Widerstandskraft der US-Wirtschaft könnten die am Freitag anstehenden US-Arbeitsmarktdaten liefern. "Der Markt wird wahrscheinlich leicht positiv beginnen, aber in einer Warteschleife bleiben, bis die Anleger diese wichtigen Datenveröffentlichungen diese Woche verdauen können."
Beim Notenbank-Forum in Jackson Hole hatte Fed-Chef Jerome Powell am Freitag in Aussicht gestellt, dass die Zentralbank im Kampf gegen die Inflation die Zinsen womöglich noch weiter anhebe, dabei aber vorsichtig vorgehe. "Er gab der gemäßigten Seite etwas Hoffnung, indem er anerkannte, dass die aktuelle Politik restriktiv ist und im Laufe der Zeit noch weiter wirken könnte", sagte David Russell, Marktstratege bei TradeStation. "Aber er drohte auch damit, den Hammer erneut fallen zu lassen, wenn die Konjunktur und der Arbeitsmarkt zu heiß laufen."
Nach Jackson Hole rechnen die Marktteilnehmer nun mit einer US-Leitzinserhöhung auf der Fed-Sitzung am 1. November um 0,25 Prozentpunkte. "Dies ist neu", kommentiert Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest. "Zuvor galt der Zinserhöhungszyklus als beendet. Ab dem März 2024 wird eine erste Zinssenkung eingepreist." Die nächste Zinssitzung der US-Notenbank beginnt nach dem Ende der Sommerpause am 20. September.
Bei den Einzelwerten sprangen die Aktien von 3M um 5,2 Prozent nach oben und waren damit Spitzenreiter im Dow Jones. Ein Medienbericht über die mögliche Beilegung eines Rechtsstreits mit der US-Armee schob die Anteilsscheine des Herstellers von Klebeband, Post-it-Notizzetteln, Elektrowerkzeugen und medizinischen Produkten an.
Der US-Konzern habe vorläufig zugestimmt, mehr als 5,5 Milliarden Dollar zu zahlen, um Klagen wegen der mutmaßlichen Lieferung von mangelhaftem Gehörschutz an das Militär beizulegen. Das berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Sonntagabend unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertrauten Personen. Einige Analysten hatten die Kosten einer Beilegung auf etwa 10 Milliarden Dollar geschätzt.
Aufgehellte Aussichten für die umstrittene Übernahme der US-Pharmafirma Horizon Therapeutics ließen die Aktie um 5,1 Prozent steigen. Die US-Wettbewerbsbehörde setzte ihre Blockade des geplanten Kaufs durch den Rivalen Amgen bis zum 18. September aus.
Amgen teilte mit, es werde in der Zwischenzeit den Gerichten nachweisen, dass es keinen Grund für ein Verbot der Übernahme gebe. Damit steht die Tür auf für Gespräche über die Bedenken der Behörde. Amgen bietet gut 26 Milliarden Dollar für Horizon.
Der DAX hat zum Wochenbeginn mit einer steigenden Wall Street im Rücken Fahrt aufgenommen und schloss am Ende bei 15.792 Punkten um 1,03 Prozent höher. Damit beendete der Leitindex den Handelstag am oberen Ende der Spanne zwischen 15.673 und 15.804 Punkten. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, ging bei 27.287 Punkten um 1,07 Prozent höher aus dem Handel.
Nachdem die DAX-Gewinne am Vormittag zunächst bröckelten, nahm der deutsche Leitindex am Nachmittag wieder zunehmend Fahrt auf, so dass am Ende eine V-förmige Kursentwicklung stand.
Ein solcher Handelsverlauf ist allerdings markttechnisch schwer zu interpretieren, weil er wenig Aussagekraft bietet hinsichtlich zukünftiger Trends. Technisch steht damit weiter die Marke von 15.700 Punkten im Fokus. Wie wichtig diese Marke für den weiteren Kursverlauf des DAX ist, erklärt ING-Charttechnik-Experte Christian Zollner: "Solange der DAX über der Unterstützung bei 15.700 Punkten notiert, ist mit einem weiteren Kurshochlauf bis 15.800 und 15.900 Punkte zu rechnen."
Der DAX folgte profitierte heute von den guten internationalen Vorgaben. Aus fundamentaler Perspektive waren es vor allem die am Morgen angekündigten Maßnahmen der chinesischen Regierung, die den globalen Aktienmärkten zu Wochenbeginn Auftrieb geben. Erstmals seit 15 Jahren hat Peking die "Stempelsteuer" für den Aktienhandel gesenkt. Das sorgte an den Märkten für Erleichterung, ist doch die andauernde Schwäche der chinesischen Wirtschaft seit Wochen ein großer Belastungsfaktor.
"Damit zeigt China, dass es einem weiteren Einbruch der Börsen nicht tatenlos zusehen wird", sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners. "Eine andere Theorie könnte aber auch sein, den Finanzsektor zu stärken, da die Turbulenzen im Immobiliensektor dort zu einer ausgewachsenen Krise führen könnten", konstatierte Jürgen Molnar, Stratege vom Broker RoboMarkets.
Auch die mit Gewinnen gestartete Wall Street sorgte am Nachmittag für weitere Unterstützung.
Zinshoffnungen haben auch durch neue Daten zur weit gefassten Geldmenge M3 in der Eurozone Auftrieb erhalten. Die für die Notenbank wichtige Steuerungsgröße ist im Juli überraschend um 0,4 Prozent gesunken, was für eine Entlastung im Kampf gegen die Inflation spricht.
"Der monetäre Mantel wird enger. Es ist der schlechteste Wert seit der Finanzkrise", erläuterte Ralf Umlauf von der Helaba. Im Juni war die Geldmenge M3 noch um 0,6 Prozent gewachsen. "Das monetäre Umfeld spricht für einen deutlich nachlassenden Inflationsdruck", so der Ökonom.
Das sind Nachrichten, die an der Börse immer gut ankommen. Denn sowohl an der Wall Street als auch in Europa rätseln die Anleger derzeit, wie lange die Notenbanken noch an ihrer restriktiven Geldpolitik festhalten.
Vom Tisch sind die Zinsängste deshalb nicht. Das Damoklesschwert Zinserhöhungen hänge weiterhin über den Aktienmärkten, sagte Christian Henke, Analyst vom Broker IG. Die Reden von Lagarde und dem Chef der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, konnten die Anleger vergangenen Freitag kaum beruhigen. "Powell ist die Inflation weiterhin zu hoch. Weitere Zinsschritte wurden nicht ausgeschlossen, auch weil der Arbeitsmarkt viel zu robust und heiß gelaufen ist", sagte Henke.
Nach Jackson Hole rechnen die Marktteilnehmer mit einer US-Leitzinserhöhung auf der Fed-Sitzung am 1. November um 0,25 Prozentpunkte. "Dies ist neu", kommentiert Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest. "Zuvor galt der Zinserhöhungszyklus als beendet. Ab dem März 2024 wird eine erste Zinssenkung eingepreist." Die nächste Zinssitzung der US-Notenbank beginnt nach dem Ende der Sommerpause am 20. September.
Unterdessen mehren sich hierzulande die negativen Konjunktursignale. So fielen die deutschen Exporterwartungen im August auf minus 6,3 Punkte, von minus 6,0 Punkten im Juli, wie das Münchner ifo-Institut am Morgen mitteilte. Auch ist der Kreditfluss an Firmen im Euroraum nicht mehr so stark. Der Europäischen Zentralbank (EZB) zufolge vergaben die Banken im Juli 2,2 Prozent mehr Darlehen an Firmen als vor Jahresfrist. Im Juni hatte das Wachstum noch bei 3,0 Prozent gelegen.
Die gestiegene Risikolust der Anleger und China-Hoffnungen machen sich auch am Ölmarkt bemerkbar. Die Ölpreise steigen zum Start in die neue Börsenwoche. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Oktober kostet am späten Nachmittag 84,14 Dollar. Das sind 0,2 Prozent mehr als am Freitag. Ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) verteuert sich ebenfalls um 0,57 Prozent auf 80,29 Dollar.
Der Euro hat heute einen Stabilisierungsversuch unternommen. Im New Yorker Handel kostete die Gemeinschaftswährung zuletzt 1,0817 US-Dollar, nachdem eine wochenlange Talfahrt sie am vergangenen Freitag auf den tiefsten Stand seit etwa zweieinhalb Monaten hatte sinken lassen. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs zu Wochenbeginn auf 1,0808 (Freitag: 1,0808) Dollar fest.
Zeitweise hatten Aussagen von EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann den Euro noch etwas stärker gestützt. Der Chef der österreichischen Notenbank sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, er könne sich für die nächste Ratssitzung Mitte September eine weitere Zinsanhebung durch die EZB vorstellen. Sollten größere Überraschungen ausbleiben, sehe er die Möglichkeit einer zusätzlichen Zinserhöhung. Holzmann gilt als Befürworter einer straffen Geldpolitik.
In einem freundlichen Gesamtmarkt ragten die Aktien von Immobiliengesellschaften mit Kursverlusten heraus. Im DAX waren Papiere von Vonovia die größten Verlierer, holten allerdings fast alle Verluste im Verlauf wieder auf. Zum Schluss blieb nur noch ein kleines Minus, nachdem das Minus in der Spitze noch rund zwei Prozent betragen hatte. Auch die Kurse von TAG Immobilien und LEG Immobilien im MDAX gaben nach.
Als schlecht für die Anlegerstimmung für den Sektor wertete ein Händler die Aussicht auf etwaige weitere Regulierungen in der deutschen Wohnungslandschaft. So setzt sich die Spitze der SPD-Fraktion für eine stärkere Begrenzung von Mieterhöhungen ein. Die Rede ist von einem "bundesweiten Mietenstopp".
An der DAX-Spitze standen Onlinehändler Zalando und Rheinmetall, die in einer Gegenbewegung gesucht waren. Auch Deutsche Bank und Commerzbank machten Boden gut und stiegen über zwei Prozent.
Der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer kann mit einem Forschungserfolg punkten: Bei seiner neuartigen Parkinson-Therapie hat der Konzern in einer Studie seiner US-Tochter BlueRock Therapeutics erste Anzeichen einer Linderung der Krankheitssymptome ausgemacht.
Die börsennotierte Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera will im laufenden Geschäftsjahr 2022/23 (per Ende September) unter dem Strich schwarze Zahlen schreiben. "Wir erwarten ein positives Nettoergebnis in diesem Jahr", sagte Finanzchef Arno Pfannschmidt heute auf einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Nucera hatte im vergangenen Quartal Umsatz und Ergebnis kräftig gesteigert.
Das Marine-Unternehmen Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) strebt weiterhin die Eigenständigkeit an. "Unsere Eigentümerin (Thyssenkrupp AG) hat das vor kurzem erneut bestätigt", sagte Werft-Chef Oliver Burkhard der Nachrichtenagentur dpa. "Eine verselbstständigte Marine Systems ist ein besserer Weg nach vorne: für Thyssenkrupp, TKMS, für unsere Kunden, für Berlin und damit für Deutschland."
Der französische Autohersteller Renault will seine Elektrofahrzeugsparte Ampere im Frühjahr kommenden Jahres an die Börse bringen. Zur Vorbereitung dazu solle die Sparte zum 1. November vom Rest des Unternehmens abgespalten werden, sagte Renault-Chef Luca de Meo dem französischen Nachrichtensender BFM TV. "Wir trennen uns also und sehen dann, ob wir die richtigen Bedingungen für einen Börsengang haben", sagte er.
Die Aktien des hoch verschuldeten chinesischen Immobilienentwicklers China Evergrande sind am ersten Handelstag nach 17 Monaten um 86,7 Prozent eingebrochen. Evergrande hatte vor der Wiederaufnahme des Handels bekannt gegeben, den Verlust im ersten Halbjahr dank höherer Einnahmen halbiert zu haben. Evergrande steht im Zentrum der Krise im chinesischen Immobiliensektor, die seit Ende 2021 zu einer Reihe von Zahlungsausfällen geführt hat.
Ein Rekordabsatz hat dem chinesische Elektroautobauer BYD im ersten Halbjahr zu einem satten Gewinnsprung verholfen. Das Unternehmen verdiente mehr als dreimal so viel wie vor Jahresfrist. Unter dem Strich lag der Gewinn in den sechs Monaten bis Ende Juni bei umgerechnet fast 1,3 Milliarden Euro, das sind 204,7 Prozent mehr als im Vorjahr, wie das Unternehmen heute mitteilte. Der Umsatz schnellte um 72,7 Prozent auf rund 33 Milliarden Euro nach oben.
Das Unternehmen, zu dessen Investoren unter anderem Warren Buffetts Berkshire Hathaway gehört, hat seinen Marktanteil in China massiv ausgebaut und im Oktober erstmals Volkswagen als führenden Autobauer abgelöst. Seither konnte sich BYD trotz eines tobenden Preiskriegs und einer sinkenden Nachfrage behaupten. Allerdings bietet auch BYD neue Fahrzeuge nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters bis zu einem Viertel günstiger an als ihre Vorgängerversionen. Das macht sich auch in den Zahlen bemerkbar: Im zweiten Quartal fiel das Gewinnplus geringer aus als noch zu Jahresauftakt.