Wall Street New York
Marktbericht

Erneute Kursverluste Wall Street kann sich nicht befreien

Stand: 28.12.2022 22:16 Uhr

Die Wall Street steht weiter unter dem negativen Einfluss von Zins- und Rezessionsängsten. Auch zarte China-Hoffnungen helfen da nicht - zumal mögliche Effekte aus China auch eine Kehrseite hätten.

An der New Yorker Börse fehlt derzeit die Perspektive für eine Erholung. Zins- und Rezessionssorgen halten den Markt schon länger fest im Griff und selbst die vage Hoffnung auf Wachstumseffekte aus China nach dem Ende dortiger Corona-Beschränkungen führen eher zu neuen Inflationssorgen als zu neuer Aufbruchsstimmung.

Das Ergebnis dieser Perspektivlosigkeit waren heute weitere Kursverluste der großen Aktienindizes. Zudem steigen die Renditen am Rentenmarkt, meist ein sicheres Zeichen, dass Ungemach droht. Zehnjährige US-Staatsanleihen rentierten bei 3,88 Prozent.

Der Dow Jones-Index, der Leitindex der Standardwerte, verlor am Ende 1,1 Prozent auf 32.875 Punkte. Die Standardaktien hatten sich zuletzt zwar etwas besser behauptet als die Technologieaktien, trotzdem bietet sich auch hier ein tristes Bild. Die ohnehin besonders zinsempfindliche Technologiebörse Nasdaq sackte derweil weiter ab um 1,35 Prozent auf 10.213 Punkte, der Auswahlindex Nasdaq 100 gab 1,32 Prozent nach. Der marktbreite S&P-500-Index ging bei 3783 Zählern um 1,2 Prozent schwächer aus dem Handel.

Im Blick standen wie schon am Vortag die genauen Konsequenzen der Lockerungen der chinesischen Null-Corona-Politik. "Es ist die Geschwindigkeit der Veränderungen in China, die die Leute misstrauisch gemacht hat. Die letzten zwei Jahre in der Volksrepublik waren ja ein Debakel", sagte Thomas Hayes, Manager beim Vermögensverwalter Great Hill in New York.

Konkret wird befürchtet, dass ein plötzlicher Nachfrageschub aus China die Preise und damit die Inflation eher weiter anschieben würde. Diese Sorgen hatten heute auch schon die europäischen Märkte belastet.

Positiver wird die Öffnung Chinas lediglich am Rohstoffmarkt gesehen. Industriemetalle wie Kupfer, Zink, Zinn und Nickel gewannen deutlich. "Nach der grassierenden Corona-Welle könnte dann ein Aufschwung in China stehen. Auch deshalb finden gerade Versuche einer Bodenbildung bei den zuletzt stark gebeutelten Rohstoffpreisen statt", sagte Jochen Stanzl, Analyst beim Online-Broker CMC Markets.

Die zuletzt taumelnde Tesla-Aktie setzte heute zu einem Erholungsversuch an. Das Papier lag am Ende 3,31 Prozent im Plus bei 112,71 Dollar. Im Tagestief wurden 108,24 Dollar bezahlt.

Es war nur ein kleiner Trost nach den verheerenden Verlusten besonders der letzten Handelstage. Experten zeigten sich zuletzt schockiert über den Ausverkauf und verweisen auf eine wichtige Unterstützungsmarke bei 100 US-Dollar. Im Jahresverlauf hat die Aktie bisher fast zwei Drittel ihres Wertes eingebüßt.

Grund für den gestrigen Absturz um elf Prozent waren Meldungen, dass im Tesla-Werk in Shanghai die Bänder im Dezember und Januar weitgehend stillstehen sollen. Einen Grund dafür gab Tesla nicht an. Ende 2021 und 2022 hatte der Elektroautobauer keine längeren Produktionspausen eingelegt. Die Nachfrage nach Tesla-Autos in China, dem größten Automobilmarkt der Welt, hatte zuletzt nachgelassen. Aus der Autofabrik mit rund 20.000 Mitarbeitern kamen in den ersten neun Monaten des Jahres mehr als die Hälfte aller Neuwagen von Tesla weltweit.

Das Papier war aber bereits zuvor heftig unter Druck geraten, auch wegen der von vielen Analysten kritisierten Twitter-Eskapaden von Firmenchef Elon Musk.

Der DAX ist zur Wochenmitte mit Verlusten aus dem Handel gegangen. Am Ende folgte der deutsche Leitindex einer schwächeren Wall Street ins Minus und schloss bei 13.925 Punkten um 0,5 Prozent leichter. Der Index schloss damit nahe seines Tagestiefs bei 13.914 Punkten, das Tageshoch hatte bei 14.014 Punkten gelegen. Bei dünnen Umsätzen waren die Schwankungen allerdings überschaubar, denn die meisten Marktteilnehmer haben ihre Bücher für das laufenden Jahr bereits geschlossen.

Im Blick haben die Investoren diesseits und jenseits des Atlantiks weiter die Lockerungen der Corona-Restriktionen in China. Diese waren zunächst an der Börse stürmisch begrüßt worden, mittlerweile herrscht aber eine etwas differenziertere Haltung zur überraschenden Wiederkehr des Landes aus der Corona-Isolation.

"Auch wenn die Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft die Öl- und Rohstoffpreise stützt, ist sie eine schlechte Nachricht angesichts der globalen Inflation", sagt Analystin Ipek Ozkardeskaya von der Swissquote Bank. "Eine steigende Nachfrage aus China wird die Inflation durch höhere Energie- und Rohstoffpreise ankurbeln, und als Reaktion auf die höhere Inflation werden die Zentralbanken die Zinsen weiter nach oben schrauben."

Gleichzeitig haben die neuen Corona-Regeln eine große Infektionswelle verursacht. Laut Experten von UBS Securities wird die zweitgrößte Wirtschaft der Welt deshalb erst in mehreren Monaten von den Lockerungen profitieren können. Klar ist aber jetzt schon, dass sich Änderungen in China massiv auf alle Anlageklassen auswirken.

Am Devisenmarkt hat sich der Euro mittlerweile etwas abgeschwächt, bleibt aber im US-Handel über der Marke von 1,06 Dollar. Die Europäische Gemeinschaftswährung notiert am Abend bei 1,0613 US-Dollar. Zuletzt hatte sich der Euro von seinen Tiefständen unter der Dollarparität erholt, denn der Devisenmarkt antizipiert nicht mehr so starke Zinssteigerungen durch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed).

Zudem hat jetzt auch die EZB damit begonnen, die Zinsen anzuheben. Europas Währungshüter hatten damit aber sehr lange gezögert, was ihnen reichlich Kritik von Analysten eingebracht hat und den Euro in den Keller schickte. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0640 (Dienstag: 1,0624) Dollar fest.

Die japanische Notenbank plant nach dem Protokoll der jüngsten Zinssitzung keinen grundlegenden Wechsel der geldpolitischen Strategie. Trotz der Ausweitung der Schwankungsbreite der Rendite von zehnjährigen Staatsanleihen soll an der lockeren Geldpolitik festgehalten werden, so ein Notenbankmitglied laut dem Bericht.

An den Finanzmärkten war eine Änderung der Spanne, in der sich die langfristige Anleiherendite bewegen darf, als Strategiewechsel der Bank of Japan (BOJ) interpretiert worden, was zu heftigen Marktreaktionen führte. Unter anderem war die Landeswährung Yen stark gestiegen. Nach den heutigen Aussagen der Notenbank schwächte sich der Yen aber umgehend wieder ab. Der Tokioter Leitindex Nikkei 225 verabschiedete sich 0,41 Prozent tiefer bei 26.340 Zählern aus dem Mittwochshandel.

Die Infektionswelle nach Lockerung der Corona-Restriktionen in China belastete die Ölpreise. Rohöl der Nordsee-Sorte Brent sowie der US-Sorte WTI verbilligte sich um rund 2,6 Prozent. "Selbst nachdem China die Covid-Beschränkungen gelockert hat, ist es für die Nachfrage schwierig, sich in kurzer Zeit zu erholen", meint Leon Li, Analyst bei CMC Markets.

Stützend wirken Aussagen von Russlands Präsident Wladimir Putin, der gestern verkündet hatte, per Dekret den Verkauf von Öl an Länder zu verbieten, die einen Preisdeckel auf den Rohstoff beschlossen haben.

Im DAX standen sowohl Aktien der Porsche Holding als auch der Porsche AG mit Verlusten zwischen 0,7 und 1,5 Prozent auf der Verliererseite. Auch Infineon-Aktien rutschten als größter Tagesverlierer rund 1,7 Prozent ins Minus. Der neue Infineon-Chef Jochen Hanebeck kann sich laut einem Zeitungsinterview Übernahmen für mehrere Milliarden Euro vorstellen. "Jede Ergänzung muss neben dem strategischen Aspekt auch kulturell zu uns passen und finanziell Sinn ergeben", sagte der Manager im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Sartorius Vorzüge standen gegen den Trend an der DAX-Spitze.

Der DAX-Energiekonzern RWE hat einen Liefervertrag über jährlich 2,25 Millionen Tonnen Flüssiggas (LNG) aus den USA abgeschlossen. Begonnen werden soll mit den Lieferungen allerdings erst 2027, wie RWE Supply & Trading heute mitteilte. Das vereinbarte Volumen entspricht nach Unternehmensangaben etwa 30 Schiffsladungen oder rund 3 Milliarden Kubikmetern Erdgas pro Jahr.

Der Rüstungskonzern und Autozulieferer Rheinmetall hat einen Großauftrag im Geschäft mit Kältemittelverdichter erhalten. Die Bestellung habe ein Volumen von mehr als 770 Millionen Euro, teilte das Unternehmen mit. Es handele sich dabei um den größten Einzelauftrag, den der nicht-militärische Bereich Rheinmetalls außerhalb des klassischen Automobilgeschäfts bisher erhalten hat. Der industrielle Kunde habe ein Kältemittelverdichter-Modell mit Gleichspannungselektronik bestellt, für das ein langfristiger Liefervertrag abgeschlossen worden sei, hieß es.

Die italienischen Wettbewerbshüter nehmen wegen des Verdachts der Preisabsprache unter anderem die Billig-Airlines Ryanair, Wizz Air und EasyJet unter die Lupe. Dabei gehe es um Flüge von und nach Sizilien, teilte die Behörde mit. Die Beschwerde der Verbrauchergruppe Codacons, die die Untersuchung ausgelöst habe, habe sich auch gegen die staatliche ITA Airways, Nachfolgerin der Fluggesellschaft Alitalia, gerichtet. Die Gruppe wirft den Airlines "gezielte Absprache" vor wurde, um die Preise für Inlandsflüge von und nach Sizilien während der Weihnachtsferien zu erhöhen.

Der US-Energiekonzern Exxon Mobil hat eigenen Angaben zufolge beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg Klage gegen die geplante EU-Übergewinnsteuer eingereicht. "Unsere Anfechtung richtet sich nur gegen die kontraproduktive Gewinnsteuer und nicht gegen andere Elemente des Pakets zur Senkung der Energiepreise", erklärte Exxon-Mobil-Sprecher Casey Norton.

Mit der Steuer sollen Ölkonzerne einen Teil ihrer Rekordgewinne abgeben, die sie aufgrund der russischen Invasion der Ukraine erwirtschaftet haben. Mit den Mehreinnahmen des "Solidaritätsbeitrages" will die EU die drastisch gestiegenen Energiekosten für ihre Bürger senken. EU-Plänen zufolge sollen alle Gewinne, die mehr als 20 Prozent über dem Durchschnittswert der Jahre von 2019 bis 2021 liegen, mit mindestens 33 Prozent Abgaben belegt werden. 

Nach Schätzungen der Exxon-Finanzchefin würde dies den Konzern "über zwei Milliarden Dollar" kosten. Der endgültige Betrag hänge aber davon ab, wie die Mitgliedsstaaten die Maßnahme in ihre Haushalte für 2023 einbauen würden.

Kunden der bankrotten Kryptobörse FTX wollen ihr angelegtes Vermögen retten und klagen gegen das Unternehmen sowie seine ehemaligen Führungskräfte. Um die noch vorhandenen Vermögenswerte der Kryptobörse streiten sich bereits Insolvenzverwalter auf den Bahamas und Antigua sowie Verwalter der Konkursmasse von Blockfi, einem anderen insolventen Kryptounternehmen. Falls das Gericht feststellen sollte, dass die Kundengelder Eigentum der Krypto-Unternehmen sind, fordern die Privatkunden ein vorrangiges Recht auf Rückzahlung gegenüber anderen Gläubigern.

Markus Gürne, HR, mit Einzelheiten zur Sammelklage in den USA gegen bankrotte Kryptobörse FTX

tagesschau24

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 28. Dezember 2022 um 09:13 Uhr.