Wieder Verluste Stabilisierungsversuch gescheitert
Zwischenzeitlich schienen die Aktienmärkte zum Wochenstart Halt zu finden, am Ende überwogen aber doch wieder die Zinssorgen. Positive Nachrichten zum Porsche-Börsengang stützten den DAX nur vorübergehend.
Auch in der neuen Woche wirkt das jüngste Signal der amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed), dass die hohen Zinssätze bis 2023 anhalten könnten, weiter nach. Die Aussicht auf weiter anziehende Zinsen trübt die Gewinnerwartungen der Unternehmen, die wieder deutlich mehr für Fremdkapital ausgeben müssen. Rund um den Globus ist damit die Angst vor einer zinsgetriebenen Rezession verbunden. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte büßte weitere 1,1 Prozent ein.
Am Freitag war der Dow Jones bereits um 1,6 Prozent auf 29.590 Punkte gefallen - damit lag er rund 20 Prozent unter seinem Rekordstand von Anfang Januar. Für charttechnisch orientierte Anleger ist das ein schlechtes Omen, das den Eintritt in einen sogenannten Bärenmarkt markiert, in dem die Pessimisten das Ruder übernehmen.
Der Technologiewerteindex Nasdaq 100 verlor unterdessen moderatere 0,5 Prozent.
Der deutsche Aktienmarkt litt vor allem unter den zunehmenden Hinweisen auf eine bevorstehende Rezession. Der DAX schloss nach einer wechselvollen Sitzung 0,46 Prozent tiefer. Der ifo-Geschäftsklimaindex, Deutschlands wichtigster Konjunkturfrühindikator, brach im September auf 84,3 Punkte ein. Das ist der niedrigste Stand seit Mai 2020. Experten hatten mit einer Eintrübung gerechnet, allerdings nur auf 87 Punkte. "Die deutsche Wirtschaft rutscht in eine Rezession", kommentierte ifo-Präsident Clemens Fuest.
"Dieser wichtige Frühindikator deutet mehr denn je auf eine Rezession im Winterhalbjahr", ist auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, überzeugt. "Deutschland ist durch die massiv verteuerten Energieimporte ärmer geworden. Wir stehen vor einem wirtschaftlich schwierigen Winter."
Auch die so genannte Gemeinschaftsdiagnose der vier führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute, die offiziell am Donnerstag vorgelegt wird, geht offenbar von einer Rezession aus. In ihrer Konjunkturprognose erwarten die Experten für 2023 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,4 Prozent, wie das "Handelsblatt" aus Regierungskreisen erfuhr. Für 2022 prognostizieren sie nur noch ein kleines Wachstum von 1,4 Prozent. In ihrem Frühjahrsgutachten hatten die Institute noch mit einem Wachstum von 2,7 Prozent in diesem und von 3,1 Prozent im kommenden Jahr gerechnet. Die deutsche Wirtschaft wird aber zunehmend von der Energiepreiskrise belastet.
Doch nicht nur fundamental, auch technisch haben sich die Aussichten für den DAX zuletzt deutlich eingetrübt. Mit seinem Rutsch auf ein neues Jahrestief von 12.180 Punkten am vergangenen Freitag hat der Index ein Verkaufssignal gesendet und signalisiert einen intakten Abwärtstrend. Investoren sollten daher die Unterseite im Blick behalten: "Die nächste wichtige Unterstützung ergibt sich erst wieder in Form des Tiefs vom Oktober 2020 bei 11.450 Punkten", betont Jörg Scherer, Leiter Technische Analyse bei HSBC.
Auf den Rechtsruck bei der Italien-Wahl haben die Rentenmärkte recht gelassen reagiert. Die Risikoaufschläge italienischer Staatsanleihen gegenüber Bundespapieren stiegen am Morgen um bis zu sechs Basispunkte und damit eher moderat.
"Die Mehrheit der Anleger hatte den Erfolg der rechten Parteien erwartet und den Ausgang bereits im Vorfeld weitestgehend eingepreist. Auch sind die Investoren insofern erleichtert, dass das rechte Bündnis eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit verpasst hat", erklären die Experten der DZ Bank.
Weitaus turbulenter ging es heute am Devisenmarkt zu. Das angekündigte Fiskalpaket der neuen britischen Regierung löste einen Ausverkauf beim britischen Pfund aus. Die britische Währung stürzte auf ein Rekordtief von 1,0350 Dollar ab. Die Experten der Commerzbank sprachen von einem "Truss-Schock".
Spekulationen auf eine außerplanmäßige Zinserhöhung der Bank von England sorgten dann wieder für eine Erholung des Pfundes. "Die große Sorge ist jetzt, dass die Bank of England gezwungen sein wird, in den nächsten Tagen mit einer Not-Zinserhöhung auf den Absturz des Pfunds zu reagieren", sagte Rob Gill vom Hypothekenmakler Altura Mortgage Finance. "Eine Währung im freien Fall, steigende Kreditkosten und eine Regierung und eine Zentralbank, die nicht an einem Strang ziehen, sind der Stoff, aus dem eine Bananenrepublik gemacht ist."
Die Ölpreise setzten ihren Abwärtstrend fort. Zuletzt kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 84,13 Dollar. Damit ist der Brent-Preis erstmals seit Januar unter 85 Dollar gefallen. Grund sind die zunehmenden Rezessionserwartungen. Eine schwächere Wirtschaftsentwicklung dämpft auch die Nachfrage nach Rohöl. Hinzu kommt der starke US-Dollar, der Rohöl für Anleger aus anderen Währungsräumen teurer macht.
Trotz der herrschenden Risikoaversion an den Finanzmärkten musste der Goldpreis auch zum Wochenstart Federn lassen. Das gelbe Edelmetall leidet weiter unter den weltweit steigenden Zinsen, die andere risikoarme Anlagen zunehmend attraktiv werden lassen. Mit Notierungen unter 1624 Dollar erreichte der Goldpreis Tiefststände, die seit dem Frühjahr 2020 nicht mehr zu sehen waren.
Die Nachrichten vom voraussichtlich größten Börsengang des Jahres am Donnerstag halfen dem Gesamtmarkt zeitweilig ins Plus. Volkswagen kann die Aktien der Porsche AG beim bevorstehenden Börsengang offenbar am oberen Ende der Preisspanne ausgeben. Eine der beteiligten Banken teilte mit, Aufträge unterhalb von 82,50 Euro je Aktie würden möglicherweise nicht berücksichtigt. Die Emission sei auf diesem Niveau mehrfach überzeichnet. Wegen der hohen Nachfrage will Volkswagen die Bücher offenbar schon morgen schließen und nicht erst am Mittwoch. Der bisherige Alleineigentümer des Stuttgarter Sportwagenherstellers bietet 113,9 Millionen Porsche-Vorzugsaktien in einer Spanne von 76,50 bis 82,50 Euro an.
Gegen den Trend konnten zahlreiche Technologiewerte wie SAP im DAX oder Aixtron im MDAX zulegen. Nach dem Kursrutsch sehen die Strategen von JPMorgan bei Wachstumswerten wie etwa im Bereich der Technologie einen taktischen Einstiegszeitpunkt gekommen.
"Jetzt, wo die Kurse hier nach unten gehandelt wurden, könnte sich eine Gelegenheit für einen neuen taktischen Aufschwung ergeben", schrieb der Analyst Mislav Matejka von der US-Bank in einer Strategiestudie.
Der Energiekonzern RWE hat in den Vereinigten Arabischen Emiraten einen Vertrag über die erste Lieferung von verflüssigtem Erdgas (LNG) Ende Dezember unterzeichnet. Die Vereinbarung mit der staatlichen Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) sieht die Lieferung von rund 140.000 Kubikmeter Gas vor - die erste Lieferung, die über das schwimmende LNG-Importterminal in Brunsbüttel abgewickelt wird. RWE sprach von einem "Meilenstein" für den Aufbau einer LNG-Versorgungsinfrastruktur in Deutschland und einer diversifizierten Gasversorgung.
Volkswagen und der belgische Recycling-Konzern Umicore investieren gemeinsam drei Milliarden Euro in den Aufbau von Produktionskapazitäten für Batteriematerialien. Dazu gründeten die VW-Tochtergesellschaft PowerCo, in der der Wolfsburger Konzern seine Batterieaktivitäten zusammengefasst hat, und der belgische Konzern ein Gemeinschaftsunternehmen, wie die beiden Partner heute mitteilten.
Wegen der hohen Nachfrage nach dem ID.Buzz denkt die Volkswagen-Nutzfahrzeugtochter VWN über eine Ausweitung von Teilen der Produktion nach. Viele Kunden müssen aber wohl erst einmal noch eine Weile auf die bestellten Elektrobusse warten. "Wir könnten uns allerdings gut vorstellen, eine Drehscheibe für den ID.Buzz in einem unserer beiden Werke in Polen einzurichten", deutete der Markenchef Carsten Intra an.
Der Wohnungskonzern Vonovia will sein Wachstum künftig auch durch externe Investoren finanzieren. "Die alte Art der Akquisitionsfinanzierung, also Ausgabe neuer Aktien, verbietet sich bei dem niedrigen Aktienkurs", sagte Konzernchef Rolf Buch der "Börsen-Zeitung". An den Beständen in Schweden und Baden-Württemberg sollen Partner beteiligt werden.
Nach dem Kursverfall der vergangenen Monate kehren immer mehr Anleger zu Uniper zurück. Die Aktie des Gasversorgers konnte um 22,7 Prozent auf 4,34 Euro zulegen, nachdem sie in der vergangenen Woche auf ein Rekordtief von 2,55 Euro gefallen war. Das Unternehmen war wegen ausbleibender russischer Lieferungen in Schieflage geraten und wird verstaatlicht.
Die Papiere von Varta, die am Freitag wegen gekippter Gesamtjahresziele um mehr als ein Drittel eingebrochen waren, gaben weiter nach. Sie verloren 4,2 Prozent und notieren nun so tief wie zuletzt vor dreieinhalb Jahren. Analyst Robert-Jan van der Horst von Warburg Research kommentierte, kurzfristig sei zwar nach dem Kursrutsch kein positiver Nachrichtenfluss zu dem Batteriehersteller zu erwarten, längerfristig sollten die negativen Nachrichten aber bekannt sein. Der Experte senkte das Kursziel für den MDAX-Titel von 65,20 auf 53,00 Euro.
Der US-Handy-Hersteller Apple wird sein neuestes Smartphone iPhone 14 in Indien bauen. "Die neue iPhone 14-Reihe führt bahnbrechende neue Technologien und wichtige Sicherheitsfunktionen ein. Wir freuen uns, das iPhone 14 in Indien herzustellen", teilte Apple heute mit. Analysten von JPMorgan erwarten, dass Apple ab Ende 2022 etwa fünf Prozent der iPhone-14-Produktion nach Indien verlagern wird, das nach China der zweitgrößte Smartphone-Markt der Welt ist.
Katar beteiligt den französischen Energiekonzern TotalEnergies an einem weiteren Bereich eines Flüssiggasprojekts, mit dem das arabische Land seine Exportfähigkeit an Flüssiggas (LNG) erheblich steigern will. Der französische Konzern wird damit in dem nach eigenen Angaben weltgrößten Flüssiggasprojekt der erste internationale Partner von Katar.
Der Billigflieger Ryanair will angesichts von teurem Sprit die Preise anheben. "Der durchschnittliche Preis für ein Ryanair-Ticket dürfte in fünf Jahren von 40 auf 50 Euro steigen", sagte Deutschland-Chef Andreas Gruber der Deutschen Presse-Agentur. Mit der angekündigten Preiserhöhungen steht Ryanair nicht alleine da: Die Lufthansa hat in den vergangenen Monaten bereits von teureren Tickets profitiert und für das weitere Jahr höhere Flugpreise angekündigt.