Leichte Gewinne Zinserhöhung eingepreist?
Zinserhöhung, na und? Die Aktienmärkte scheinen sich mit der geldpolitischen Straffung derzeit abzufinden - bewegen sich dabei aber auf einem schmalen Grat.
Welche Richtung die Aktienmärkte auch immer einschlagen - bis zum Ende des Börsentages am Mittwoch wird dort keine echte Ruhe einkehren. Angesichts der laufenden Welle drastischer Zinserhöhungen blicken die Marktteilnehmer gebannt in die USA, wo die Notenbank Federal Reserve über ihren nächsten Zinsschritt entscheidet. Nicht nur das Ausmaß der Zinserhöhung, sondern auch die Hinweise der Geldpolitiker auf den künftigen Zinspfad werden über die weitere Tendenz entscheiden.
Laut dem Fed Watch Tool der CME Group rechnen aktuell 82 Prozent der Marktteilnehmer mit einer Anhebung des Leitzinses um 75 Basispunkte; 18 Prozent erwarten sogar einen Zinsschritt um einen vollen Prozentpunkt.
Insofern ist noch eine Menge Unsicherheit im Markt, auch wenn sich die Stimmen in den USA mehren, dass eine Leitzinsanhebung von 0,75 Prozentpunkten schon "eingepreist", also in den Kursen verarbeitet sei. Die Standardtitel des Dow Jones konnten jedenfalls ein Tagesplus von 0,64 Prozent verbuchen.
Bei den Technologietiteln, die wegen ihrer höheren Schuldenquote als zinssensitiver gelten, war die Erholung noch etwas stärker. Der Nasdaq 100 ging 0,77 Prozent höher aus dem Handel.
Außer der Fed entscheiden in dieser Woche nicht weniger als zwölf Notenbanken rund um den Globus über ihre Zinspolitik. "Wir stehen vor einer der aggressivsten Zinserhöhungsphasen der Geschichte", warnen die Analysten der Bank of America. "85 Prozent der Zentralbanken sind in einem geldpolitischen Straffungsmodus."
Überraschend schwankungsfreudig ist der DAX in die neue Woche gestartet. Nach anfänglichen Verlusten erholte sich der deutsche Leitindex am Nachmittag deutlich und schloss 0,49 Prozent über seinem Schlussstand vom Freitag. Das deutet ebenfalls darauf hin, dass die für den Mittwoch erwartete Zinserhöhung der Fed schon zu einem gewissen Teil in den Kursen enthalten ist.
Mit seiner Kurswende hat der DAX auch seine technische Lage etwas verbessert. Denn das Tagestief von 12.606 Punkten und das Tief von Anfang des Monats von 12.603 Punkten bilden nun einen "doppelten Boden", der kurzfristig etwas Stabilität verspricht. Größere Belastungen wird diese kleine Bastion aber nicht aushalten können.
Im Tagesverlauf konnte sich der Euro etwas von den aktuellen Zinserwartungen lösen und überschritt am Nachmittag wieder die Parität zum Dollar. Für einen Euro wurden am späten Abend 1,0020 Dollar bezahlt.
Auch die Ölpreise setzten sich im Verlauf von ihren Tagestiefs ab. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent lag am Abend 0,4 Prozent höher 91,80 Dollar.
Die Feinunze Gold notierte am Abend nur noch leicht schwächer bei 1675 Dollar. In der vergangenen Woche war der Preis für das gelbe Edelmetall bis auf 1653 Dollar und damit auf den tiefsten Stand des Jahres gefallen.
Wegen der Aussicht auf drastische Zinserhöhungen der großen Notenbanken zogen sich Anleger aus riskanten Anlageklassen wie Kryptowährungen zurück. Der Bitcoin fiel zwischenzeitlich um sieben Prozent auf ein Dreimonatstief von 18.322 Dollar. Ethereum rutschte um fast elf Prozent ab und war mit 1285,20 Dollar so billig wie zuletzt vor rund zwei Monaten.
Im DAX stand Volkswagen in den Mittelpunkt. Der bisherige Alleineigentümer VW will seine Tochter Porsche AG (nicht zu verwechseln mit der Volkswagen-Mutter Porsche SE) an die Börse bringen. Der Sportwagenbauer soll dabei mit bis zu 75 Milliarden Euro bewertet werden. VW legte die Preisspanne für die stimmrechtslosen Porsche-Vorzugsaktien am Sonntagabend auf 76,50 bis 82,50 Euro fest.
Mit dem Börsengang kann der Konzern 8,7 bis 9,4 Milliarden Euro einnehmen. Es wäre der größte Börsengang in Deutschland seit mehr als 25 Jahren. 1996 hatte die Deutsche Telekom nach Daten des Finanzdienstleisters Refinitiv umgerechnet 9,65 Milliarden Euro erlöst.
Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck will den Elektroantrieb künftig auch stärker im Schwerlastfernverkehr auf die Straße bringen. Dazu stellten die Schwaben im Vorfeld der Nutzfahrzeugmesse IAA Transportation in Hannover gestern einen ersten entsprechenden Batterie-Lkw für den Fernverkehr vor. Das Fahrzeug mit dem Namen "eActros LongHaul" soll 2024 serienreif sein und eine Reichweite von rund 500 Kilometern mit einer Batterieladung liefern.
Der Biosprit-Hersteller CropEnergies bekommt den Kostendruck durch steigende Energie- und Rohstoffpreise zu spüren. Hinzu komme, dass höhere Ethanol-Einfuhren in die EU und Großbritannien aus Brasilien und den USA die Absatzpreise für den Biokraftstoff schmälerten, teilte die Südzucker-Tochter mit. Daher stelle der Vorstand die Kapazitäten auf den Prüfstand. Es werde erwogen, die Fertigung ab Januar 2023 zu reduzieren oder sogar vorübergehend stillzulegen.
Das erst im März aus dem DAX in den MDAX abgestiegene Energieunternehmen Siemens Energy ist heute in den deutschen Leitindex zurückgekehrt Ausscheiden musste dafür der Kochboxenlieferant HelloFresh, der nun im Index der mittelgroßen Werte zu finden ist.
Drei Aktien aus dem SDAX finden sich ab heute im MDAX: der US-Telekomausrüster Adtran sowie die beiden Autozulieferer Stabilus und Hella. Der schwer angeschlagene Energiekonzern Uniper, Grand City Properties und der IT-Dienstleister Cancom sind aus dem MDAX in den SDAX abgestiegen.
Außerdem ist der Windkraftanlagenhersteller Nordex in den SDAX zurückgekehrt. Er war im Juni herausgeflogen, da er seinen Quartalsbericht nicht fristgerecht veröffentlicht hatte. Neu hinzugekommen sind zudem der Wind- und Solarparkentwickler Energiekontor, die Südzucker-Tochter CropEnergies und SGL.
Ausgeschieden sind dafür die Immobilienkonzerne Deutsche Euroshop und Adler Group sowie die Aareal Bank und der B2B-Versandhändler Takkt. Im TecDAX haben außerdem Adtran und Nordex die Plätze von Kontron und 1&1 eingenommen.
Bei United Internet konkretisieren sich die Börsenpläne für die Webhosting-Tochter Ionos. Der Börsengang sei für 2023 geplant, teilte der Internet- und Mobilfunkanbieter heute mit. An der Cloud-Tochter ist der Finanzinvestor Warburg Pincus mit 24,9 Prozent beteiligt. United Internet will ein internationales Bankenkonsortium mit den Vorbereitungen beauftragen. Von der Mandatierung bis zur Erstnotiz dauert es in der Regel fünf bis sechs Monate. United Internet legt sich aber nicht auf einen Zeitpunkt fest. Der MDAX-Konzern hatte die Börsenpläne für Ionos im Herbst 2021 öffentlich gemacht, musste sie wegen der Turbulenzen an den Märkten aber auf die lange Bank schieben. Ionos konkurriert mit Cloud-Anbietern wie GoDaddy und OVHCloud.
Beim Telekommunikationsanbieter 1&1 stockt der Ausbau des eigenen Mobilfunknetzes. Das Zwischenziel von 1000 5G-Antennenstandorten bis Ende 2022 werde nicht erreicht, teilte der Konzern am Freitagabend mit. Grund seien Lieferprobleme beim wichtigsten Ausbaupartner, der die Bereitstellung von rund zwei Drittel der Standorte zugesichert habe. Das Zwischenziel werde nun voraussichtlich erst im Sommer 2023 erreicht.
Papiere von Valneva fielen auf das tiefste Niveau seit Ende 2020. Das französische Unternehmen hat einen Auftrag für die deutsche Firma IDT Biologika zur Produktion seines Covid-19-Totimpfstoffs storniert. "Das ist die Bestätigung, dass Valneva keine großen Mengen des Impfstoffs produzieren oder verkaufen wird", sagte Analyst Max Herrmann vom Brokerhaus Stifel, Nicolaus & Co.