Aktien der Impfstoffhersteller Anlegertraum oder Zockerpapiere?
Lange kannten die Aktienkurse der großen Impfstoffhersteller nur eine Richtung: aufwärts. Doch zuletzt kehrte Ernüchterung ein, auch wegen Rückschlägen für manche Firmen. Taugen sie noch als Geldanlage?
Die Enttäuschung war riesig: Nach monatelangen Hoffnungen musste das Tübinger Biotech-Unternehmen CureVac vergangene Woche sein Scheitern einräumen. Der von ihm entwickelte Impfstoff gegen das Coronavirus ist weitgehend unwirksam. CureVac, an dem der Bund zu 17 Prozent beteiligt ist, zog seinen Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA zurück und vernichtet jetzt den produzierten Stoff. "Für das pandemische Produkt sind wir zu spät", räumte Vorstandschef Franz-Werner Haas vergangene Woche in einer Telefonkonferenz ein: "Das Zeitfenster hat sich geschlossen." CureVac will sich nun auf das Impfstoffprogramm der zweiten Generation mit seinem Partner Glaxo Smith Kline konzentrieren.
Der Boom ist nicht nachhaltig
Die Aktie, die seit dem Sommer vergangenen Jahres an der US-Technologiebörse Nasdaq gelistet ist, brach ein und steht weiter auf wackeligem Boden. Denn nun gibt es auch Spekulationen, der Milliardär und Mitbegründer von SAP, Dietmar Hopp, wolle sich zurückziehen. Hopp wies derartige Überlegungen aber zurück. Er hält knapp die Hälfte des Kapitals an CureVac über die Beteiligungsholding Dievini. Seit dem Höhepunkt hat das Curevac-Papier gut zwei Drittel eingebüßt, seit dem Börsengang gut 30 Prozent.
Der Fall CureVac zeigt, wie riskant die Anlage in die Papiere von Impfstoffherstellern sein kann. Ihr Wohl und Wehe hängt ganz entscheidend von der Wirksamkeit des Produktes ab. Doch auch die Aktien der Unternehmen, die erfolgreich bei Covid-Impfstoffen sind, unterliegen starken Schwankungen. So rutschen etwa die Papiere von BioNTech und Moderna, die innerhalb eines Jahres Kurszuwächse von rund 200 Prozent verbucht haben, seit einigen Wochen deutlich ab. Experten verweisen auf zum Teil hohe Impfquoten in den westlichen Industriestaaten und auf eine abnehmende Bereitschaft der Bevölkerung, sich impfen zu lassen.
Neuer Fokus auf Corona-Medikament
Zwar sind die Auftragsbücher voll, auch weil Auffrischungsimpfungen geplant und teilweise schon durchgeführt werden. Doch viele halten die Papiere für überbewertet und verweisen auf neue Entwicklungen, die den über Nacht zu Börsenstars gewordenen Firmen Probleme bereiten könnten: So forschen viele Konkurrenten an Medikamenten gegen das Coronavirus, die als Tablette eingenommen werden. Der US-Pharmariese Merck legte in den vergangenen Tagen ermutigende Studien zu einer solchen Covid-Pille vor und hat bereits eine Not-Zulassung bei den US-Behörden beantragt.
"Die Ergebnisse übertrafen die Erwartungen, die ich an das Medikament in dieser klinischen Studie geknüpft hatte", sagte Dean Li, Vizepräsident im Bereich Forschung bei Merck. "Wenn die Zahl der Krankenhausaufenthalte oder Todesfälle um 50 Prozent gesenkt werden kann, ist das eine erhebliche klinische Wirkung." Diese Erfolgsmeldungen setzten die Aktien von BioNTech und Moderna unter Druck. Auch die Konkurrenten Pfizer, Roche und Atea arbeiten an ähnlichen Medikamenten.
Je diverser, desto stabiler?
Doch es gibt auch andere Meinungen zur weiteren Kursentwicklung: Viele Analysten sehen gerade das Potenzial von BioNTech noch lange nicht ausgeschöpft. Sie verweisen darauf, dass die dort mit entwickelte mRNA-Technologie gegen das Coronavirus auch Grundlage für Impfstoffe gegen andere Krankheiten wie Malaria oder Krebs von entscheidender Bedeutung werden könnte. Gerade BioNTech forscht sehr stark auf diesem Gebiet. Allerdings wird die Aktie des Mainzer Unternehmens auch immer wieder zum Spielball von Spekulanten und verbucht deshalb teilweise heftige Kursschwankungen. Für schwache Nerven sind die Papiere der Impfstoffhersteller daher nichts.
Etwas stabiler zeigt sich da die Notierung von Johnson & Johnson, dem einzigen Hersteller, bei dem nur eine Impfdosis Schutz gegen das potenziell tödliche Coronavirus bietet. Zwar musste auch diese Aktie in jüngster Zeit Federn lassen, nachdem immer wieder Zweifel an der Wirksamkeit des Impfstoffes geäußert wurden und eine Auffrischung mit einem mRNA-Impfstoff wie BioNTech oder Moderna empfohlen wird. Insgesamt weisen die Papiere aber weniger Schwankungen auf. Das liegt daran, dass das Traditionsunternehmen deutlich breiter aufgestellt ist. Neben der florierenden, aber eben auch schwankenden Pharma-Branche produziert Johnson & Johnson auch viele Kosmetikprodukte, die immer ihre Käufer finden. In Deutschland vertreibt das Unternehmen unter anderem Cremes wie Bebe oder Penaten, das Mundspülwasser Listerine oder die Sonnenschutz-Produkte der Marke Piz Buin.