Staatsverschuldung Was sind Bundesanleihen?
Rund 400 Milliarden Euro nimmt der Staat in diesem Jahr über Bundeswertpapiere ein. Welche es gibt und wie sie funktionieren.
Der Staat ist nach dem Grundgesetz dazu verpflichtet, den Saldo aus Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen zu gestalten. Reichen die Steuern nicht aus, um die Kosten zu decken, muss er Schulden aufnehmen, um den Haushalt zu finanzieren. Die deutschen Staatsschulden bestehen laut der Commerzbank zu 98 Prozent aus börsennotierten Wertpapieren, von denen sich rund 80 im Umlauf befinden. Dazu gehören etwa Bundesanleihen.
Wie sich der Staat Geld leiht
"Ganz allgemein gesprochen ist eine Anleihe ein Wertpapier, das dem Inhaber den Anspruch einräumt, jedes Jahr bestimmte Zinszahlungen zu erhalten und am Ende der Laufzeit den vollen Kapitalbetrag zurückzubekommen", erklärt Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW im Gespräch mit tagesschau.de. Über die Ausgabe von Anleihen oder Bonds leihen sich Staaten also Geld für mehrere Jahre bei Investoren und zahlen dafür Zinsen.
Die Begebung oder die Aufstockung solcher Anlagen funktioniert über Auktionen. Allein für 2022 umfasst das Emissionsvolumen insgesamt 410 Milliarden Euro. Im sogenannten Tenderverfahren können die Mitglieder einer festen Bietergruppe innerhalb eines bestimmten Zeitraums über das Bund Bietungs-System (BBS) Gebote abgeben. Deutschland versteigert die Wertpapiere nach Angaben der Bundesbank an 32 in- und ausländische Geschäftsbanken. Zuständig dafür ist die Finanzagentur GmbH. Nach Ablauf der Frist teilt sie die Titel abhängig vom jeweiligen Gebot zu. Die Käufer kann sie schließlich selbst behalten oder mit einem Preisaufschlag weiterverkaufen - zum Beispiel an institutionelle oder private Anleger.
"Der Besitzer der Anleihe kann sie jeden Tag wieder über die Börse verkaufen", so Heinemann. Gerade die Anleihen der Bundesrepublik Deutschland seien zu jeder Zeit handelbar. Der größte Teil der Bundesanleihen liege in den Händen von Lebensversicherungen, Fonds und Banken und gehöre damit auch indirekt den privaten Sparern, betont der Leiter des ZEW-Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft. "Deutsche Staatsanleihen gelten als sehr sicher, weil der Glaube, dass die Bundesrepublik in den kommenden Jahren immer in der Lage sein wird, das Zahlungsversprechen zu halten, sehr hoch ist." Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit, auch Bonität genannt, von Deutschland mit der Bestnote AAA.
Zehnjährige Bundesanleihe am häufigsten
Typischerweise investieren daher risikoscheue Anleger in Staatsanleihen. Der Bund bietet ihnen verschiedene Papiere an, die sich nach der Höhe des Zinses sowie der Laufzeit unterscheiden. Anleihen, die bis zu zwei Jahre laufen, heißen Bundesschatzanweisungen. Fünfjährige Papiere werden Bundesobligationen genannt. Dazu kommen grüne Wertpapiere, dessen Einnahmen ausschließlich für das Klima und die Umwelt eingesetzt werden, sowie inflationsindexierte Produkte, bei denen sich der Zins an der Inflation orientiert. Die klassischen Bundesanleihen sind diejenigen mit einer Laufzeit von sieben, zehn, 15 oder 30 Jahren. Diese machen der Finanzagentur zufolge mehr als 60 Prozent des Schuldenportfolios Deutschlands aus.
"Die häufigste Anleihe ist die zehnjährige", betont Ökonom Heinemann. Tatsächlich entfallen 40 Prozent der Bundesanleihen auf Papiere mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Mit rund 12,8 Prozent haben sie den drittgrößten Anteil am gesamten Jahresemissionsvolumen des Bundes und werden zudem am meisten gehandelt. Warum ist das so? Neben der runden Zahl sei ein Grund, dass jeder Staat Papiere mit dieser Laufzeit habe, meint Heinemann. Das mache sie international vergleichbar. Die zehnjährige Bundesanleihe steht daher am Finanzmarkt besonders im Fokus.
Weil zahlreiche solcher Papiere im Umlauf sind, ist immer die zuletzt ausgegebene entscheidend. Dieser "jüngste" Zehn-Jahres-Bond reagiert am schnellsten auf Neuigkeiten in der Welt und ist sehr liquide. Dadurch beschreibt er das aktuelle Zinsniveau am besten. Seine Rendite wird täglich von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht.
Wie die Rendite berechnet wird
Die Rendite ist die effektive Verzinsung einer Anleihe und damit ein Maß für den Erfolg einer Investition nach Ablauf der Vereinbarung oder bei Verkauf. Ein Aspekt ist dabei die Laufzeit. Für längere Bonds gibt es mehr Zinsen, da die Investoren ihr Geld länger los sind - mit allen Risiken. Entscheidend für die Rendite einer Bundesanleihe sind aber vor allem der Zins und der Kurs.
"Wenn eine Anleihe bei der Begebung 100 Euro wert ist und pro Jahr mit drei Prozent verzinst wird, ist der Zinskupon auch gleichzeitig die jährliche Rendite", erklärt Heinemann. Diese Rendite-Berechnung setzt voraus, dass der Anleger die Anleihe bis zur Fälligkeit hält. Allerdings wird die Anleihe dauernd am Markt gehandelt, und der Kurs verändert sich stetig. Wenn viele Investoren ihre Papiere aus dem Depot werfen, sinkt der Kurs. Wenn die Nachfrage jedoch steigt, klettert er nach oben. Das hat Folgen für die Rendite.
"Fällt der Kurs von 100 auf 90 Euro, muss man den Zins auf den neuen Kurs beziehen, und die Rendite steigt auf 3,33 Prozent", so der Experte. Dementsprechend entwickeln sich Renditen und Kurse am Rentenmarkt gegenläufig. Fallen die Kurse bei einem für die gesamte Laufzeit festgelegten Zins, steigen die Renditen für Investoren, die neu zugreifen - und umgekehrt. Dieser Kurseffekt ist umso größer, je länger die Restlaufzeit der Anleihe ist.
Auch die Inflation verändert die Rendite
Darüber hinaus spielen Erwartungen eine große Rolle. Daher sinkt der Kurs, wenn der Marktzins nach oben geht und andersherum. Die Leitzinsen sind relevant für die Banken, die bei den Währungshütern Kredite aufnehmen. Das wirkt sich wiederum auf die Kapitalmarktzinsen aus, die unter anderem die Staaten den Anlegern für das Geld am Anleihemarkt bieten müssen. Wenn die Leitzinsen nach oben gehen, wird daher auch mit höheren Zinsen für Bundesanleihen gerechnet. Weil die Investoren sich dadurch mittel- bis langfristig bessere Erträge erhoffen, verkaufen sie bestehende Anleihen.
Ebenfalls negativ auf den Kurs wirkt die Inflation. Ist diese zu hoch, entschädigt der feste Zinssatz nicht für die Preissteigerungen, sodass die Anleger in realer Betrachtung Geld verlieren. "Der reale Wert von 100 Euro Staatsanleihen, die ich im Portfolio habe, sinkt bei einer Inflation von zehn Prozent auf 90 Euro", erläutert ZEW-Volkswirt Heinemann. Staatsanleihen müsse man stets unter Berücksichtigung der Inflation betrachten. Denn auch wenn der Zinssatz und damit die Rendite der Bundesanleihen nominal steigen, würde der reale Zins in Wirklichkeit fallen.