Nach der Pandemie Finanzierungseinbruch bei Biotech-Firmen
Nach dem Corona-Boom ist die Finanzierung deutscher Biotech-Firmen deutlich zurückgegangen, so eine Studie der Beratungsfirma EY. Die Branche konzentriere sich wieder auf "klassische Biotech-Themen" wie Studien zu Krebs-Wirkstoffen.
Nach zwei Rekordjahren floss im vergangenen Jahr deutlich weniger Geld in die deutsche Biotechnologie-Branche. Die Kapitalaufnahme sank von 2,4 Milliarden auf 812 Millionen Euro - ein Rückgang um 67 Prozent. Das sind Ergebnisse des Deutschen Biotechnologie-Reports 2023 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Im Jahr 2020 waren sogar insgesamt drei Milliarden Euro in deutsche Biotechnologie-Unternehmen investiert worden. Nun sei die Branche nach dem Corona-Boom wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen, sagt Klaus Ort, Partner bei EY und Leiter des Marktsegments Life Sciences und Gesundheitswesen. "Der Hype ist vorüber, die Finanzierungssituation wieder kritisch."
Ein ähnlich starker Rückgang wie in Deutschland wurde im vergangenen Jahr auch europaweit verzeichnet: Die Kapitalaufnahme sank von 22 auf 7,8 Milliarden Euro und damit um 65 Prozent. Manuel Bauer, EY Biotech Leader Germany erklärt das so: "Auf den ersten Blick ist der Einbruch bei den Finanzierungen ernüchternd. Nach den zwei Boom-Jahren 2020 und 2021 und einem überhitzten Finanzierungsmarkt war aber eine gewisse Bereinigung durchaus geboten." Als Gründe nennt EY die durch den Krieg ausgelöste Verunsicherung bei Investoren, die steigenden Zinsen und den Rückzug von Anlegern, die nur während der Corona-Hochphasen in Biotech-Firmen investiert hätten.
Starke "Produkt-Pipeline" und mehr Allianzen
Erfreulich ist aus Sicht von EY, dass die Produktpipeline deutscher Biotech-Unternehmen sehr stark sei. Die Reife der Unternehmen nehme zu, sie hätten inzwischen viel mehr Produkte in der zweiten und dritten und damit späten Phase der klinischen Entwicklung. Nach der Fokussierung auf Corona-Impfstoffe und -Therapien konzentriere sich die Forschung und Entwicklung wieder auf die "klassischen Biotech-Themen" wie Studien zu Krebs-Wirkstoffen sowie Infektions- und Autoimmunerkrankungen.
Im vergangenen Jahr seien deutsche Biotechnologie-Unternehmen neue Allianzen mit einem potenziellen Umsatzvolumen von 14,2 Milliarden Euro eingegangen - ein neuer Rekord. Die Unternehmen hätten verstärkt auf Partnerschaften gesetzt statt auf riskante Übernahmen, um sich Nachschub an neuen Medikamenten zu sichern.
"Beim Thema Finanzierung hinkt Deutschland hinterher"
Allerdings kritisiert EY-Partner Ort: "Beim Thema Finanzierung hinkt der Biotechnologie-Standort Deutschland anderen wichtigen Ländern weit hinterher. Gerade die vielversprechenden Late-Stage-Produkte benötigen hohe Investitionen." Unter "Late Stage" versteht man in der Startup-Szene die Endphase eines Finanzierungszyklus. Die betreffenden Unternehmen haben sich in der Regel schon am Markt etabliert und erwirtschaften sogar Gewinne. Mit dem frischen Geld wollen sie in neue Märkte expandieren, sich umstrukturieren oder neue Dienstleistungen oder Produkte auf den Markt bringen. Diese Phase ist laut VC-Magazin besonders für Wagniskapitalgeber interessant. Die Risikokapitalfinanzierung hat sich laut EY bei den Biotech-Unternehmen gegenüber dem Vorjahr nahezu halbiert, lag damit aber etwa auf dem Vor-Pandemieniveau.
Risikokapitalgeber sitzen häufig in den USA
Die Branche fordert seit langem erleichterte Finanzierungsbedingungen für Investoren. Laut EY müsse es auch großen Investoren wie etwa Pensionsfonds, Versicherungen und anderen institutionellen Investoren ermöglicht werden, erheblich stärker in risikobehaftete Unternehmungen - und dazu zählen Biotech-Unternehmen - zu investieren. Zudem braucht es laut EY "dringend attraktivere Abschreibungsmöglichkeiten für Verluste." Die Finanzierung bleibe eine der entscheidenden Herausforderung für die deutsche Biotechnologie-Branche.
Biotech-Firmen tüfteln an komplexen Arznei-Wirkstoffen und Therapien und bringen auch Technologien in Chemie und Landwirtschaft ein. Das ist teuer und langwierig, weshalb Biotechfirmen auf viel Geld von Investoren angewiesen sind, die meist in den USA sitzen. In Deutschland mangelt es an Geldgebern gerade für größere Summen, was der Biotech-Branche zu schaffen macht. Firmen wie BioNTech zog es zum Börsengang an die US-Technologiebörse Nasdaq.