Finanzaufsicht nach Reform Der Riese BaFin erwacht allmählich
Die Finanzaufsicht BaFin warnt vor den Folgen niedriger Zinsen und des Ukraine-Krieges. Auf ihrer Jahrespressekonferenz muss sich die Behörde aber vor allem Fragen stellen, wie schlagkräftig sie selbst geworden ist.
Eigentlich hätte die Versicherungs- und Finanzaufsicht Grund zum Feiern. Vor etwas mehr als 20 Jahren, am 1. Mai 2002, wurde die BaFin gegründet. "Doch für einen größeren Festakt mit ausführlicher Retrospektive ist es nicht die richtige Zeit", meint der neue BaFin-Präsident Mark Branson bei der Veranstaltung in Frankfurt. "Jetzt müssen wir erst einmal zeigen, was in uns steckt."
Die Finanzaufseher stehen unter Druck, nachdem ihnen gerade im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal grobe Versäumnisse vorgeworfen wurden. So gibt sich Branson demütig und erlaubt sich trotzdem den einen oder anderen Spaß. Zu den Journalisten, die die BaFin teils von Anfang an begleitet haben, sagt er: "Ich sehe, es gibt da graue Haare, ich hoffe, das kommt nicht von 20 Jahren BaFin-Watching."
Die Aufsichtsbehörde sollte im Zuge ihrer Reform im vergangenen Jahr mehr Biss bekommen. Kernstück dieser Reform: Die Aufseher können mittlerweile Bilanzen von Unternehmen kontrollieren, ohne sich dafür mit anderen Stellen abstimmen zu müssen. Zwölf solcher Verfahren hat die Institution bereits abgeschlossen, viele andere laufen. Dazu sei man etlichen Hinweisen von Whistleblowern nachgegangen.
Keine Vollkasko-Aufsicht
Den Journalisten im Literaturhaus Frankfurt, dem Ort der Konferenz, reicht das als Beweis für die neue Schlagkraft nicht. Warum komme es trotzdem immer wieder zu Unregelmäßigkeiten, etwa im Zusammenhang mit dem Immobilienkonzern Adler, wird Branson gefragt. Dass die Wirtschaftsprüfer den Jahresabschluss des Unternehmens nicht abnicken wollten, sieht er positiv: "Wenn ein Testat verweigert wird, ist das für mich ein Zeichen, dass Kontrollen funktionieren." Und auch wenn die BaFin vieles im Blick habe, eine Vollkasko-Aufsicht gebe es nicht.
Auch beim Thema Geldwäsche wollen die Aufseher mehr tun. Doch die Frage, wie gut die deutschen Geldhäuser dabei aufgestellt seien, beantwortet der BaFin-Präsident, wie man es von den Aufsehern gewohnt ist, recht wortkarg: "Es gibt Institute, die machen das sehr professionell und es gibt Ausreißer", sagt der Brite. Wo nötig, werde man eingreifen.
Der neue BaFin-Chef Mark Branson will die Behörde schlagkräftiger machen.
Vor ein paar Tagen erst hatten unter anderem BaFin-Vertreter die Deutsche Bank durchsucht. Im Fokus standen nach Angaben der Bank Geldwäscheverdachtsmeldungen, die das Institut selbst abgegeben hatte.
Härter, schneller und risikobereiter
Die reformierte Finanzaufsicht will härter, schneller und risikobereiter werden. Diesem Anspruch werde sie teilweise auch schon gerecht, findet Britta Langenberg, die bei der Bürgerbewegung Finanzwende für den Verbraucherschutz zuständig ist. "Von außen betrachtet wirkt die BaFin entschlossener als bisher, wir sehen da schon eine härtere Gangart." Auch gegenüber Startups wie der Smartphone Bank N26. Deren Geschäft hatte die BaFin auf 50.000 Neukunden pro Monat begrenzt, weil die Risiko- und Geldwäschevorsorge mangelhaft ausfiel.
Ein Manko sieht Bankenexperte Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim allerdings weiterhin: Die BaFin bleibt direkt dem Bundesfinanzministerium unterstellt. Burghof dagegen fordert: "Damit jede Form politischer Einflussnahme vermieden werden kann, sollte die Bankenaufsicht möglichst unabhängig sein." Das ist aber trotz aller Reformbereitschaft im Bundesfinanzministerium bislang nicht vorgesehen.
Rolle als Aufsichtsbehörde gestärkt
Immerhin dürfte sich ein Fall Wirecard in dieser Form nicht wiederholen, ist zumindest Jan Pieter Krahnen überzeugt, der wissenschaftliche Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE. "Denn durch die Reform kann sich die BaFin deutlich besser über kapitalmarktorientierte Unternehmen informieren und vor allem selbst entscheiden, über welchen Konzern sie welche Informationen einholen möchte." Dadurch würde die Aufsichtsbehörde in ihrer Rolle deutlich gestärkt.
Krahnen lobt auch Branson, zuvor oberster Finanzaufseher in der Schweiz und erst seit vergangenem August an der Spitze der BaFin. "Er ist als Sanierer angetreten und hat klare Vorstellungen, wie er die Aufsichtsbehörde schlagkräftiger machen kann", meint der Frankfurter Finanzexperte. Ob er sie intern auch wirklich durchsetzen könne, müsse sich allerdings erst noch zeigen.