Verhandlung in Karlsruhe Missbraucht Facebook seine Position?
Wer ein Facebook-Konto hat, bezahlt das oft mit persönlichen Daten. Doch ist die Verwendung dieser Informationen auch ein Wettbewerbsverstoß? Darüber soll nun der Bundesgerichtshof entscheiden.
Das Bundeskartellamt ließ sich Zeit. Fast drei Jahre ermittelten die Wettbewerbsschützer gegen Facebook. Es geht um den Verdacht, dass das US-Unternehmen durch die Verwendung von Nutzerdaten eine marktbeherrschende Stellung missbraucht.
Im Februar 2019 entschied die Behörde: Der Konzern darf die Daten, die er in Diensten von Tochterunternehmen wie WhatsApp und Instagram sammelt, nicht mehr ohne weiteres dem Facebook-Konto eines Nutzers zuordnen. Nutzer müssen damit einverstanden sein, dass ihre Daten zu einem Profil kombiniert werden - und dafür eine freiwillige Einwilligung abgeben. Das Gleiche soll für die Zuordnung von Daten gelten, die Facebook auf den Internetseiten von Dritten gesammelt hat - etwa über seine Mess- und Analysetools.
Facebook ging im Eilverfahren gegen diese Entscheidung vor und bekam vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf vorerst Recht. Das heißt, das Unternehmen muss sich nicht an die Vorgaben des Kartellamts halten, solange die Gerichte nicht endgültig über die Sache entschieden haben. In dem Eilverfahren verhandelt nun der Bundesgerichtshof in zweiter Instanz.
Kartellamt: "Facebook beutet Nutzer aus"
"Facebook darf seine Nutzer künftig nicht mehr zwingen, einer faktisch grenzenlosen Sammlung und Zuordnung von Nicht-Facebook-Daten zu ihrem Nutzerkonto zuzustimmen", so der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, als er 2019 die Anordnung gegenüber Facebook mitteilte.
Eine Einwilligung der Nutzer sei nur dann freiwillig, wenn Facebook sie an keinerlei Bedingungen knüpfe - insbesondere nicht die Nutzung seiner Dienste von einer entsprechenden Einwilligung abhängig mache.
Andernfalls verlören Nutzer die Kontrolle über ihre eigenen Daten. Denn sie könnten dann nicht mehr überschauen, welche Daten aus welchen Quellen für welche Zwecke mit Daten aus Facebook-Konten verknüpft und zur Erstellung von Nutzerprofilen genutzt würden.
Aus Sicht des Bundeskartellamts hat Facebook also keine wirksame Einwilligung, um die Daten seiner Nutzer zu verarbeiten, und auch sonst keine rechtfertigenden Gründe. Dies sei ein Verstoß gegen europäisches Datenschutzrecht. Dadurch beute Facebook seine Nutzer aus und behindere zugleich Wettbewerber, die keinen vergleichbaren "Datenschatz" anhäufen könnten.
Wer gehört zum "Markt für soziale Netzwerke"?
Damit überhaupt eine "Ausbeutung" und "Wettbewerbsbehinderung" in Betracht kommt, muss Facebook eine marktbeherrschende Stellung haben. Unklar ist aber schon, welche Angebote den "Markt für soziale Netzwerke" ausmachen, um den es hier geht.
Die Dienste Snapchat, YouTube und Twitter sowie berufliche Netzwerke wie LinkedIn und Xing zählt das Bundeskartellamt ausdrücklich nicht zum Markt für soziale Netzwerke. Diese Dienste böten jeweils nur einen "Ausschnitt der Leistungen eines sozialen Netzwerks" an. Google Plus hätte in den Markt einbezogen werden müssen - der Dienst wurde jedoch eingestellt.
Aus Sicht der Wettbewerbsschützer würde Facebook aber so oder so inklusive seiner Tochterunternehmen Instagram und WhatsApp auf so hohe Marktanteile kommen, dass in jedem Fall von einem "Monopolisierungsprozess" ausgegangen werden könne.
Das Kartellamt stützt dies auf folgende Zahlen: Im Dezember habe Facebook weltweit täglich 1,52 Milliarden aktive Nutzer gehabt, monatlich 2,32 Milliarden. In Deutschland seien es 23 Millionen tägliche Nutzer und 32 Millionen monatliche Nutzer - hierzulande sei das ein Marktanteil von 95 Prozent.
Kartellamt als Datenschützer
Obwohl es also inhaltlich um Datenschutz geht, sind es nicht die Datenschutzbehörden, die hier agieren, sondern das Kartellamt. Die Bonner Behörde sieht das so: Sie sei dann zuständig, wenn die Sammlung und Verwertung von Daten "zum wesentlichen Faktor" für die Stellung eines Unternehmens im Wettbewerb werde. Im Übrigen arbeite man eng mit den Datenschutzbehörden zusammen.
"Daten sind heute ein entscheidender Faktor im Wettbewerb", sagte Mundt 2019. "Gerade für Facebook sind sie sogar der wesentliche Faktor für die Dominanz des Unternehmens."
Die Frage nach der Durchsetzbarkeit
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte seine Zweifel, ob Verstöße gegen das Datenschutzrecht zugleich ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht sind. Nun muss der Bundesgerichtshof klären, ob er die Zweifel teilt. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, müsste Facebook die Anordnung des Kartellamts sofort umsetzen.
Bleibt die Frage nach der Durchsetzbarkeit. Vorausgesetzt, der Bundesgerichtshof billigt das Vorgehen des Kartellamts, wäre die Bonner Behörde überhaupt in der Lage, zu kontrollieren, ob sich Facebook an die Vorgaben hält? Das Bundeskartellamt gibt sich da zuversichtlich: Möglich sei eine stichprobenartige technische Überwachung. Außerdem könnten Buß- und Zwangsgelder verhängt werden.