Wulff gegen Ankauf von Staatsanleihen Bundespräsident kritisiert EZB
Der Ankauf von Staatsanleihen sei rechtlich bedenklich, die EZB müsse zu ihren Grundsätzen zurückkehren: Bundespräsident Wulff hat in einer Rede die Währungshüter ungewöhnlich deutlich kritisiert. Auch die Politik der Regierungen nahm er ins Visier - sie ließen sich zu oft am "Nasenring durch die Manege führen".
Bundespräsident Christian Wulff hat die Europäische Zentralbank wegen des Ankaufs von Staatsanleihen kritisiert. Die obersten Währungshüter gingen über ihr Mandat hinaus, sagte Wulff bei einer Rede auf einer Konferenz von Wirtschaftsnobelpreisträgern in Lindau am Bodensee. "Dies kann auf Dauer nicht gutgehen und kann allenfalls übergangsweise toleriert werden. Auch die Währungshüter müssen schnell zu den vereinbarten Grundsätzen zurückkehren."
Er halte den massiven Aufkauf von Anleihen einzelner Staaten durch die EZB für "politisch und rechtlich bedenklich", erklärte Wulff weiter. Der Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbiete der EZB den unmittelbaren Erwerb von Schuldtiteln, um die Unabhängigkeit der Notenbank zu sichern. "Dieses Verbot ergibt nur dann Sinn, wenn die Verantwortlichen es nicht durch umfangreiche Aufkäufe am Sekundärmarkt umgehen."
Die EZB hat bislang für rund 110 Milliarden Euro Anleihen von Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien gekauft. Das im Mai 2010 gestartete und unlängst wiederbelebte Programm ist höchst umstritten. Kritik kommt vor allem aus Deutschland und insbesondere von der Bundesbank. Deren Ex-Chef Axel Weber hatte sich schon zu Beginn offen gegen den Rest des EZB-Rats gestellt. Sein Nachfolger Jens Weidmann folgt dieser Linie.
Wulff fordert Regierungen zu unpopulären Entscheidungen auf
Kritik übte Wulff auch an den europäischen Regierungen. In der Banken- und Schuldenkrise ließen sie sich von den globalen Finanzmärkten treiben, anstatt "klare Leitplanken" zu setzen. "Immer öfter treffen sie eilig weitreichende Entscheidungen kurz vor Börsenöffnung, anstatt den Gang der Dinge längerfristig zu bestimmen. Dies trifft unsere Demokratien in ihrem Kern", kritisierte Wulff. Die Politik müsse sich davon lösen, hektisch auf jeden Kursrutsch an den Börsen zu reagieren. "Sie darf sich nicht abhängig fühlen und sich am Nasenring durch die Manege führen lassen, von Banken, von Ratingagenturen oder sprunghaften Medien", sagte Wulff und forderte langfristig orientierte, "wenn nötig, auch unpopuläre Entscheidungen".
"Versündigung an der jüngeren Generation"
Solidarität sei ein wesentlicher Teil der europäischen Idee. "Es ist allerdings ein Missverständnis, Solidarität allein an der Bereitschaft zu bemessen, andere finanziell zu unterstützen, für sie zu bürgen oder gar mit ihnen gemeinsam Schulden zu machen", sagte Wulff. Auch der Bürge könne sich "unmoralisch verhalten, wenn er die Insolvenz nur hinauszögert." Wer heute die Folgen geplatzter Spekulationsblasen allein mit Geld und Garantien zu mildern versuche, verschiebe die Lasten zur jungen Generation und erschwert ihr die Zukunft. "All diejenigen, die das propagieren, machen sich im Kern 'einen schlanken Fuß' und handeln nach dem Motto: 'Nach mir die Sintflut'", kritisierte das Staatsoberhaupt. Die "Versündigung an der jüngeren Generation" müsse ein Ende haben.
Die massive Kritik Wulffs gilt als ungewöhnlich - der Bundespräsident hatte sich bisher mit Äußerungen zur Tagespolitik eher zurückgehalten.