Kolumne Euroschau Jetzt sollen die Reichen zahlen
Bisher mussten in der Eurokrise vor allem die Steuerzahler als Retter einspringen. Doch die Debatte über eine stärkere Beteiligung reicher Bürger in Krisenländern gewinnt langsam an Fahrt.
David Ricardo war ein schlauer Mann. Als Börsenmakler brachte er es in der Londoner City Ende des 18. Jahrhunderts zu großem Reichtum. Als Mathematiker und Naturwissenschaftler machte er sich einen Namen in der britischen High Society. Wirklichen Einfluss hatte er vor allem als Ökonom, etwa mit seinen Thesen zum Freihandel.
Als Napoleon 1815 nahe des flämischen Dorfes Waterloo sein Gleichnamiges fand, schlug für Ricardo die große Stunde. Zwar wurde der Sieg über die Franzosen von den Briten kräftig bejubelt. Doch er bedeutete auch Übel für das Staatssäckel: hohe Schulden. Sie betrugen nach heutigen Maßstäben rund 250 Prozent des Bruttoinlandsproduktss.
Ricardo entwarf seine viel beachtete Theorie zur Besteuerung der Reichen. Seit Jahren hatte er die überbordende Verschuldung zu Lasten künftiger Generationen gegeißelt. Die Vermögenden müssten zur Kasse gebeten werden, um den Staatshaushalt zu sanieren.
Vermögende sollen zahlen
Rund 200 Jahre später hat sich die Deutsche Bundesbank mit den Ideen des alten Engländers beschäftigt. Sie wirft in ihrem jüngsten Monatsbericht die Frage auf, ob Europas Krisenstaaten die wohlhabende Elite ihrer Länder zur Ader lassen sollten. Ein ungewöhnliches Ansinnen einer Notenbank. Die Länder könnten nicht ständig Hilfe von ihren Nachbarn erwarten, wenn sich die eigene, gut situierte Bevölkerung nicht angemessen beteilige.
Damit nimmt die Bundesbank indirekt den Faden einer umstrittenen Studie der Europäischen Zentralbank auf. Die hatte herausgefunden, das Vermögen der meisten Deutschen sei niedriger als das der Bevölkerung vieler Krisenstaaten. Nach EZB-Berechnungen beläuft es sich auf netto rund 51.000 Euro, während Griechen es auf etwa 102.000 Euro, Spanier auf knapp 183.000 Euro und Zyprer sogar auf fast 267.000 Euro bringen. Als Erklärung führte die EZB unter anderem an, dass in Südeuropa Immobilieneigentum weiter verbreitet sei als in Deutschland. Kritiker bemängelten die Methodik der Berechnungen und warfen der EZB vor, ein verzerrtes Bild zu liefern. Unabhängig davon, was von den Zahlen der europäischen Währungshüter zu halten ist: An der Forderung angemessener Beteiligung der Reichen an Sanierung des eigenen Landes ist ja zunächst nichts auszusetzen.
Weiteres Hilfspaket für Griechenland?
Diese Forderung hat umso mehr Gewicht, als Griechenland ein weiteres Hilfspaket erwartet. Ohne erneute Finanzspritze droht Hellas Ungemach. In Athen gibt man sich zwar optimistisch, das notwendige Geld auf den Kapitalmärkten einsammeln zu können. In internationalen Finanz- und Notenbank-Kreisen glaubt das kein Mensch. Zwar bescheinigt auch die Bundesbank Athen erste Erfolge beim Reformkurs. Verglichen mit den Anstrengungen in Portugal und Spanien seien die aber bescheiden schwach.
Die reichen Griechen haben bislang wenig zur Sanierung ihres maroden Landes getan. Dutzende Exil-Griechen trafen sich vor einigen Jahren zwar in einem Nobel-Hotel der Hauptstadt gleich gegenüber vom Parlament, vor dem Tausende Arbeitslose gegen Sparmaßnahmen demonstrierten. Dort schwadronierten sie zwei Tage bei gutem Essen und im Blitzlichtgewitter über die Zukunft ihrer Heimat. Das war's dann aber auch mit ihrer Solidarität.
Auch beliebt: der Transfer in die Karibik
Schon zu Beginn der Finanz- und Schuldenkrise hatten Reeder, Baulöwen und Ölmagnaten ihr Kapital in großem Stil ins Ausland gebracht: auf Schweizer, Luxemburger, britischen und zyprischen Konten sollen rund 560 Milliarden Euro liegen, zum großen Teil unversteuert. Beliebt ist auch der Transfer in die Karibik. Dort segeln griechische Yachten im Glitzerlicht der Sonne ohnehin sehr gern vor wippenden Palmen und goldenem Sandstrand. Allein nach Ausbruch der Krise flossen etwa 54 Milliarden Euro ins Ausland, weiß der Chef der griechischen Steuerfahndung, Stelios Stasinopoulos. Auch davon sei mehr als die Hälfte unversteuert gewesen.
Schwierig war das für die griechische Elite nicht. Eine kaum funktionierende Steuerverwaltung und fehlende Sanktionen luden ein, Geld flugs wegzuschaffen. Hinzu kommt die traditionelle Skepsis griechischer Unternehmen gegenüber dem Staatsapparat. Nur Geld im Ausland ist sicher, so die Devise.
Das Beispiel Zypern steckt in den Knochen
Angeheizt wurde die Debatte um Besteuerung der Vermögenden kürzlich vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Der hatte die Idee ins Spiel gebracht, Vermögende sollten mit einer zehnprozentigen Sonderabgabe belegt werden. Das sei effizienter als alle anderen Formen der Hilfe. Vor allem in Griechenland hatte dies große Sorgen bei der Bevölkerung ausgelöst. Da die Regierung die reiche Oberschicht bislang nicht angetastet hat, fürchten viele Griechen mit mittlerem Einkommen erneut zu Kasse gebeten zu werden. Vielen sitzt das Beispiel Zypern in den Knochen. Auch hier wollte die Staatselite das Vermögen der ganz Reichen schonen. Deshalb wurden auch die Einwohner mit mittlerem Vermögen teilenteignet.
Bundesbank und IWF wollen die Vermögensabgabe nicht um jeden Preis. Sie weisen auch auf die Risiken hin. Die Maßnahme könnte die Steuerflucht anheizen und zu Verunsicherung führen, damit etwa Investitionen behindern. Die Abgabe dürfe deshalb auch nur in Ausnahmesituationen erhoben werden.
Auch David Ricardo hatte wenig Erfolg mit seinen Ideen: Obwohl gerne zu Rate gezogen und sehr einflussreich, fand er mit seinem Besteuerungsvorschlag bei der Regierung Ihrer Majestät kein Gehör. Doch selbst wenn: Am damals noch mächtigen britischen Oberhaus, voll mit reichen Adeligen, wären Ricardos Ideen ohnehin gescheitert. Zu allem Überfluss starb der arme Kerl wenig später an einer Mittelohrentzündung.