Kolumne Euroschau Das Projekt Euro ist gescheitert

Stand: 04.07.2012 13:01 Uhr

Die Eurozone droht zu zerbrechen. Der Preis für die Rettung ist hoch: Wenn alles schief geht, lägen die finanziellen Belastungen für Deutschland bei zwei Billionen Euro. Aber auch die Rückkehr zur D-Mark wäre teuer. So oder so: Das Projekt Euro ist in seiner bisherigen Form gescheitert, meint Klaus-Rainer Jackisch.

Von Klaus-Rainer Jackisch, HR

Die europäische Gemeinschaftswährung steht auf Messers Schneide. So dramatisch war die Lage noch nie. Viele Bürger nehmen das nicht wahr, weil sich die Aktienmärkte ganz gut halten und von sonstigen Verwerfungen im täglichen Leben nichts zu spüren ist. Hinter den Kulissen aber spielen sich dramatische Szenen ab. Längst arbeiten Notenbanken und Regierungen an Plänen für den Ernstfall: Die Eurozone könnte zerbrechen.

Tatsächlich geht es um zentrale Fragen: Gelingt es der Politik, das Projekt Euro zu retten? Oder müssen wir den Euro abwickeln und wieder Nationalwährungen einführen? In beiden Fällen kommen massive Kosten auf die Steuerzahler zu, insbesondere auf die deutschen. Eine Rettung zum Nulltarif wird es nicht geben. Die Abwicklung auch nicht. Die Wohlfahrtsverluste werden erheblich sein. Denn der Karren sitzt zu tief im Morast.

Merkel warf ihre Prinzipien über Bord

Die Politik hat sich entschieden, den Euro zu retten - koste es was es wolle. Die Bundeskanzlerin hat ihre Prinzipien über Bord geworfen. Nach markigen Worten im Vorfeld ist sie auf dem EU-Gipfel vergangene Woche in allen entscheidenden Punkten eingeknickt. Dort wurde der endgültige Grundstein zu einer Transferunion gelegt, bei der die Schulden aller Eurostaaten vergemeinschaftet werden. Deutsche Steuerzahler kommen für Schulden auf, die im tiefsten Kalabrien entstanden sind. Sie retten marode Banken, etwa aus Galizien.

Der Preis ist sehr hoch. Die finanziellen Belastungen in Form von Rettungspaketen und direkten Hilfen sind noch nicht absehbar. Wenn alles schief geht, belaufen sie sich auf rund zwei Billionen (2.000.000.000.000) Euro allein auf deutscher Seite.

Parlament wird entmündigt

Rechtlich ist das Vorgehen hoch umstritten. Noch ist nicht klar, ob das Bundesverfassungsgericht die Regeln für verfassungsgemäß hält. Tatsächlich beschneiden die Beschlüsse die Souveränität der Nationalstaaten. Das ist eigentlich nur mit einer Grundgesetzänderung oder einer Volksabstimmung möglich. Das Parlament wird zunehmend entmündigt. Der Souverän, also das deutsche Volk, wird ständig vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Souverän darf nur noch abnicken. Den Parlamentariern wird nicht einmal mehr Zeit gegeben, Beschlüsse durchzulesen.

Die außenpolitischen Verwerfungen sind verheerend: Die deutsch-französische Freundschaft, einer der Grundpfeiler der Republik, zerbröselt. Die südländischen Krisen-Staaten diktieren immer mehr, was gemacht wird. Deutsche Steuerzahler dürfen zahlen.

Großbritannien erwägt das Undenkbare

Mitglieder außerhalb der Eurozone rebellieren. In Großbritannien wird das bislang Undenkbare erwogen: ein Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union. Das hätte sich nicht einmal Europa-Skeptikerin Margaret Thatcher getraut. Das alles verschärft die Spannungen in der EU.

Im schlimmsten Fall zerbricht nicht nur die Währungsunion, sondern auch die Europäische Union. Damit wäre das Werk von Generationen vernichtet. Von denen, die Europa nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut und Jahrzehnte Frieden in Freiheit ermöglicht haben.

Rückkehr zu D-Mark wäre teuer

Die Alternative ist die Wiedereinführung von Nationalwährungen. Auch dieses Szenario würde massive Verwerfungen mit sich bringen. Denn niemand kann glauben, dass es die Rückkehr etwa der D-Mark zum Nulltarif gäbe. Die Umstellung würde sicherlich nicht nach den alten Kursverhältnissen wie bei der Einführung des Euro erfolgen, sondern radikal für alle Länder im Verhältnis 1:1. Danach würde die neue Mark massiv aufgewertet, weil Investoren sie als sicheren Hafen ansähen. Die Folge wäre eine kräftige Verteuerung deutscher Exporte. Die Stütze der hiesigen Wirtschaft würde zusammenbrechen. Deutschland würde in eine Rezession fallen. Die Arbeitslosigkeit würde drastisch steigen.

In den bisherigen Krisenstaaten würde es zu Abwertungen kommen. Diese Länder könnten ihre Waren billig auf den Weltmarkt werfen und ihre Arbeitslosigkeit abbauen. Gleichzeitig würden sie voraussichtlich ihre Schulden aus den Rettungspaketen nicht zurückzahlen. Der deutsche Steuerzahler würde auf riesigen Verlusten sitzen bleiben.

EU versäumte die Vertiefung der Union

Wie man es auch dreht und wendet: Das Projekt Euro ist in seiner bisherigen Form gescheitert. Es ist gescheitert, weil zunächst die Währungsunion etabliert wurde, bevor ein politischer Überbau errichtet wurde. Damals haben die Architekten der Eurozone behauptet, die Währungsunion werde automatisch zu einer politischen Union führen. Aber das Konzept hat in den knapp zwölf Jahren der Existenz des Euro versagt. In all den Jahren hat sich die EU mit ihrer Erweiterung, aber nicht mit ihrer Vertiefung beschäftigt. Dafür bekommt sie jetzt die Quittung - vor allem von aggressiven Spekulanten an den Finanzmärkten, denen der Euro schon immer ein Dorn im Auge war. Denn wer in der angelsächsischen Welt hat es schon gerne gesehen, dass der Euro trotz seiner Schwächen dem US-Dollar Paroli bot und die Vormachtstellung in Abrede stellte.

Die Bevölkerung wird dieses Versagen ausbaden: indem sie tief in ihre Tasche greifen und ihren Lebensstandard massiv einschränken muss. In Deutschland und in Europa.  

Klaus-Rainer Jackisch schreibt bei tagesschau.de regelmäßig seine Kolumne Euroschau, in der er einen Blick auf die monatliche EZB-Ratssitzung wirft.